Rindkreation und 7-Schwaben-Spieß
Das Wirtshaus bleibt im Dorf (12): Landgasthöfe nicht nur als Bastion der traditionellen schwäbischen Küche
Schnitzel, Rostbraten, Maultaschen: Klassische Gerichte wie diese dürfen auf der Speisekarte nicht fehlen. Das ist die Erfahrung sowohl von Hansjörg Haug, Inhaber der Schönen Aussicht in Althütte-Lutzenberg, als auch von Markus Binder vom Restaurant und Hotel Traube in Großaspach. Beide haben aber zudem Spaß an kreativ-kulinarischen Interpretationen. Auch ganz und gar nicht schwäbische Spezialitäten finden sich auf der Karte.

© Pressefotografie Alexander Beche
Schnitzel muss Küchenmeister Hansjörg Haug in der Schönen Aussicht in Althütte-Lutzenberg immer auf der Karte haben, das Gericht wird von den Gästen häufig bestellt. Wenn das Gesunde mit dem Leckeren zusammenkommt, dann ist es auch gut für einen, ist seine Überzeugung.
Von Ingrid Knack
ALTHÜTTE/ASPACH. Auf der Speisekarte des Landgasthofs Schöne Aussicht in Lutzenberg steht als Naturparkteller der 7-Schwaben-Spieß. Das Gericht setzt sich aus sieben Komponenten zusammen: Maultaschen mit Flädlesteig und Brezelmehl paniert, Spätzle, Soße, Röstzwiebeln und Kartoffelsalat. Wie es dazu kam? Hans-Peter Haug, der Vater von Küchenmeister Hansjörg Haug, hatte einen Maultaschenspieß vorgeschlagen. Als der Sohn überlegte, wie man das Ganze aufpeppen könnte, kamen ihm die Sieben Schwaben in den Sinn, die mit einem Spieß ein vermeintliches Ungeheuer erlegen wollten. Heraus kam ein pfiffiges Gericht mit lauter Zutaten, die auf der Lieblingsgerichte-Liste vieler Menschen ganz oben stehen. Dass man in der Gastronomie auf das Märchen Bezug nimmt, kommt übrigens immer wieder vor. Sogar Gasthäuser außerhalb Deutschlands heißen so. In Prag findet man zum Beispiel das Lokal „Bei den Sieben Schwaben“.
Erfindungsreichtum,
aber nicht zu viele Experimente
Die Haugsche Kreation steht beispielhaft für den Erfindungsreichtum der Landgasthof-Köche. Das Rezept: Neben Klassikern ohne Schnickschnack für die bodenständige Kundschaft werden traditionelle Gerichte auch neu interpretiert.
Markus Binder, der zusammen mit seiner Frau Katrin den Gasthof Traube in Großaspach führt (auch sein Vater Herbert Binder arbeitet noch in der Küche mit), geht da sogar einen Schritt weiter. Mit „Rind von vorne bis hinten“ oder „Rind von Kopf bis Fuß“ will der 37-Jährige den Gästen überdies zeigen, „dass es von dem Tier noch andere Sachen gibt als Rostbraten“. Wer möchte, bekommt so eine Mahlzeit aufgetischt, die aus Rinderfilet, Rostbraten, Sellerie und Kartoffelpüree besteht. Obendrauf kommen noch gebackene Pralinen vom Ochsenschwanz. Zusätzlich garniert mit Thymian und Rosmarin und verfeinert mit einer Soße aus Kalbsknochen ist ein außergewöhnliches Gericht entstanden. Dass es aussieht, als sei es einem Burger nachempfunden, liegt im Trend: Die Kombination aus hochwertiger Ware und Lifestyle-Food ist perfekt. Nur Vegetarier und Veganer werden da nicht zugreifen wollen. Aber für diese gibt es in beiden Lokalen anderes zur Auswahl. Und das müssen nicht immer nur Kässpätzle sein. Markus Binder bietet schon mal selbst hergestellte Ravioli, gefüllt mit Schafskäse und getrockneten Tomaten, und dazu Blattspinat an. Oder gefüllte Zucchini mit Käse überbacken, dazu Kartoffeln.
Hansjörg Haug versichert ebenfalls: „Wir versuchen, auch bei den vegetarischen und veganen Gerichten Abwechslung reinzubringen.“ Beispiele dafür sind Pfannkuchen mit asiatischer Gemüsefüllung, Spargelvariationen oder ein indisches Currygericht. Wobei der 44-Jährige weiß: „Beim Curry scheiden sich die Geister.“ Dennoch: Auch Binder setzt zuweilen auf Curry. Etwa beim Winterdessert „Bananen-Curry-Eis“. Eine Eisvariante in der Schönen Aussicht kommt mit Kürbiskernöl daher. „Unser Gaumenschmeichler“, schwärmt Haug, zu dessen beruflichen Stationen die Fuggerei in Schwäbisch Gmünd und das Hotel Colombi in Freiburg/Breisgau gehören.
Markus Binder, der seine Ausbildung in der Gaststätte „Zum Armen Konrad“ in Beutelsbach absolviert und später unter anderem „im Monrepos“ in Ludwigsburg und dann im „Adler“ in Asperg (als stellvertretender Küchenchef) gearbeitet hat, führt noch einen Aspekt an: „Wir probieren, alte Sachen auferstehen zu lassen.“ Dabei stößt er nicht immer auf Gegenliebe. „Was keiner will, sind Kutteln, obwohl es etwas Leckeres ist.“ Denn Kutteln würden heute anders zubereitet als früher. Das versucht er, bei seinen Kochkursen in einem Küchenstudio in Marbach zu vermitteln. „Kochen kann man nicht neu erfinden, man kann es aber verfeinern und zeitgemäßer machen“, so Binder, der wegen seiner Präsenz dieser Tage beim Straßenfest in Backnang (und nicht in Aspach) gerade alle Hände voll zu tun hat.
Letztlich ist es Erfahrungssache, was am ehesten nachgefragt wird. Das sind in der überwiegenden Mehrzahl immer noch die Klassiker, bestätigen sowohl Haug als auch Binder. Als Haug einmal an Festtagen wie Weihnachten und Ostern, an denen es traditionell Enten- und Gänsebraten oder Lammgerichte gibt, die Schnitzel von der Karte nahm, wunderten sich die Gäste. Sätze wie „Ja wie, gibt es heute kein Schnitzel?“ bekam das Servicepersonal zu hören. Auch in der Gastronomie gibt es nicht die einzig selig machende Wahrheit. Anders als in Aspach gehen in der Schönen Aussicht selbst Kutteln prima. Die Chefs müssen Fingerspitzengefühl an den Tag legen.
Fazit: Kreative Landgasthof-Köche sorgen für die nötige Würze, jedoch mit klaren Experimentiergrenzen. Haug spricht in diesem Zusammenhang die Molekularküche an. In diese Richtung brauchen er und seine Kollegen erst gar nicht denken.

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„Rind von vorne bis hinten“: Ein Gericht aus der Experimentierküche von Markus Binder vom Restaurant Traube in Großaspach. Fotos: A. Becher

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Traditionelle Gerichte zeitgemäß variiert: Markus Binder hat darin große Erfahrung.