Geheimnisvolles Valeriana
Unbekannte Maya-Stadt im Dschungel Mexikos entdeckt
Im Regenwald Mexikos haben Archäologen die Überreste einer gut 16 Quadratkilometer großen Maya-Stadt entdeckt – einer der größten bisher bekannten Ansiedlungen. Enthüllt wurde die Valeriana getaufte Metropole erst durch die Neuanalyse von LIDAR-Daten.
Von Markus Brauer
Mehr als 2000 Jahre lang herrschten die Maya über weite Teile Mittelamerikas. Sie errichteten gewaltige Tempel und Monumentalbauten, nutzten komplexe astronomische Berechnungen und Kalender und konstruierten durchdachte Systeme zur Wasserversorgung ihrer Städte.
Aufstieg und Fall der Maya-Kultur
Gegen Ende des zehnten Jahrhunderts brach die Hochkultur der Maya jedoch zusammen. Ihre einst riesigen Städte wurden verlassen und vom Urwald überwuchert. Die Gründe für den Zerfall dieser präkolumbianischen Kultur sind bis heute nicht vollständig geklärt. Heute leben noch etwa sechs Millionen Menschen in Mittelamerika, die Sprachen der Maya sprechen.
Trotz eindrucksvoller Ruinenstädte wie Chichen Itza, Tikal, Calakmul oder Palenque sind aber längst nicht alle Zeugnisse dieser geheimnisvollen Kultur entdeckt.
Unberührte Funde sind selten
Immer wieder entdecken Archäologen Artefakte aus der Maya-Ära. Die Maya herrschten von 250 bis 900 n. Chr. über große Teile Mittelamerikas. Von ihrem Einfluss zeugen die Ruinen zahlreicher Städte und Tempel, die über die Halbinsel Yucatan und angrenzende Regionen in Guatemala und Mexiko verstreut im Dschungel liegen.
Doch Funde aus unberührten Königsgräbern sind selten. Viele der Grabstätten wurden schon vor langer Zeit ausgeplündert. Umso sensationeller ist die Entdeckung, die Archäologen jetzt im Dschungel von Mexiko gemacht haben.
LIDAR enthüllt 6500 Ruinen – und eine Mayastadt
Ein Team um Luke Auld-Thomas von der Tulane University in New Orleans hat eine weitere riesige Maya-Stadt aufgespürt. Dabei kam die LIDAR-Technologie zum Einsatz: eine dem Radar verwandte Methode, die in etwa einem dreidimensionalen Laserscanning entspricht.
Anstoß zu ihrer Studie gaben LIDAR-Daten eines rund 122 Quadratkilometer großen Gebiets im mexikanischen Campeche, die eine mexikanische Umweltorganisation ursprünglich zur Ermittlung des Regenwaldzustands erstellt hatte. Die Studie ist im Fachmagazin „Antiquity“ erschienen.
NEW Lidar uncovers an entirely unknown Maya city in Campeche, Mexico, proving that there is still much more of the Maya world to be discovered! Strap in for this newly-discovered #AntiquityThread 1/17 Read the research https://t.co/5Kist91DtQpic.twitter.com/7wCG68zcEA — ntiquity Journal (@AntiquityJ) October 29, 2024
6500 präkolumbische Relikte
Die Forscher nutzten die Laserscanning-Rohdaten, um mithilfe eines von ihnen entwickelten Analyseprogramms nach archäologischen Spuren im Dschungel zu suchen. Mit spektakulärem Erfolg: Insgesamt entdeckten die Archäologen mehr als 6500 präkolumbische Relikte in dem untersuchten Regenwaldstück – und die Ruinen einer riesigen Mayastadt.
„Diese Stadt mitsamt Pyramiden liegt direkt neben der einzigen Fernstraße dieser Gegend und ganz in der Nähe einer modernen Stadt“, berichtet Auld-Thomas. „Obwohl die Menschen dort seit Jahren zwischen den Ruinen Landwirtschaft betreiben, wusste niemand in der Regierung oder der Wissenschaft etwas davon.“
Stadtlandschaft mit 50.000 Einwohnern
Die neu entdeckte Maya-Stadt erstreckt sich über rund 16,6 Quadratkilometer und könnte schätzungsweise früher von 30.000 bis 50.000 Menschen bewohnt worden sein.
„Unsere erste Reaktion war: Wow, dort draußen sind so viele Gebäude, von denen wir nichts wussten. Die Bevölkerung dort muss enorm gewesen sein“, erklärt Auld-Thomas. Die Überreste der Bebauung und landwirtschaftliche Flächen in Form von ummauerten Feldterrassen füllen das gesamte Gebiet nahezu lückenlos aus, wie die LIDAR-Analysen zeigten.
Nach Schätzungen der Archäologen ist die Valeriana getaufte Maya-Stadt damit eine der größten und am dichtesten besiedelten in ganz Mittelamerika. Nur das rund 100 Kilometer entfernte Calakmul war noch größer.
Maya lebten vor allem in urbanen Zentren
Der Fund dieser dicht besiedelten Region lege zudem nahe, dass urbane Siedlungen bei den Maya eher die Regel als eine Ausnahme waren. „Dieser Datensatz stützt die Annahme einer einst bevölkerungsreichen und urbanen Maya-Landschaft“, schreiben die Forscher. „Städte und dicht bevölkerte Siedlungen waren im Maya-Tiefland nahezu allgegenwärtig.“
Tempel, Plazas, Ballspielplätze
Nähere Analysen enthüllten, dass Valeriana in zwei rund zwei Kilometer voneinander entfernt liegende Zentren gegliedert war. In diesen gruppieren sich zahlreiche Monumentalbauten um große, gepflasterte Plätze.
„Das größere der beiden Monumental-Viertel zeigt alle Merkmale einer Maya-Hauptstadt aus der klassischen Ära: mehrere umbaute Plätze, die übereine breite Straße verbunden sind, Tempelpyramiden, einen Ballspielplatz und ein durch einen Staudamm gebildetes Wasserreservoir“, berichten die Archäologen.
Verbunden waren die beiden Stadtzentren durch eine dichte Bebauung aus Häusern und Straßen, wie Auld-Thomas und seine Kollegen ermittelten. Auch Überreste eines Ballspielplatzes sowie eines großen Wasserreservoirs konnten sie anhand der LIDAR-Daten identifizieren.
Bauweise und Struktur der Stadtgebiete deuten auf eine Erbauung noch vor dem Jahr 150 hin. Die Stadt stammt demnach aus der Zeit der späten Präklassik der Mayakultur, in der viele große Städte und Monumentalbauten entstanden.
Noch lange nicht alle Bauten entdeckt
Nach Ansicht der Archäologen demonstriert diese Entdeckung, dass noch längst nicht alle Mayasiedlungen entdeckt sind – selbst große Städte könnten sich noch im Regenwald verbergen. „Die Entdeckung von Valeriana unterstreicht die Tatsache, dass es noch immer große Lücken in unserem Wissen über große Städte in den noch unkartierten Gebieten des Maya-Tieflands gibt“, schreiben Auld-Thomas und sein Team.
„LIDAR lehrt uns, dass die Tiefland-Maya ihre tropische Umgebung mit einem vielseitigen Teppich von Städten und Dörfern überzogen“, erläutert Seniorautor Marcello Canuto von der Tulane University.
„In einigen Gebieten finden wir riesige landwirtschaftlich genutzte Flächen und dichte Bevölkerungen, während es in anderen offenbar nur kleinere Gemeinschaften gab“, so Canuto weiter. „Aber wir sehen sehr deutlich, wie die Maya ihre Umwelt veränderten, um ihre langlebige, komplexe Gesellschaft zu versorgen.“