Prozess vor Landgericht: Nur Augenzeugen geben Auskunft
Im Prozess vor dem Stuttgarter Landgericht macht eines der Opfer einer Gewalttat keine Angaben, das zweite erscheint nicht zum Termin.
Von Heike Rommel
Backnang/Winnenden. Licht ins Dunkel der mutmaßlichen Gewalttaten eines 29-Jährigen in Backnang und Winnenden sollten beim Prozess am Stuttgarter Landgericht die Augenzeugen bringen. Dazu zählt auch die 25-jährige Altenpflegerin, welche am 2. Oktober 2020 gegen 22 Uhr noch aus dem Haus ging, um in Ruhe zu telefonieren, wobei sie drei Männer sah. „Ich hab zuerst gedacht, die machen Spaß, aber dann wurde einer zu Boden geschubst und ich glaube, die anderen beiden haben dem etwas auf den Kopf geschlagen“, erzählte die Frau dem Vorsitzenden Richter der siebten Strafkammer Rainer Skujat. Sie hatte das Geschehen von der anderen Straßenseite aus beobachtet: „Am Boden lag eine Flasche.“ Ob das 61-jährige Opfer aus Backnang mit einer abgebrochenen Bierflasche verletzt wurde, konnte die Zeugin in der Dunkelheit jedoch nicht sehen. Der Mann habe sich die Hand an den Kopf gehalten, fuhr sie fort. Plötzlich sei ein graues Auto angefahren gekommen und dann der Rettungswagen. „Die anderen zwei waren weg“, hatte die Zeugin erzählt, als sie vor ihrem Haus von der Polizei befragt wurde. Weiter gab sie an, gehört zu haben, wie im Streit gerufen worden sei: „Ich will mein Geld!“
Bilder des Verletzten werden gezeigt
„Sagt Ihnen das irgendwas?“, fragte Richter Skujat und ließ Bilder an die Wand projizieren, auf denen ein Postkasten zu sehen war. „Zuerst lag er und dann saß er vor dem Postkasten“, erinnerte sich die Zeugin tatsächlich und meinte damit den Verletzten. „Jetzt erschrecken Sie nicht“, warnte der Richter und zeigte der Zeugin ein Foto vom Kopf des Verletzten. „So soll der Mann danach ausgesehen haben“, erläuterte er, doch dazu konnte die Zeugin keine weiteren Angaben machen.
Die Fahndung nach dem oder den Tätern verlief laut der Zeugenaussage eines Polizeibeamten aus Winnenden erfolglos und DNA-Spuren an der Bierflasche hätten sich keine gefunden. Zur Vermutung der Stuttgarter Staatsanwaltschaft, es hätten Gelder aus Drogengeschäften eingetrieben werden sollen, konnte sich die Polizei nicht äußern.
Eine zweite Augenzeugin, eine 59-jährige Personalsachbearbeiterin, war am 17. November 2022 gegen 11.20 Uhr in Winnenden einkaufen und ging gerade die Brunnenstraße hoch, als sie aus etwa 20 Metern Entfernung sah, dass ein Mann am Boden lag und ein anderer davonging. „Erst ging ich weiter, aber dann sah ich, dass der am Boden Liegende nicht mehr aufsteht“, erzählte die Winnenderin. Sie habe das Opfer mit einem weiteren Passanten in die stabile Seitenlage gebracht. „Er beklagte, dass sein Rucksack fehlt“, erzählte die Zeugin. Der andere Passant rief die Polizei, derweil sei der Inhaber des nahe gelegenen Uhrengeschäfts mit Tüchern angerannt gekommen, um dem Verletzten zu helfen. Auf dem Boden lag ein etwa ein Meter langes Kantholz.
„Der Mann, der geschlagen haben soll, ging an Ihnen vorbei“, sagte der Vorsitzende Richter und erkundigte sich, ob der Zeugin dabei etwas aufgefallen sei. „Du kannst dein Zeug später bei deinem Onkel abholen“, soll der Flüchtende demnach gerufen haben. Nach der Erstversorgung des Verletzten, der vor lauter Schmerzen geschrien habe, erinnerte sich die Zeugin, hätten sie und andere Passanten noch nach dem Rucksack gesucht, aber nichts gefunden. Zu einem offenen Springmesser, das die Polizei am Tatort fotografiert hat, wusste die Winnenderin nichts. Der Verteidiger des in Untersuchungshaft befindlichen Angeklagten warf an dieser Stelle des Prozesses ein, das Messer hätte dem Opfer gehört, denn sein Mandant sei zu keinem Zeitpunkt im Besitz einer verbotenen Waffe gewesen.
Das 44-jährige Opfer der Tat in Winnenden, heute wieder von Prellungen und blutenden Wunden geheilt, machte vor Gericht von seinem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch, um sich selbst nicht zu belasten. Zu dessen Vernehmung kam die Polizei zunächst ins Krankenhaus und dann in die Justizvollzugsanstalt Bruchsal. Gegen das vor Gericht säumige Opfer aus dem Backnanger Vorfall wurde Ordnungsgeld beziehungsweise Ordnungshaft verhängt, damit der 61-Jährige aussagt, ob und was er mit dem seit jungen Jahren haft- und drogenerfahrenen Angeklagten, für den ein psychiatrischer Gutachter hinzugezogen ist, zu tun hatte.