Recherche mit Rebschere

Selbstversuch im Weinberg: Unsere Redakteurin Silke Latzel wollte nicht nur über die Weinlese schreiben, sondern sie auch selbst erleben. Zuerst stand „Schaffen“ mit dem Team des Weinbaubetriebs Holzwarth auf dem Plan, am nächsten Tag ging es dann zur Weingärtnergenossenschaft Aspach und in die Kelter.

Recherche
mit Rebschere

© yanik88 - stock.adobe.com

Von Silke Latzel

ASPACH. Herbstzeit ist Weinlesezeit. Und in diesem Jahr darf ich selbst ausprobieren, was das eigentlich genau heißt. Ich bin mit Matthias Holzwarth vom Weinbaubetrieb Holzwarth-Weine in Kleinaspach und seinem Team unterwegs. Wir lesen Lemberger. „Vorsicht, die Schere ist sehr scharf“, warnt der Chef mich kurz und dann geht es auch schon los. Immer zwei Helfer teilen sich eine Reihe, einer liest die Trauben auf der linken Seite, einer auf der rechten. Wir stehen am Hang, Steillage wie der Experte sagt, und ich merke schon nach kurzer Zeit, dass diese Haltung ganz schön anstrengend ist – vor allem in den Oberschenkeln und der Hüfte. Der Zuber, in den wir die Trauben werfen, fasst 400 Kilogramm, wir ziehen ihn mit – das ist am Anfang natürlich noch ganz leicht, zum Ende hin alles andere als das.

Eigentlich dachte ich, dass ich ganz gut mithalten kann – denkste. Nicht nur durch die Sonne komme ich schnell ins Schwitzen, ich muss auch wirklich einen Zahn zulegen, damit ich nicht von den anderen abgehängt werde. „Bücken nicht vergessen, nicht nur die oberen Trauben abschneiden“, werde ich lachend ermahnt. Der Traubensaft rinnt mir über die Hände, ich habe mich so beeilt, dass ich ein paar Trauben zerquetscht habe. Das liegt auch daran, dass ich teilweise Schwierigkeiten haben, den Strunk zu finden, an dem ich die Trauben vom Stock trennen muss.

Denn in diesem Jahr sind die Trauben prall und groß wie schon lange nicht mehr, bestätigt Matthias Holzwarth. „Ich bin jetzt 46 Jahre alt und arbeite seit meinem 16. Lebensjahr im Weinberg, aber so ein Jahr habe ich noch nie erlebt.“ Nicht nur das gute Wetter hat die Trauben besonders schön gemacht: „Wir können alles mitnehmen, was am Stock hängt: Es gibt keine fauligen oder unreifen Trauben so wie in den vergangenen Jahren, die während der Lese aussortiert werden müssen. 2018 ist das beste Weinjahr seit Langem.“ Doch der heiße Sommer brachte auch Schatten mit sich: „Durch den ausbleibenden Regen mussten wir ab Ende Juli bewässern, insgesamt mit 700000 Litern Wasser“, so der Winzer. Etwa zehn Tage früher als sonst, sei man mit der Lese dran. „Wir hätten sogar noch früher anfangen können, aber das Wetter war beständig und je länger man die Trauben hängen lässt, desto besser wird dann auch die Qualität.“

Etwa 30 Prozent seiner Trauben erntet Holzwarth maschinell, den Rest lesen Familie und Freunde von Hand. „Aber Mitte bis Ende kommender Woche sind wir fertig für diese Saison.“ Und auch für diesen Tag beenden wir die Lese. Ich hätte gerne noch weitergemacht und bekomme bestätigt, dass ich mich gut angestellt habe. „Morgen können Sie wiederkommen“, sagen mir die Helfer beim verdienten Vesper nach der Arbeit. Aber ich kann nicht, ich bin bei der Weingärtnergenossenschaft Aspach angemeldet.

Gar keine Probleme mit der Kirschessigfliege

Der nächste Nachmittag: An der Kelter in Allmersbach am Weinberg ist noch kein Betrieb, die Schlange der Traktoren mit den gelesenen Trauben ist trotzdem schon ziemlich lang. Die Winzer haben morgens gelesen, ihre Fahrzeuge abgestellt und dann Mittag gemacht. Bald können sie ihre Ernte abgeben – Trollinger ist es heute. Joachim Schöffler, zuständig für den Vertrieb der Genossenschaft, nimmt mich und den BKZ-Fotografen Alexander Becher mit in die Weinberge. Wir treffen mehrere Gruppen, die es sich nach der Arbeit noch mit Bänken und Tischen in der Sonne gemütlich gemacht haben und sich ein Viertele gönnen. Bei Günter Ferber, Vorsitzender der Weingärtnergenossenschaft, bekomme ich das Refraktometer in die Hand gedrückt und darf die Trollinger-Oechsle messen. 79 sind es. Und weil das so gut klappt, messen wir auch gleich noch Riesling, der wächst nebenan: 89 Oechsle lese ich ab.

Schöffler und Ferber sind, wie Matthias Holzwarth auch, sehr zufrieden mit dem Weinjahr. „Die Trauben sehen aus wie gemalt, wir haben nur wenig Pflanzenschutz betrieben, weder die Kirchessigfliege hat uns Probleme gemacht, noch irgendwelche Pilzkrankheiten“, sagt Schöffler. „Alles top also.“

An der Kelter in Allmersbach ist noch bis Ende nächster Woche Betrieb, ein Winzer nach dem anderen lädt seine Trauben ab. Sie werden zu Maische gemacht, die dann nach Kernen im Remstal gefahren und dort weiterverarbeitet wird. Alle hoffen, dass der Wein auch geschmacklich hält, was die Trauben versprechen, denn am Ende kommt es nicht nur auf die Oechsle an, sondern auch auf die richtige Säurebalance.

Ich bin zufrieden mit meinem Ausflug in den Weinberg, gönne mir abends ein Gläschen Riesling – und finde eine zerdrückte Traube in meinem Schreibblock.

BKZ-Redakteurin Silke Latzel hilft bei der Weinlese in Kleinaspach
Spaß macht die Lese, aber ich muss ordentlich Tempo machen, um mitzuhalten.

© Pressefotografie Alexander Beche

Spaß macht die Lese, aber ich muss ordentlich Tempo machen, um mitzuhalten.

Nach getaner Arbeit hat sich jeder im Weinberg ein Viertele verdient. Fotos: A. Becher

© Pressefotografie Alexander Beche

Nach getaner Arbeit hat sich jeder im Weinberg ein Viertele verdient. Fotos: A. Becher

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Erstellt:
29. September 2018, 06:00 Uhr

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