Rassistische Angriffe auf Bayaz nach Geburt seines Sohnes

dpa/lsw Stuttgart. Sie sind beide junge Grünen-Politiker und seit kurzem stolze Eltern: Danyal Bayaz und Katharine Schulze haben einen Sohn bekommen. Im Netz gibt es dafür nicht nur warme Worte, sondern auch Häme und Hass. Der Finanzminister geht in die Offensive.

Danyal Bayaz (Bündnis 90/Die Grünen), Finanzminister von Baden-Württemberg. Foto: Marijan Murat/dpa-Pool/dpa/Archivbild

Danyal Bayaz (Bündnis 90/Die Grünen), Finanzminister von Baden-Württemberg. Foto: Marijan Murat/dpa-Pool/dpa/Archivbild

Eigentlich will man die Beleidigungen und Anfeindungen nicht öffentlich wiedergeben, die dem jungen Vater Danyal Bayaz in den vergangenen Tagen im Netz entgegengeschleudert wurden. Schließlich will man den Hetzern keine Bühne geben. Aber trotzdem muss man auf ein Problem aufmerksam machen, mit dem heutzutage so gut wie alle Politiker und Politikerinnen konfrontiert sind - aber besonders die, die eben keine alten, weißen Männer sind, sondern etwa wie Bayaz einen türkischen Vater haben.

Der 37 Jahre alte Heidelberger ist seit Mitte Mai baden-württembergischer Finanzminister, vorher saß er im Bundestag. Eigentlich schwebt Bayaz gerade im Familienglück. Anfang vergangener Woche gab er freudig auf Instagram die Geburt seines Sohnes bekannt. „Unserem Sohn und uns geht's gut - und wir sind mega stolz und super glücklich“, schrieb er für sich und seine Freundin Katharina Schulze (36), Grünen-Fraktionschefin im bayerischen Landtag. Gleichzeitig kündigte er an, das Familienleben privat halten zu wollen.

Seitdem hat Bayaz nicht nur Glückwünsche erhalten. Rassistisch, frauenfeindlich und menschenverachtend sind Kommentare, die auf ihn einprasseln. Da wird von „Burka“ und „Moslem“ geschwurbelt und vom „armen Kind“. Bayaz ging nun in die Offensive und postete eine Auswahl an Hetzkommentaren mit dem ironischen Satz „Danke für die Glückwünsche“ und einem Herzchen dahinter. Die „Stuttgarter Zeitung“ und die „Stuttgarter Nachrichten“ hatten zunächst darüber berichtet.

Aber lachen kann der junge Minister über die Attacken nicht. „Es ist nicht das erste Mal, dass Herr Bayaz mit Hass im Netz konfrontiert ist“, teilt sein Sprecher am Freitag mit. „Allerdings hat es ihn schon erschreckt, dass selbst die Geburt seines Kindes Anlass für rassistische, frauenfeindliche und menschenverachtende Kommentare ist.“ Nach Auffassung von Bayaz braucht es dringend effektive Regeln gegen hasserfüllten Kommentare. Plattformen seien kein rechtsfreier Raum. „Der Minister wird sich aber vorbehalten, künftig auch juristisch gegen solche Kommentare vorzugehen.“

Diesen Weg geht mittlerweile Landtagspräsidentin Muhterem Aras (Grüne), die seit Jahren heftig angefeindet wird - von rechten Abgeordneten im Parlament und von anonymen Hetzern im Netz. „Frauen werden viel brutaler angegangen in der Menge und Qualität“, sagt sie. Allein seit April 2020 habe sie 100 Strafanzeigen gestellt. Und sie zeige nur die ganz üblen sexistischen Beleidigungen und Morddrohungen an, berichtet Aras. Rund jeder vierte Täter werde nur ermittelt, die meisten Verfahren eingestellt.

Die Landtagspräsidentin fordert deshalb mehr Personal für die Justiz und Schwerpunktstaatsanwaltschaften gegen Hetzer. „Ich kann Menschen verstehen, die überlegen, tue ich das meiner Familie an - und sich dann zurückziehen“, sagt sie. „Das ist nicht nur ein Problem von Einzelnen, sondern ein Problem der Demokratie.“ Die Gesellschaft dürfe sich nicht daran gewöhnen. Die Angriffe auf Bayaz widerten sie an, sagt Aras.

Auch Innenminister Thomas Strobl (CDU) springt seinem Kabinettskollegen Bayaz bei. Die rassistischen Angriffe seien ekelerregend. „Jeder und jede, die Danyal Bayaz oder Katharina Schulze so etwas schreibt, ist eine Schande und sollte sich schämen“, sagt er der dpa. Man dürfe nicht zulassen, dass anonym aus dem digitalen Unterholz Angriffe stattfinden. „Wir brauchen eine Pflicht zur Identifizierung gerade in sozialen Medien, damit solche Täter zur Verantwortung gezogen werden können und ihre gerechte Strafe bekommen.“

Der baden-württembergische Antisemitismusbeauftragte Michael Blume findet es richtig, dass Bayaz auf die Angriffe hingewiesen habe. Die Gesellschaft müsse merken, dass hier etwas entgleise. Rassistische und antisemitische Kommentare müssten von den Plattformen konsequenter und schneller gelöscht werden - die Accounts, über die solche Kommentare verbreitet werden, ebenso. Blume spricht gar von einem neuen „Schub der Verrohung“ im Netz. Er führt das auch auf den Bundestagswahlkampf zurück, der derzeit entgleise.

„Jeder der am Computer sitzt, sollte sich bewusst sein, dass es echte Menschen sind, die da möglicherweise gerade übelst angegangen und beleidigt werden“, sagt die neue Justizministerin Marion Gentges (CDU). Sie verweist etwa auf das Gesetz zur Bekämpfung der Hasskriminalität, das im April in Kraft getreten ist. Damit werden Anbieter sozialer Netzwerke ab kommenden Jahr verpflichtet, bestimmte strafbare Inhalte zu melden. „Alleine in Baden-Württemberg rechnen wir mit 17.500 zusätzlichen Verfahren im Bereich der Hasskriminalität“, sagt Gentges.

© dpa-infocom, dpa:210702-99-230699/4

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Erstellt:
2. Juli 2021, 09:31 Uhr

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