Die Schulden im Rems-Murr-Kreis steigen deutlich an

Erneut verzeichnet die Verwaltung des Rems-Murr-Kreises ein negatives Ergebnis. Um dennoch die Städte und Gemeinden zu entlasten, soll die Kreisumlage gesenkt werden. Stattdessen geht es an die Rücklagen und auch Kredite müssen her.

Die Flüchtlingsunterbringung (hier in Backnang) ist eine der Herausforderungen, die sich im Kreishaushalt wiederfinden. Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Die Flüchtlingsunterbringung (hier in Backnang) ist eine der Herausforderungen, die sich im Kreishaushalt wiederfinden. Foto: Alexander Becher

Von Lorena Greppo

Rems-Murr. Starke Kostensteigerungen führen für gewöhnlich zu deutlichen Sparmaßnahmen – das ist bei Unternehmen oder Kommunen meist nicht anders als bei einzelnen Bürgerinnen und Bürgern. Die Kreisverwaltung möchte es bewusst anders machen und setzt trotz schwieriger Vorzeichen weiter auf Investitionen – auch wenn das bedeutet, eigene Rücklagen aufzubrauchen und die Verschuldung in die Höhe zu treiben.

„Wir werden den Rems-Murr-Kreis gemeinsam sicher auf Kurs halten, auch wenn die Zeiten schwierig sind“, sagte Landrat Richard Sigel dazu im Kreistag. Dazu zähle, „den eingeschlagenen Weg mutig weiter zu gehen und weiter in die Zukunft unseres Landkreises zu investieren“.

Eine gute Nachricht hatten der Finanzdezernent Peter Schäfer und Kreiskämmerin Angelika Kugler für die Städte und Kommunen parat: Die Kreisverwaltung schlug nämlich vor, die Kreisumlage um einen Hebesatzpunkt auf 32,5 Prozentpunkte zu senken. Im Vorjahr war diese um 2,5 Prozentpunkte erhöht worden (wir berichteten). „Dieser Hebesatz ist ein Entgegenkommen, das ausdrücklich nicht einer besonders rosigen finanziellen Situation des Kreises geschuldet ist, sondern schlicht der Tatsache, dass auch die Städte und Gemeinden derzeit enorme Herausforderungen stemmen und entsprechende finanzielle Ausstattung benötigen“, führte Schäfer aus. Stand heute sei der Rems-Murr-Kreis der einzige Landkreis in Baden-Württemberg, der die Kreisumlage prozentual senken will.

Die Rems-Murr-Kliniken sind seit Jahren ein großer Kostenfaktor

Verwunderlich mag dies vor allem angesichts der Tatsache erscheinen, dass der Kreis im kommenden Jahr laut Haushaltsentwurf erneut ein negatives Ergebnis verzeichnet. Ein Defizit von rund 15,6 Millionen Euro ist im Ergebnishaushalt veranschlagt. Damit die Kommunen dennoch entlastet werden, greift der Landkreis auf seine Rücklagen zurück und braucht diese voraussichtlich fast ganz auf.

Auch die Schulden werden wieder deutlich steigen, wie Angelika Kugler erklärte, auch über 2024 hinaus. Der Landkreis handelt bewusst antizyklisch. Denn in den vergangenen Jahren wurde die Haushaltskonsolidierung stetig vorangetrieben. Allerdings gehen aktuelle Prognosen von einer steigenden Steuerkraft aus, was trotz niedrigerer Kreisumlage Mehreinnahmen bedeutet.

Die Schulden im Rems-Murr-Kreis steigen deutlich an

Langfristig, war man sich aber einig, müsse sich einiges ändern. Auf Dauer seien solche Ergebnisse nicht zu leisten. Die Forderungen der Kreisverwaltung zielten dabei vor allem auf Bund und Land ab. Von dort kämen immer mehr Forderungen, für deren Umsetzung würden aber oft nicht genügend Mittel gewährt. Besonders eindrücklich zeigt sich das bei den Rems-Murr-Kliniken, einem der größten Posten im Haushalt. Für das Jahr 2024 müsse erneut mit einem Verlust von 20,8 Millionen Euro gerechnet werden, so Schäfer. „Ohne essenzielle Änderungen der Krankenhausfinanzierung ist der Zielkorridor (Anm. d. Red.: ein Defizit von weniger als zehn Millionen Euro) aus eigener Kraft wohl realistisch nicht zu erreichen.“

Allein in den vergangenen drei Jahren habe der Kreis die Kliniken mit über 60 Millionen Euro gestützt und Defizite ausgeglichen. Diese finanzielle Mittel haben aber an anderer Stelle im Kreishaushalt gefehlt.

Viele weitere Herausforderungen kommen hinzu

Und das ist nur eine der Herausforderungen für den Kreishaushalt des kommenden Jahres. Auch die Auswirkungen des Ukrainekriegs, die Unterbringung von Geflüchteten, die anhaltende Inflation und ein Einbruch in der Immobilienbranche machen sich bemerkbar. Mehrkosten in Millionenhöhe im Vergleich zum Vorjahr werden durch die Kostenerstattung der Sozialleistungen für Geflüchtete (6,8 Millionen Euro), den Zuschussbedarf bei Jugendhilfeleistungen (6,5 Millionen Euro) sowie durch gestiegene Personalaufwendungen (5,9 Millionen Euro) erwartet.

Lob für die Wohnbaustrategie und die Medizinkonzeption

Landrat Richard Sigel betonte jedoch, in unsicheren Zeiten bewusst auf Stabilität setzen zu wollen und Investitionen weiter voranzutreiben. Dazu gehöre, den Sanierungsrückstau in Schulen weiter abzubauen, die medizinische Versorgung zu stärken, die Gesamtimmobilienkonzeption weiterzuverfolgen, die Schaffung von bezahlbaren Mietwohnungen durch die Kreisbaugruppe nicht zu stoppen sowie in den Klimaschutz und in den Erhalt von Straßen und den Ausbau von Radwegen zu investieren. Einen Schwerpunkt bilden zudem die Investitionen im Zeichen des Klimaschutzes. Beispielsweise hält man an dem Ziel fest, die Verwaltung bis 2030 klimaneutral zu machen.

Dass sich der Kurs des Landkreises auszahlt, belegte der Landrat mit zwei aktuellen Beispielen: Der Landkreis und die Kreisbaugruppe sind mit der Wohnbaustrategie, mit der 500 bezahlbare Mietwohnungen bis 2027 geschaffen werden sollen, für den baden-württembergischen Wirtschaftspreis „Schwarzer Löwe“ nominiert. Und auch die Förderung des neuen Funktionsbaus der Schorndorfer Klinik mit über 60 Prozent und in Höhe vom 73 Millionen Euro durch das Land sei ein Beweis, dass man mit den strategischen Zielen und der Medizinkonzeption richtig liege.

In den folgenden Sitzungen der Gremien wird der Haushaltsentwurf beraten.

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Erstellt:
17. Oktober 2023, 06:00 Uhr

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