Quantensprung für den Schulunterricht in Backnang
Die Digitalisierung an den Schulen in Backnang hat seit Beginn des Homeschoolings während der Coronapandemie große Fortschritte gemacht. Am Tausgymnasium besitzt nun auch der letzte Schüler ein Tablet für den Unterricht.
Von Carolin Aichholz
Backnang. Seit vier Wochen gibt es im Spanischunterricht von Bettina Dorn in der neunten Klasse des Tausgymnasiums eine entscheidende Änderung: Die Schülerinnen und Schüler nutzen im Unterricht handliche Tablets statt Heft und Stift.
Als die Internetverbindung der Schüler streikt, ändert Dorn den Ablauf: Sie sammelt die Antworten auf die Fragen ihrer Schüler, schreibt sie auf ihr Tablet und projiziert diese für alle gut sichtbar aufs Whiteboard. Das funktioniert immer und unabhängig vom Internetzugang.
15 Minuten nach Unterrichtsbeginn klopft es an der Tür und Nachzügler Niklas tritt ein. „Ich habe auf dem Weg zum Bus bemerkt, dass ich mein Tablet vergessen habe, musste zurück und dann den nächsten Bus nehmen“, erklärt er. Doch dank des Geräts ist auch er schnell auf dem Laufenden und Bettina Dorn schickt ihm digital das Material, das bereits erarbeitet wurde.
Auch den Rest der Stunde leisten die handlichen Tablets gute Dienste. Dorn kann mit ihren Schülern Arbeitsblätter teilen; statt auf Papier schreiben die Jugendlichen mit dem Stift auf ihr Tablet.
Beim Besprechen der Lösungen kann jeweils einer der Neuntklässler einfach sein ausgefülltes Arbeitsblatt für alle sichtbar auf dem Whiteboard anzeigen lassen. „Da fehlt noch ein Akzent auf dem Buchstaben“, korrigiert Bettina Dorn. Die Schüler können ihre Lösungen ohne lästiges Radieren oder Durchstreichen abändern.
Nun ist mehr Kontrolle für die Eltern möglich
Bettina Dorn kann dank einer App alles sehen, was ihre Schüler auf den Geräten schreiben und wie sie es im Moment nutzen. „Da muss ich dann aber extra draufgehen, das ist während des laufenden Unterrichts unpraktisch“, findet die Lehrerin.
Sogar das Klassentagebuch wird mittlerweile digital geführt. Die Eltern haben darauf ebenfalls Einsicht, welche Hausaufgaben aufgegeben wurden und welcher Schüler wann im Unterricht gefehlt hat. „Da ist jetzt auch ein Stück mehr Kontrolle da“, sagt Bettina Dorn.
Sie unterrichtet am Tausgymnasium Deutsch, Spanisch und Englisch. Gerade beim Sprachunterricht seien die Tablets sehr wertvoll, findet die Pädagogin. Denn sie eröffnen eine Vielzahl neuer Möglichkeiten, die man im Unterricht nutzen kann.
Klar sei jedoch, dass sich mit der Nutzung der Tablets im Unterricht auch die Rolle der Lehrkräfte verändere, betont Bettina Dorn. „Früher waren die Lehrer die einzige Informationsquelle im Raum. Heute können alle alles im Internet rausfinden“, sagt die Lehrerin.
Doch die neuen Funktionen können die Lehrer auch entlasten: Im Krankheitsfall kann eine Lehrkraft Arbeitsblätter und Aufgaben für die Klasse auf die digitale Lernplattform Moodle hochladen. Diese Aufgaben können die Schüler dann auch selbstständig bearbeiten.
Die meisten Backnanger Schulen sind gut ausgestattet
Das Tausgymnasium sei mit seiner Ausrüstung zwar sicher besser als die durchschnittliche Schule ausgestattet, eine Seltenheit stelle das bei den Backnanger Schulen jedoch nicht dar, sagt Christine Wolff, Sachgebietsleiterin der Backnanger Schulverwaltung. „Alle Schulen wurden über den Digitalpakt des Kultusministeriums so ausgestattet, wie sie es individuell wünschten.“
Die dafür notwendige digitale Infrastruktur wurde geschaffen und ausgebaut. Die letzten Whiteboards warten im Keller darauf, von Fachleuten installiert und in Betrieb genommen zu werden. Serverkapazitäten und die Zugänge zum Internet mussten erweitert werden. „Das ist auch eine Entwicklung, die aktuell noch nicht ganz abgeschlossen ist“, sagt Wolff.
Nicht nur die Beschaffung der Endgeräte und der erforderlichen Technik in den Klassenräumen, auch die Reparatur und Wartung läuft über die IuK-Abteilung (Informations- und Kommunikationstechnik) der Stadt Backnang. Dort sei das Personal dementsprechend aufgestockt worden, um die Unterstützung der Schulen zu gewährleisten, sagt Jutta Ernst, stellvertretende Schulleiterin des Tausgymnasiums.
2020 wurden erst einmal die Lehrkräfte mit Tablets ausgestattet
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Außerdem arbeitet die Schule zusätzlich noch mit einem externen Dienstleister zusammen. „Wir haben aktuell mehr als 750 ausgestattete Schüler plus die Lehrer. Jedes Unternehmen mit so vielen Geräten hätte dafür eine eigene IT-Abteilung.“
Darum wird die Last auf mehrere Schultern verteilt. Jutta Ernst ist Ansprechpartnerin für Fragen der Lehrkräfte rund um die Tablets, eine Kollegin kümmert sich um die Fragen der Schüler. Multimediaberater Gerd Hessner komplettiert das Trio und wird von seinen Kollegen „Digitalexperte“ genannt.
Die Arbeitsteilung sei auch darum notwendig, weil der Aufwand gerade zu Beginn sehr hoch sei, sagt Hessner. Es benötige eine enge Zusammenarbeit aller Beteiligten, um den bürokratischen und organisatorischen Aufwand zu stemmen, die Eltern einzubeziehen und den Kindern notwendige Grundkompetenzen zu vermitteln. „Und wie die Tablets in welchem Umfang im Unterricht eingesetzt werden, entscheiden die jeweiligen Fachlehrer gemeinsam“, sagt er.
Zudem sei es wichtig, dass die Schüler auch lernen, für die erhaltenen Geräte Verantwortung zu übernehmen. Mit wasserdichten und extrem stabilen Hüllen seien die Geräte jedoch gut geschützt.
Wie schnell diese Entwicklung vor sich ging, erstaunt Jutta Ernst heute noch. „2020 hatten wir noch alle Hände voll damit zu tun, wenigstens alle Lehrer mit Tablets fürs Homeschooling auszustatten“, erinnert sie sich. „Hätte mir damals jemand gesagt, dass wir drei Jahre später eine Vollausstattung in den Räumen und Geräte für alle Schüler haben, hätte ich das nicht geglaubt. Da wurde wirklich ein Quantensprung geschafft.“
Dass der richtige Weg gegangen wird, davon ist die Pädagogin aus zweierlei Gründen überzeugt: „Schon wegen der Bildungsgerechtigkeit sollten alle Kinder und Jugendlichen dieselben Voraussetzungen haben. Und für die Vorbereitung aufs Berufsleben halte ich das auch für sehr wichtig. Wo arbeitet man denn heute noch komplett ohne digitale Endgeräte?“, fragt Ernst.
Altersgerechte Nutzung der Geräte ist wichtig
Das Tausgymnasium möchte die Kinder jedoch Schritt für Schritt an den Umgang mit Tablets und Computern gewöhnen. „Es gibt einen Medienentwicklungsplan, aber wir haben auch eigene Eckpunkte festgelegt. Unsere Kleinen, also die Schüler der fünften bis achten Klasse, arbeiten nur sehr selten damit.“ Vor allem die klassische Heftführung sollen sie noch lernen und darum erst einmal nur auf Papier schreiben.
Jutta Ernst hofft, dass sich die Schüler die Regeln für die Nutzung der Tablets auch im Umgang miteinander zu Herzen nehmen. Die Jüngeren könne man dabei so früh wie möglich abholen und dafür sensibilisieren. „Das Fotografieren von anderen Kindern ist etwa verboten, egal ob sie einverstanden sind oder nicht.“
Außerdem seien etwa alle Social-Media-Seiten gesperrt, ergänzt Gerd Hessner. „Und je nach Klassenstufe werden nach und nach mehr Apps darauf geladen, die im Unterricht genutzt werden.“ So wächst das Tablet mit seinen Besitzern mit.