Rückenschmerzen als ständige Begleiter
Unter dem Titel „Das Kreuz mit dem Kreuz“ referiert Chefarzt Jürgen Nothwang im Heinrich-von-Zügel-Saal

© Jörg Fiedler
Der Arzt Jürgen Nothwang sagt, fast jeder müsse einmal in seinem Leben wegen Rückenschmerzen behandelt werden. Sogar Kinder blieben nicht verschont. Foto: J. Fiedler
Von Petra Neumann
MURRHARDT. Fast jeden kann es treffen – eine unbedachte Bewegung und „die Hexe schießt“. Der Befund: Hexenschuss. Daran sei meist eine unterentwickelte Rückenmuskulatur schuld. Der Chefarzt für Unfallchirurgie und Orthopädie am Rems-Murr-Klinikum Schorndorf, Dr. Jürgen Nothwang, erläuterte in seinem Vortrag „Das Kreuz mit dem Kreuz“ im Heinrich-von-Zügel-Saal, was man bei ernsthaften Rückenproblemen alles tun kann, um die Beschwerden zu lindern.
Die Rückenprobleme der meisten Leute seien das Resultat der Evolution des Menschen und dem damit einhergehenden aufrechten Gang. Dadurch habe sich die Doppel-S-Form der Wirbelsäule entwickelt mit ihren Wirbeln, deren Fortsätzen und natürlich den dazwischenliegenden Bandscheiben. Ab der zweiten Lebensdekade, das heißt bereits mit dem elften Lebensjahr, beginnt deren Degeneration, sodass mit dem fortschreitenden Alter die Bandscheiben dünner werden. Nothwang: „Der Körper versucht dies auszugleichen, indem er Gefäße und Nerven in die Bandscheibe sprießen lässt, sodass das Gelenk sich gleichsam vergrößert, das heißt, der Stabilitätsverlust wird durch Oberflächenvergrößerung wettgemacht. Allerdings signalisiert das Nervengewebe natürlich auch bei ungeschickter Belastung Schmerz.“ Mittlerweile gebe es sehr viele Therapien, doch ihnen voraus geht eine sehr gründliche Untersuchung mit allen zur Verfügung stehenden Hilfsmitteln wie Röntgenbildern in allen Lagen: die Neuromotorische Kontrolle, die auf Ergussbildung und den Zustand der Bänder schließen lässt, oder die Computertomografie, die Aufschluss über Verkalkungen oder Knochenqualität gibt.
Nothwang spricht von den sogenannten therapeutischen Säulen, die sich in konservative und operative Methoden aufgliedern – Letztere werden erst dann eingesetzt, wenn andere Behandlungsmöglichkeiten nicht mehr zur Verfügung stehen. Zu den Maßnahmen, die ohne Operation auskommen, gehörten unter anderem: Eigentraining, Physiotherapie, gerätegestützte Übungen, Elektrostimulation, manuelle Therapien und andere chiropraktische Behandlungen sowie Akupunktur. Aufgrund der medizinischen Fortschritte gebe es auch neue Stoffe für die Facettengelenksinfiltration, die die Regeneration des Knorpels zum Ziel haben. So wird bei Arthrose an den Wirbelgelenken Hyaluron eingespritzt. „Mittlerweile erzielt man bei den wirklich notwendigen Operationen bessere Ergebnisse. Es ist jedoch immer besser, sich vor einer Operation eine zweite Meinung einzuholen, die man über Ärzte, die der Deutschen Wirbelsäulengesellschaft angehören, einholen kann“, so der Referent.
Die operativen Therapiekonzepte beinhalten nach Angaben des Arztes folgende Möglichkeiten: segmentfunktionserhaltend, versteifend, Wirbelsäulenform korrigierend sowie Gelenksersatzprothesen. Dabei stelle sich der Erfolg schnell durch eine Reduktion der Schmerzen ein und es könne vorkommen, dass sich die Viskoelastizität der Bandscheiben regeneriert. Daneben gebe es bewegliche Implantate, das heißt sogenannte dynamische, dorsale Fixateure. Bandscheibenprothesen würden nur Sinn bei intakten Wirbelgelenken machen – somit also bei jüngeren Patienten. Sind diese bereits verschlissen, setze man einen Facettengelenkersatz ein.
Nothwang: „Mittlerweile werden mithilfe von Ultraschall die Knochen geschnitten, sodass diese nicht mehr verletzt werden und quasi nahtlos nach der Operation wieder eingesetzt werden können.“ Die Wirbelsäulenchirurgie vermag vieles: Teilentfernung des Wirbelbogens, modifizierte Rippen- und Querfortsatzentfernung, en bloc Wirbelentfernung (mit Einsetzen einer entsprechenden Prothese), en bloc Knochentumorresektion, Wirbelkörpertraining durch Wiederaufrichtung bei einer Fehlstellung an Brust- oder Lendenwirbeln. Aber auch die Wirbelsäulenversteifung, die eine Wirbelsäulenrebalancierung bewirke, gehöre zum Repertoire. „Es gibt kein ‚da kann man nichts mehr machen‘, denn in jedem Fall kann man einen gewissen Grad an Linderung erzielen“, sagt Dr. Jürgen Nothwang.