Rezepte kreieren: Kunst oder Wissenschaft?
Wer sich beim Thema Kochen besser auskennt, könnte schon mal auf Foodpairing gestoßen sein. Auf wissenschaftlicher Basis können damit neue Rezepte entwickelt werden. Der Backnanger Koch Alexander Hilt erklärt das Konzept und warum er es eher ungern verwendet.
Von Anja La Roche
Backnang. Beim Kochen hat jeder so seine eigenen Vorlieben. Wer gerne nach Rezept kocht, ist auf der sicheren Seite. Aber spätestens, um übrig gebliebene Lebensmittel loszuwerden, muss selbst der laienhafteste Hobbykoch überlegen: Was passt zusammen und was nicht? Dabei könnte die wissenschaftliche Herangehensweise namens Foodpairing helfen. „Foodpairing ist die wissenschaftliche Methode dazu, welche Aromen zusammenpassen“, erklärt der Backnanger Koch Alexander Hilt. Es gehe darum, Zutaten so zu kombinieren, wie man es aus bisheriger Gewohnheit und Erfahrung heraus nicht machen würde.
Solche kulinarischen Experimente sind in der Sterneküche besonders durch den britischen Gastronomen Heston Blumenthal populär geworden, etwa mit seiner Kombination von Kaviar und weißer Schokolade. Die Idee wurde seither weiterentwickelt und zu einer Geschäftsidee: Unter dem Namen Foodpairing hat sich ein Unternehmen gegründet, das mittlerweile schon über 1700 Lebensmittel im Labor hinsichtlich ihrer Aromakomponenten untersucht hat. Die dadurch erstellten „Aromaprofile“ sind in einer Datenbank gespeichert, sodass eine Software die Verbindung von verschiedenen Zutaten vorschlagen kann, deren Hauptaromakomponenten sehr ähnlich sind. Die Hypothese lautet dabei: Je mehr gemeinsame Aromakomponenten die Lebensmittel aufweisen, desto besser passen sie zueinander. So kann laut Foodpairing etwa auch herausgefunden werden, welcher Wein besonders gut zu einem Gericht passt.
Ein für Köche geläufiges Konzept
Alexander Hilt hat seine Ausbildung zum Koch 2015 bis 2017 beim Landgasthof Waldhorn in Däfern (Auenwald) bei dem vielfach ausgezeichneten Koch Alexander Munz absolviert. In der Zeit seiner Ausbildung hat er sich umgeschaut, was es in der Welt der Kulinarik so alles gibt, und ist auch auf das Konzept Foodpairing gestoßen. Um neue Rezepte zu kreieren, hat er die Methode auch schon ausprobiert. Dazu hat er sich darüber schlau gemacht, welche Lebensmittel ein ähnliches Aromaprofil aufweisen und somit zusammenpassen könnten. „Ich kenne Foodpairing und habe auch einige Kochbücher dazu und selbst solche Gerichte schon ausprobiert“, sagt er.
Seit 2022 arbeitet er bei seinen Eltern im Gasthaus zum Löwen in Backnang. In seinem Berufsalltag verwende er den Ansatz Foodpairing nicht mehr bei der Entwicklung neuer Gerichte. „Emotionen sind mir beim Kochen wichtiger“, erklärt er. „Ich verfolge eher den Ansatz, bei den Gästen Emotionen zu wecken, anstatt Geschmäcker auf wissenschaftlicher Basis zu kreieren.“ Emotionen seien beim Essen das Wichtigste, so Hilt. Jeder erinnere sich heute zum Beispiel noch genau an den Geschmack seiner Kindheit. Deshalb sei es für ihn das größte Kompliment, wenn ihm ein Gast sagt: „Das schmeckt wie bei meiner Mutter.“
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Allerdings geht er davon aus, dass das regional unterschiedlich ist. In größeren Städten sei das Zielpublikum der Gastronomen teilweise ein anderes. Dort könnten die Köche etwas ausgefallenere Rezepte entwickeln und deshalb sei auch die Methode Foodpairing weiter verbreitet als im ländlichen Raum. „In Backnang ist es eher die klassische Küche, bei der man vielleicht noch ein bisschen moderne Küche reinpackt“, so Hilt. Die Kombination von Tomate und Himbeere würde im Löwen beispielsweise noch gut bei den Gästen ankommen. Hilt kombiniert auch gerne bestehende Rezepte neu. Vergangene Woche stand zum Beispiel Feldsalat mit Süßer-Senf-Kräuterdressing und Tiroler Kaspressknödeln auf der Karte – ein österreichisches Traditionsgericht, welches er mit dem süßen Senf um eine bayrische Note ergänzt hat.
Ein gewagterer Nachtisch
Wohingegen das Dessert, das Hilt bei seiner Teilnahme bei der TV-Show „Das perfekte Dinner – wer ist der Profi?“ im vergangenen Jahr gekocht hat, in dem Backnanger Gasthaus wohl eher auf Skepsis stoßen würde. Damals hat er ein Kokoseis mit Kokoscreme, Avocado-Chili-Creme, Mango-Grießflammeri-Pralinen und Mangosphäre zubereitet, um sein ganzes Können zu beweisen. Die Avocado wäre für seine Backnanger Kunden in dieser Konstellation zu ausgefallen, vermutet Hilt. „Die jüngere Generation ist da eher noch offen als die Älteren, die eher noch den Rostbraten kennen.“
Wo den Leuten aber gewiss Foodpairing über den Weg läuft, ist im Supermarkt. Laut dem Profikoch ist die wissenschaftliche Methode nämlich besonders in der Lebensmittelindustrie im Einsatz. Tatsächlich wirbt manche Firma damit, besonders gute Produkte mithilfe der Aromadatenbank zu entwickeln, zum Beispiel eine neue Geschmacksrichtung für Chips: Kombiniert wurden Senf und Roastbeef.