Rems-Murr-Kreis muss für den Busverkehr mehr bezahlen
Ein eigenwirtschaftlicher Betrieb der Busunternehmer ist nicht mehr möglich. Das Angebot könnte sich so deutlich verschlechtern.
Von Lorena Greppo
Rems-Murr. Für die Nutzerinnen und Nutzer des ÖPNV hat das Deutschlandticket vieles vereinfacht. Man steigt in Bus und Bahn, ohne sich über Zonen, Tickets und Preise Gedanken machen zu müssen. Klingt gut – hat aber auch eine Schattenseite. Denn bislang waren einige Linien im Rems-Murr-Kreis derart lukrativ in Sachen Ticketeinnahmen, dass Busunternehmer diese eigenwirtschaftlich bedient haben. Das heißt: Sie fahren auf eigene Rechnung, dürfen aber auch die Fahrgeldeinnahmen behalten. Mit dem Deutschlandticket hat sich das geändert, denn die Einnahmen durch Zeittickets sind drastisch gesunken, an eigenwirtschaftlichen Betrieb ist nicht mehr zu denken.
Für den Rems-Murr-Kreis hat das bei der Vergabe der 13 Linienbündel, deren Ausschreibung unmittelbar ansteht, weitreichende Auswirkungen, waren doch bislang sechs davon eigenwirtschaftlich betrieben. Mit diesem Modell ist der Kreis jedoch im Verbund Region Stuttgart allein. Alle anderen Landkreise finanzieren eine ausreichende Verkehrsbedienung längst selbst. Dem will man sich nun anschließen, so der Vorschlag der Verwaltung. Das berge aber auch die Gefahr, dass sich das Angebot mancherorts deutlich verschlechtert.
Daniel Wiedmann, Leiter des Amts für Öffentlichen Personennahverkehr, führte in der jüngsten Sitzung des Umwelt- und Verkehrsausschusses im Kreistag aus, was von dieser Entwicklung zu erwarten ist. Allem voran: erhebliche Mehrkosten für den Landkreis als Aufgabenträger und die Kommunen, welche sich an Kosten beteiligen müssen. Mit einem Plus von 4,5 bis 6,5 Millionen Euro pro Jahr rechnet der Kreis nach einer Vergabe aller Linienbündel bis 2028. Da auch nach dem aktuellen Finanzierungsmodell der Landkreis davon 50 Prozent zu tragen hätte und diese Kosten eingeplant sind, belaufen sich die realen Kostensteigerungen für den Landkreis nur auf etwa die Hälfte des Betrags und sind aus Sicht der Verwaltung gut vertretbar.
Die Schwierigkeit liegt vor allem darin, dass unsicher ist, wie das Deutschlandticket über das laufende Jahr hinaus finanziert wird. „Wir wissen nicht, wie es weitergeht“, schilderte Wiedmann die Schwierigkeiten bei der Planung.
Kreisräte äußern einige Sorgen
Dennoch muss eine Entscheidung darüber getroffen werden, wie viele Fahrten angeboten werden sollen. Grundsätzlich gibt es ein sogenanntes Basisangebot, welches zu 100 Prozent vom Landkreis finanziert werden muss. Dieses entspricht aber dem absoluten Minimum, wie Wiedmann an einem Extrembeispiel verdeutlichte: Im Linienbündel 3 (Verkehrsraum Fellbach/Waiblingen), in welchem aktuell die Firma OVR eigenwirtschaftlich fährt, verkehren heute auf der Linie 207 (Korber Höhe Bajastraße–Waiblingen Bahnhof–Fellbach Lutherkirche) werktags 69 Fahrtenpaare. Das Basisangebot sieht jedoch nur 16 Fahrtenpaare an Werktagen vor. „Wenn man jetzt auf die Städte Waiblingen und Fellbach zugeht und ihnen sagt: ‚Ihr müsst 53 Fahrtenpaare finanzieren‘, da werden die sich umschauen“, prognostizierte der Amtsleiter. Nach diesem Prinzip kämen allein auf die Stadt Fellbach Kosten in siebenstelliger Höhe zu.
Der Vorschlag der Verwaltung laute daher, einen Umfang an Fahrten zu finanzieren, den man als ausreichende Verkehrsbedienung betrachtet, sowie die verlässlichen S-Bahn-Zubringer. Beim Beispiel der Linie 207 würde der Kreis 35 Fahrtenpaare finanzieren. Werden darüber hinaus weitere Fahrten gewünscht, so müssen die Kommunen selbst einspringen. Abzuwarten empfehle sich aber nicht, fügte Landrat Richard Sigel an. Denn nachträgliche Zubestellungen seien in der Regel sehr teuer.
Angesichts dieser Entwicklung äußerten einige Kreisräte ihre Sorgen. Unzufriedenheit und ÖPNV-Verdruss prognostizierten einige, sollte das Angebot sich verschlechtern. Eine weitere Diskrepanz zwischen städtischen und ländlichen Gebieten fürchteten andere. Daniel Wiedmann wiederum gab sich hoffnungsvoll, dass man auch mit dem neuen Finanzierungsmodell den Status quo halten könne. Ihn baten die Kreisräte, bis zur nächsten Sitzung des Kreistags aufzuarbeiten, welche Linien wie betroffen wären und welche Kriterien der Kreis ansetzt, um ein Angebot als ausreichend zu definieren. Trotz der vielen Bedenken signalisierte der Ausschuss aber seine Zustimmung zur veränderten ÖPNV-Finanzierung – vermutlich auch aus Mangel an Alternativen.