Rückgang der Kriminalität in Backnang
Die Sicherheitslage hat sich im Einzugsgebiet der Stadt Backnang im Vorjahr deutlich verbessert. Historische Tiefststände gibt es bei Straftaten im öffentlichen Raum, bei Diebstahlsdelikten und bei Wohnungseinbrüchen. Eine Ursache sind vermutlich die Coronaeinschränkungen.

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Die Beauftragung eines Sicherheitsdienstes und die Aufstockung des städtischen Vollzugsdienstes haben sicherlich einen Beitrag zum Rückgang von Vergehen und Straftaten im Bereich der Stadt Backnang geleistet. Archivfoto: Alexander Becher
Von Matthias Nothstein
Backnang. Für den Chef der Backnanger Polizei, Dennis Erhardt, muss es eine Freude gewesen sein, als er am Donnerstagabend die Sicherheitsanalyse für die Große Kreisstadt Backnang im Gemeinderat vorstellen durfte. In mehreren Bereichen konnte er auf historische Tiefststände verweisen. Und das nicht nur bei der Kriminalitätslage, sondern auch bei der Verkehrsunfalllage. So sank die Kriminalitätsentwicklung in Backnang um 14,9 Prozent. Das ist signifikant mehr als der Landesdurchschnitt von minus 9,7 Prozent und auch deutlich mehr als der Durchschnitt des Rems-Murr-Kreises von minus 13,5 Prozent. Gleichzeitig beträgt die Aufklärungsquote 69,5 Prozent.
Um einen guten Vergleich zu bekommen existiert in der Statistik der Wert der sogenannten Kriminalitätsbelastung. Er sagt aus, wie viele Straftaten sich hochgerechnet auf 100000 Einwohner ereignet haben. Für Backnang lautet der Wert 4409 Straftaten, das entspricht einem Fünfjahrestiefststand. Zum Vergleich: Im Jahr 2017 lautete der Wert noch 6243 Straftaten. Und er sorgt für eine erfreuliche Entwicklung im Vergleich der Großen Kreisstädte im Einzugsbereich des Polizeipräsidiums Aalen. Denn mit diesem Rückgang nimmt Backnang nun exakt den Mittelfeldplatz in der Rangliste der elf Großen Kreisstädte ein. Das liegt daran, dass nun Schwäbisch Gmünd eine höhere Kriminalitätsbelastung hat als Backnang. Zu den Gründen für die Entwicklung in den anderen Städten wollte sich Erhardt nicht äußern, für den Rückgang in Backnang jedoch machte er vor allem die Tatsache verantwortlich, dass die Polizei auf bestimmte Entwicklungen mit Aktionsschwerpunkten reagiert habe, etwa bei den Straftaten im öffentlichen Raum.
Bei den Maßnahmen handelt es sich um mehr als nur um verstärkte Streifen
Auf die Rückfrage von Stadträten, was genau man sich unter Aktionsschwerpunkten vorzustellen habe, zeigte sich Erhardt aus polizeitaktischen Gründen schmallippig. Nur so viel: Die Situationen seien zuerst intensiv analysiert worden, danach seien konkrete Maßnahmen ergriffen worden. Und dabei handele es sich nicht nur um verstärkte Streifenfahrten.
Mehrfach klang bei den Stadträten etwas Skepsis an, ob der Rückgang eventuell auch daran liegen könnte, dass die Reviere nicht mehr über die volle Personalstärke verfügen und dass daher nicht mehr so intensiv ermittelt werde. So fragte etwa Heinz Franke (SPD) ganz konkret, ob weniger ermittelt werde oder ob sich die Cleverness der Täter verändert habe. Doch Erhardt konnte alle Skeptiker beruhigen. Die Zahl der Straftaten hänge nicht von der Personalstärke der Ermittler ab, „wenn eine Straftat gemeldet wird, müssen und werden wir ermitteln, egal wie gut oder schlecht wir besetzt sind“.
Nachdem vonseiten von Steffen Siggi Degler und Michael Malcher (beide AfD) mehrfach nachgehakt wurde, ob Flüchtlinge eventuell überproportional an Straftaten beteiligt seien, stellte Erhardt klar: „Es gibt keine Auffälligkeiten, wonach Straftaten überdurchschnittlich häufig von Flüchtlingen begangen wurden.“ Als Malcher weiterhin bohrte und nachrechnete, erklärte Willy Härtner (Grüne) schließlich genervt: „Herr Malcher sucht mit der Lupe nach Dingen, die nicht vorhanden sind. Das soll wohl zur Stabilisierung seines Weltbildes beitragen.“
Vollzugsdienst ist an sieben Tagen in der Woche im Einsatz
Einen großen Beitrag zum gestiegenen Sicherheitsgefühl leisten auch die Mitarbeiter des städtischen Vollzugsdienstes und des Sicherheitsdienstes. So erklärte etwa Gisela Blumer, die Leiterin des Rechts- und Ordnungsamtes Backnang, der Vollzugsdienst sei an sieben Tagen in der Woche im Einsatz, an mehreren Tagen auch als Doppelstreife bis in den späten Abend. Und in der Phase, als der Vollzugsdienst durch Fluktuation, Ruhestand oder Elternzeit personell am Limit war, habe der Sicherheitsdienst ausgeholfen. Blumer: „Die Präsenz vor Ort ist uns wichtig. Alle Stellen wurden wiederbesetzt und eine neue geschaffen. So sind wir in Bälde mit elf Mitarbeitern im Vollzugsdienst wieder im Einsatz.“ Als Einsatzgebiet des Sicherheitsdienstes nannte sie konkret den Plattenwaldspielplatz, den Schüttberg und die südlichen Stadtteile, „unsere Präsenz macht da einiges aus“.
Nur bei zwei Aspekten ist eine Verschlechterung in der Kriminalitätsstatistik eingetreten. So gab es eine Zunahme von Sexualstraftaten im öffentlichen Raum und mehr Gewaltdelikte gegen Polizeibeamte. Erhardt sorgte auch hier für Klarheit. So stieg die Zahl der Sexualdelikte im öffentlichen Raum von elf Fällen auf 13 Fälle. Festgestellt wurden erstmals zwei Fälle von Kinderpornografie, „das sind genau die zwei Fälle, die den Anstieg ausmachen“. Drastischer ist jedoch der Anstieg bei der Gewalt gegen Polizeibeamte um fast 94 Prozent, nämlich von 16 Fällen auf 31 Fälle innerhalb eines Jahres. Doch nachdem mehrere Stadträte dieses Phänomen angesprochen und mehr Respekt den Beamten gegenüber gefordert hatten, relativierte Erhardt auch in diesem Fall. Meist handele es sich nicht um direkte Aggressionen gegen die Beamten, sondern die Betroffenen hätten bei Maßnahmen Widerstand geleistet. Grundsätzlich könne dies ebenso wie der generelle Rückgang der Straftaten mit Corona zusammenhängen, mutmaßte Erhardt. Wenn es wegen der Lockdowns keine Feste gebe, gebe es auch weniger Schlägereien oder Beleidigungen. Dafür spreche auch, dass im ersten Halbjahr dieses Jahres eine Tendenz deutlich sichtbar werde: Die Kriminalität steigt wieder deutlich. Erhardt: „Die Rückkehr zur Normalität nach Corona hat zur Folge, dass auch wieder die eine oder andere Straftat geschieht.“