Pumpwerk im Lederlook

In Backnang werden die nüchternen Zweckgebäude mit Folien beklebt, die jeweils einen Bezug zum Ort haben. Neben den Maschinenhäusern an der Oberen Walke und beim Kalten Wasser soll demnächst auch das Pumpwerk an der Talstraße eine besondere Optik erhalten.

Das Maschinenhaus des Pumpwerks Obere Walke ist neben dem beliebten Rad- und Fußweg ein richtiger Hingucker. Fotos: A. Becher

© Alexander Becher

Das Maschinenhaus des Pumpwerks Obere Walke ist neben dem beliebten Rad- und Fußweg ein richtiger Hingucker. Fotos: A. Becher

Von Matthias Nothstein

Backnang. Die Pumpwerke in der Backnanger Innenstadt, die im Falle eines Hochwassers die städtische Kanalisation am Laufen halten, sind Zweckbauten, die nicht nur teuer, sondern auch extrem unscheinbar sind. Die gewaltigen Pumpen sind nämlich im Untergrund für das Auge unsichtbar, nur die jeweiligen Technikgebäude mit der wichtigen Steuerungstechnik sind an der Oberfläche zu sehen. Dabei handelt es sich jeweils um einen Betonquader, ohne Fenster, ohne Dach und ohne sonstige Gestaltungselemente. Doch der Backnanger Baudezernent Stefan Setzer wollte sich mit der nüchternen Optik nicht abfinden. „Graue Betonwürfel wären uns aus städtebaulicher Sicht zu wenig gewesen.“ Deshalb initiierte er vor vielen Jahren schon noch in seiner alten Funktion als Leiter des Stadtplanungsamts die individuelle Gestaltung der Technikgebäude.

Schon seit 2014 ziert der Schriftzug Kaltes Wasser das Technikgebäude der Pumpstation.

© Alexander Becher

Schon seit 2014 ziert der Schriftzug Kaltes Wasser das Technikgebäude der Pumpstation.

Das Pumpwerk am Kalten Wasser war das erste, das eine besondere Gestaltung erhielt, nämlich gleich 2014 im Zuge des Baus. Zwar liegt das Pumpwerk offiziell an der Eduard-Breuninger-Straße, aber bei der Bevölkerung ist der Name Kaltes Wasser für diesen Bereich der Stadt mehr gebräuchlich. So kam bei der Stadt die Idee auf, den Würfel in einem kühlen Blau zu halten und den Schriftzug Kaltes Wasser in Schreibschrift zu integrieren. Die Kosten waren überschaubar. Die Folierung war für 1000 Euro zu haben. Die Wirkung hingegen war groß. Das Gebäude sieht viel freundlicher aus. Setzer: „Es gab ganz überwiegend positive Stimmen zur Gestaltung. Mittlerweile ist das Gebäude im Stadtbild angekommen.“ Mehr noch als zur Gestaltung gab es kurz nach der Errichtung des Gebäudes einige Fragen der Bürger nach dem Zweck, der sich laut Setzer „für den Betrachter nicht ohne Weiteres erschließt“.

Die Verzierung lockert den Zweckbau auf und kommt in der Bevölkerung gut an

Weil den Verantwortlichen bei der Gestaltung der Technikgebäude der Bezug zum Ort wichtig ist, lag beim Pumpwerk auf der Oberen Walke das Thema Leder natürlich nahe. Setzer: „Zusammen mit der Backnanger Firma Werbewerk haben wir die Idee entwickelt, das Thema Leder plakativ auf dem Gebäude sichtbar zu machen.“ Und so prangt auf dem Betonkubus eine Folie, die braunes (genarbtes) Leder mit sichtbaren groben Nähten zeigt. Und als Krönung noch – fast wie ein Brandzeichen – das Backnanger Wappen. Seit einem halben Jahr ist die Verzierung inzwischen angebracht und lockert den Zweckbau auf.

Das nächste Objekt, das es zu gestalten gilt, wird das Pumpwerk in der Bácsalmásanlage an der Talstraße sein, das vor Kurzem errichtet wurde. Noch ist die Baustelle nicht abgeschlossen. Und es gibt in der Verwaltung auch noch keine konkrete Idee, welche Abbildung am besten zu dem Ort passen würde. Zwar liegt das Pumpwerk gegenüber des Biegels, weshalb Leder sich anbieten würde, aber dieses Motiv ist mit der Oberen Walke bereits besetzt. Aufgrund des kleinen Parks und des aufsteigenden Waldes könnte sich Setzer auch etwas mit Naturbezug vorstellen. Oder etwas in Sachen Partnerstadt Bácsalmás, da die gleichnamige Anlage nur einen Steinwurf entfernt ist. „Aber wir sind auch für Ideen aufgeschlossen, die völlig losgelöst sind von diesen Überlegungen“, so Setzer.

Wie aus einem schnöden Zweckbau eine Aufwertung des Stadtbilds werden kann, zeigt sich anschaulich am Toilettenhäuschen auf der Bleichwiese. Foto: privat

Wie aus einem schnöden Zweckbau eine Aufwertung des Stadtbilds werden kann, zeigt sich anschaulich am Toilettenhäuschen auf der Bleichwiese. Foto: privat

Die öffentliche Toilette auf der Backnanger Bleichwiese erfüllt zwar einen anderen Zweck, die Problemstellung ist jedoch die gleiche. Das Gebäude an sich würde in reiner Betonoptik wie ein Fremdkörper auf dem Parkplatz wirken. Deshalb wurde die Fassade mit Resopalplatten verkleidet und künstlerisch gestaltet. Stadtbaudezernent Stefan Setzer dazu: „Es ist immer schwierig, wenn im öffentlichen Raum Infrastruktur untergebracht werden muss. Entweder man versteckt die Bauten am Rand oder man stellt sie mitten hinein. Wir haben uns für die Mitte entschieden, zum einen wegen der nötigen Anschlüsse und zum anderen wegen der sozialen Kontrolle, die bei einer Toilette immer wichtig ist.“

Der Entwurf stammt vom Backnanger Grafiker Hellmut G. Bomm. Die Kosten für die Fassadengestaltung betragen 18500 Euro, wobei die Gesamtkosten der Toilettenanlage sich auf rund 170000 Euro belaufen haben. Beim Fassadenmotiv handelt es sich um Silhouetten verschiedener europäischer Städte. Dies entspricht der Vorgabe des Gemeinderats, der den europäischen Gedanken berücksichtigt haben wollte. Die dauerhafte, vorgehängte Plattenfassade mit den einlaminierten Motiven ist ebenfalls sehr robust und kann gut gereinigt werden. Baudezernent Stefan Setzer ist zufrieden mit dem Werk: „Es ist sehr schön gelungen und unaufdringlich.“ Er hat schon beobachtet, wie Passanten stehen bleiben und versuchen, die Städte zu erkennen. Und wer genau hinschaut, kann sogar eine Silhouette der Murr-Metropole finden.

Pumpwerk im Lederlook

© Pressefotografie Alexander Beche

„Einfach nur graue Betonwürfel wären uns aus städtebaulicher Sicht zu wenig gewesen.“

Stefan Setzer, Stadtbaudezernent

Pumpwerke kosten bislang insgesamt 5,57 Millionen Euro.

Pumpwerk Der Begriff Hochwasserpumpwerk ist etwas irreführend. Deshalb werden in der Fachwelt solche Pumpwerke auch als Vorflutsicherungspumpwerke bezeichnet. Sie sind dafür da, das hinter einem Hochwasserschutz anfallende Mischwasser im Kanalsystem weiterzupumpen. Beim Regenüberlaufbecken Obere Walke kann bei einem Hochwasser das anfallende Mischwasser im Kanal nicht mehr im freien Gefälle in die Murr geführt werden. Um die Funktionsfähigkeit des Regenüberlaufbeckens sowie der Kanalisation aufrechterhalten zu können, drücken die leistungsstarken Pumpen das Mischwasser gegen den Druck der vollen Murr in das Flussbett.

Kosten Die bislang bekannten Kosten für den Bau der drei bereits gebauten Pumpwerke summieren sich auf etwa 5,57 Millionen Euro. Die Kosten setzen sich wie folgt zusammen:

Pumpwerk 3, Obere Walke (Inbetriebnahme nach Einbau der Technik 2023): etwa 1,44 Millionen Euro.

Pumpwerk 5, Talstraße (Fertigstellung und Inbetriebnahme Ende 2022): 1,98 Millionen Euro.

Pumpwerk 6, Am Kalten Wasser (in Betrieb): etwa 2,15 Millionen Euro.

Pumpwerk 14, Mühlstraße (in Planung, Fertigstellung im Zuge des Projekts Quartier Backnang-West): hierfür liegt noch keine Kostenberechnung vor.

Regenüberlaufbecken Die Nummern der Hochwasserpumpwerke gehen zurück auf die Nummern der Regenüberlaufbecken (RÜB). Das Pumpwerk 3 sorgt im Hochwasserfall für den einwandfreien Betrieb von RÜB 3, das Pumpwerk 5 ist zuständig für das RÜB 5 und so weiter. Deshalb gibt es auch noch die Pumpwerke 6 und 14. Die anderen RÜBs benötigen keine Pumpwerke.

Folien Die verzierenden Grafiken der jeweiligen Pumpwerke sind auf bedruckten Folienbahnen aufgebracht, die bei Beschädigung oder starker Verschmutzung einzeln ausgetauscht werden können. Bislang haben sich die „Graffitikünstler“ erfreulicherweise zurückgehalten.

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Erstellt:
24. Februar 2022, 06:00 Uhr

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