Ringen um Lösungen für die Murrbahn

Die angekündigten Sperrungen ab Ende April sorgen weiterhin für Unmut. Konkrete Fahrplankonzepte lassen aber vorerst noch auf sich warten.

Eine S-Bahn am Gleis 5 in Backnang. Symbolfoto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Eine S-Bahn am Gleis 5 in Backnang. Symbolfoto: Alexander Becher

Von Kai Wieland

Rems-Murr. „Unsere Planungen basieren natürlich schon auf der Annahme, dass das Bahnsystem funktioniert“, sagte Verkehrsminister Winfried Hermann auf der Landespressekonferenz zum Projekt Eisenbahnknoten 2040 am Mittwochmorgen – und sorgte damit angesichts der zahlreichen Störungen und der jüngst von der Deutschen Bahn verkündeten Teil- und Vollsperrungen (wir berichteten) für Erheiterung im Saal. Obwohl der Termin eigentlich der Vorstellung von Gutachten zur zukünftigen Infrastrukturentwicklung im Schienennetz Stuttgart diente, war der anfällige Bahnverkehr unvermeidlich Gesprächsthema und Gegenstand von Nachfragen.

Auch bei der Sitzung des Umwelt- und Verkehrsausschusses im Kreistag des Rems-Murr-Kreises sollte es am Montag eigentlich um etwas anderes gehen, nämlich um das 49-Euro-Ticket, doch der Tagesordnungspunkt wurde von den angekündigten Sperrungen überlagert. Der Unmut ist über Parteigrenzen hinweg nach wie vor groß: Gernot Gruber (SPD) sprach bei der Sitzung von „Totalchaos“, Ulrich Scheurer (CDU) aus Plüderhausen nannte die Zustände „unterirdisch“. Marie-Luise Schmidt aus Weinstadt, die für die Grünen im Kreistag sitzt, erkennt in den jüngsten Entwicklungen eine „Verkehrspolitik von alten, weißen Männern“ und für Klaus Riedel (SPD) aus Waiblingen sind sie „das beste Werbeprogramm für die Automobilindustrie“.

Fahrplankonzepte stehen noch aus

Konkrete Infos zur Ausgestaltung des Fahrplankonzepts während der Sperrungen lassen dagegen auf sich warten. „Vor Ostern wird kein Ersatzfahrplan von der DB vorgestellt werden können“, sagt der Landtagsabgeordnete Ralf Nentwich (Bündnis 90/Die Grünen). Er habe bei seinen Gesprächen jedoch deutlich eingebracht, dass ein taktverdichteter und tragfähiger Ersatzverkehr für die Murrbahn aufgestellt werden müsse. Mögliche Maßnahmen sieht er in der Umleitung von Regionalzügen über Ludwigsburg, um Pendler aus Backnang aufnehmen zu können, und im Pendelverkehr bis zur Baustelle durch S-Bahnen und Busse.

Gernot Gruber wendete sich bereits Anfang der Woche mit der Bitte um einen stabilen Notfahrplan für Reisende auf der Murrbahn an Thorsten Krenz, den Konzernbevollmächtigten der Deutschen Bahn für das Land Baden-Württemberg, der dazu allerdings noch keine Aussagen treffen konnte oder wollte: „Die konkreten betrieblichen Konzepte liegen noch nicht vor. An diesen wird gerade gemeinsam mit den betroffenen Eisenbahnverkehrsunternehmen gearbeitet.“ Er verwies auf eine Taskforce, in der an einem tragfähigen Fahrplankonzept und an geeigneten Ersatzangeboten gefeilt werde, und warb bei aller verständlichen Verärgerung um mehr Geduld.

Konkrete Vorschläge aus der Politik gibt es schon

Auch Gruber nennt konkrete Vorschläge, bei denen er sich an den Lehren aus vergangenen Sperrungen orientiert. So sollen beispielsweise auch andere S-Bahn-Linien durchgängig im Halbstundentakt verkehren, damit diese verlässlicher fahren und Passagiere aus umgeleiteten Zügen aufnehmen können. Für die Regionalzüge zwischen Schwäbisch Hall und Stuttgart beziehungsweise Waiblingen hält er eine Aufteilung für sinnvoll: Ein Teil der Verbindungen solle für den Pendelverkehr von und nach Waiblingen genutzt werden, der andere Teil über Marbach am Neckar und Ludwigsburg nach Stuttgart umgeleitet werden. Auch der ergänzende Schienenersatzverkehr mit Bussen werde notwendig sein, gegebenenfalls müsse man zudem Fahrzeuge und Personal vom Freizeitverkehr umschichten, um den Transport von Schülern und Berufspendlern zu unterstützen.

Am Mittwochnachmittag schließlich kam der Verkehrsausschuss des Verbands Region Stuttgart zusammen. Auf der Tagesordnung stand unter anderem das Ersatzverkehrskonzept für die Stammstreckensperrung. Im Zuge dessen präsentierten Thorsten Krenz, Projektchef Olaf Drescher und Fahrplanleiter Rüdiger Weiß das Pilotprojekt Digitaler Knoten Stuttgart und gingen dabei genauer auf die bevorstehenden Sperrungen und deren Auswirkungen ein.

Sperrungen und deren Auswirkungen

Zwischen 21. April und 12. Mai sind demzufolge die Gleise 5 bis 8 in Bad Cannstatt gesperrt, ein eingeschränkter Bahnverkehr auf den übrigen Gleisen ist aber möglich. Die Linien S2 und S3 sollen in diesem Zeitraum nur im Grundtakt verkehren – ein Zustand, den die Pendler auf der Murrbahn bereits kennen. Ab 12. Mai bis
9. Juni, also vier Wochen lang, ist die Strecke zwischen Bad Cannstatt und Waiblingen dann vollständig gesperrt. S2 und S3 verkehren in dieser Zeit weiterhin im Grundtakt, allerdings nur bis Waiblingen. Ab 9. Juni bis Ende Juli sind im Bahnhof Bad Cannstatt die Gleise 2 bis 7 gesperrt, sodass auch hier S2 und S3 nur im Grundtakt bis Waiblingen verkehren. Voraussichtlich werden über den gesamten Zeitraum Regionalzüge aus Crailsheim und Schwäbisch Hall teilweise über Marbach nach Stuttgart umgeleitet. Ab 29. Juli bis 10. September wird dann wie schon in den beiden Vorjahren die Stammstrecke in Stuttgart gesperrt.

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Erstellt:
18. März 2023, 06:00 Uhr

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