Rathaus ist das Fachwerk-Schmuckkästchen

Deutscher Fachwerktag: Informative und aufschlussreiche Stadtführung zu Backnanger Bauten mit Michael P. Dwornitzak

Gestern war Deutscher Fachwerktag. Ein Grund, um mal die Bauten in der Backnanger Innenstadt näher zu betrachten. Bei einer Führung mit Michael P. Dwornitzak gab es vieles über Ständer, Streben, Stichbalken, Schwelle und Riegel zu erfahren.

Michael P. Dwornitzak erklärt die Auffälligkeiten an den Backnanger Fachwerkgebäuden.Foto: J. Fiedler

Michael P. Dwornitzak erklärt die Auffälligkeiten an den Backnanger Fachwerkgebäuden.Foto: J. Fiedler

Von Yvonne Weirauch

BACKNANG. Ein Sonntag und bestes Sommerwetter. Während die einen in die Eisdiele oder ins Freibad strömen, kommt eine kleine Schar Interessierter auf dem Stiftshof zusammen – erwartet von Stadtführer Michael P. Dwornitzak. Als pensionierter Geschichtslehrer weiß er viel über die Historie im allgemeinen und zum Thema Fachwerk im besonderen zu berichten – er hat sich eigens zum Thema fortgebildet. Weil Backnang einiges in diesem Kontext zu bieten hat, ist die Stadt Mitglied in der Arbeitsgemeinschaft deutscher Fachwerkstädte.

„So ist der deutsche Fachwerktag bestens geeignet, um das Fachwerk ins Bewusstsein zu rücken“, beginnt Dwornitzak die Führung. Wenige Meter vom Treffpunkt der Teilnehmer an der Ostseite des Stiftshofs steht das Gebäude der ehemaligen Stiftsverwaltung, das sogenannte Torbogengebäude, in dem heute ein Teil der städtischen Bauverwaltung untergebracht ist. Erste Eindrücke von der Besonderheit eines Fachwerkbaus werden unter den Teilnehmern, die aus Backnang und der näheren Umgebung stammen, gesammelt. „Ein Zimmermann hatte an solch einem Bau den wohl größten Anteil“, berichtet Dwornitzak und geht auf die Statik ein: „Dafür braucht es Ständer, eine Schwelle und Stichbalken.“

Fachwerkhaus:

Lebensaufgabe des Bauherrn

Weiter führt er aus: Die großen Wälder lieferten das Baumaterial. Auf das gemauerte Erdgeschoss wurde ein Holzgerippe, bestehend aus Schwelle, Ständer und Rähm, gesetzt. Letztere sind Fachbegriffe dieser Bauart. Gemeint seien die zugrunde liegenden, die stehenden und die das Holzviereck oben abschließenden Balken. „Mehr als jedes andere Werkzeug brauchte der Zimmermann das Breitbeil. Damit schlug er die runden Stämme zu vierkantigen Balken. Am Holz alter Fachwerkhäuser kann man noch heute die Spuren des Beils erkennen“, berichtet der Fachwerk-Kenner.

Um dem Ganzen die nötige Festigkeit zu geben, werden noch schräge Streben eingesetzt. Ist das Holzskelett eines Stockwerks vollendet, würden die freien Felder zwischen den Holzbalken mit Flechtwerk, Lehm und Steinen ausgefüllt werden.

Um seine Erklärungen anschaulich zu halten, verteilt Michael P. Dwornitzak Kopien. Darauf ein Glossar der verschiedenen Fachbegriffe, aber auch Abbildungen der erwähnten Schmuckformen. Darauf auch die vier Seitenansichten des historischen Rathauses, das im folgenden noch genauer zum Thema gemacht wird.

Dwornitzak: „Grundsätzlich muss man sich den Bau eines Fachwerkhauses, wenn man denn überhaupt über das notwendige Vermögen verfügte, als Lebensaufgabe des Bauherrn vorstellen. Das Holz musste gefällt und herantransportiert werden. Die Baumstämme mussten mit einem Breitbeil in Balkenform gebracht werden.“ Eine aufwendige und mühselige Arbeit sei das gewesen. „Und gleichzeitig von der Kunstfertigkeit her bewundernswert und erstaunlich.“

Denn, so gab der Stadtführer zu bedenken, Nägel und Schrauben seien noch nicht erfunden gewesen: „Die Balken wurden miteinander verzapft oder angeblattet. Klar, dass man der Nachwelt erhalten wollte, wessen Handwerkskunst zugange gewesen war.“

Von einer ganz besonderen Handwerkskunst spricht Dwornitzak, wenn er auf das Historische Rathaus blickt: „Das Fachwerk-Schmuckkästchen par excellence.“ An dessen Fassade lasse sich bestens studieren, dass die Bauweise Raum für künstlerische Gestaltung ließ. „Hier kommen die verschiedenen Zierelemente sehr gut zur Geltung.“ So ist die Raute, der sogenannte Feuerbock, das Andreaskreuz und Kombinationen derselben zu sehen. Eine Zwischenfrage eines Teilnehmers: „Heutzutage ist ja alles in Deutschland genormt. War das früher auch so?“ Michael P. Dwornitzak sagt: „Nein“, fügt aber gleich hinzu: „Naja, ich muss meine Aussage etwas revidieren. Es gab eine sogenannte Absteckverordnung, was die Breite betraf – was aber mehr mit dem ganzen Gebäude, als allein mit den Formen zu tun hatte.“

Zimmerleute haben ihr Zeichen samt Jahreszahl in Balken gehauen

Wieder weist der Stadtführer auf die Schwelle hin, die oberhalb der Mauer verläuft, an der die Konsolenköpfe angebracht sind. „Die Schmuckelemente geben dem Holzgrundskelett weitere Festigkeit“, so der Stadtführer. Ferner zeige das Rathaus, dass ein mehrstöckiges Gebäude damit kein Problem war.

An gut sichtbarer Stelle haben die Zimmerleute ihr Zeichen samt Jahreszahl in die Balken gehauen. So auch am Gebäude Am Rathaus 2 (Stadtinformation). Die Teilnehmer entdecken eine ungewöhnliche Jahreszahl: 1503. „Das ist aber sehr alt.“ Michael P. Dwornitzak lacht: „Das geht vielen so. Aber die Zahl stimmt nicht. Die Zahl, die aussieht wie eine fünf, ist eine spiegelverkehrte sieben. Also 1703.“ Warum die Zahl eher wie eine fünf erscheint, aber eine sieben sein soll, kann Dwornitzak nicht erklären.

„Vielleicht wurde die Zahl beim Richtfest eingeritzt, oder der Zimmermann war Linkshänder“, wird unter den Teilnehmern gewitzelt. Jedenfalls – und das steht fest: 1703 – das führt darauf, dass alles, was heute in Backnang an Fachwerk zu sehen ist, auf den Beginn des 18. Jahrhunderts zurückgeht. Der große Stadtbrand von 1693 hatte nahezu alle Häuser der Stadt zugrunde gerichtet. Auch bei vielen heute verputzten Häusern sei zu vermuten, dass darunter Fachwerk liege. Eine das Fachwerk hervorhebende Renovierung sei am Haus Celik zu sehen (Uhlandstraße/Ecke Am Rathaus), erwähnt der Stadtführer beiläufig. Einer der Holzeckpfeiler sei schuppig herausgearbeitet und trage einen roten Anstrich. Elemente voller Symbolik: Feuer, wie beim verheerenden Stadtbrand geschehen, solle diesem Haus fernbleiben.

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Erstellt:
28. Mai 2018, 13:10 Uhr

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