Hensoldt fehlen Fachkräfte

Rüstungskonzern wirbt um Bosch-Beschäftigte

Der Stellenabbau bei den großen Autozulieferern ruft die boomende Verteidigungsindustrie auf den Plan. Die Hensoldt AG wendet sich nun direkt an die von Sparmaßnahmen betroffenen Boschler und Boschlerinnen.

F-35-Tarnkappenjets von Lockheed Martin sind mit Radargeräten der   Hensoldt AG ausgerüstet.

© dpa/Britta Pedersen

F-35-Tarnkappenjets von Lockheed Martin sind mit Radargeräten der Hensoldt AG ausgerüstet.

Von Peter Stolterfoht

Es ist der größte Imagewandel, den eine deutsche Industriesparte nach dem Zweiten Weltkrieg erlebt hat. Den letzten Beweis dafür lieferten dafür die einst als Umwelt- und Friedenspartei gegründeten Grünen, die mit Beginn des russischen Angriffskriegs eine weitreichende militärische Unterstützung der Ukraine forciert haben. Und kein anderer Politiker hat sich in die technischen Feinheiten der Rüstungsproduktion so reingearbeitet wie der ehemalige Grünenchef Anton Hofreiter – bis hin zur Typenbezeichnung der Schrauben einer Panzerkette.

Die Verteidigungstechnik und ihre Hersteller haben in kürzester Zeit einen festen Platz mitten in der deutschen Gesellschaft eingenommen, nachdem die russische Aggression ethische Vorbehalte gegenüber der Branche größtenteils ausgeräumt hat. Noch einmal gefestigt wird diese Stellung durch die Unberechenbarkeit des US-Präsidenten Donald Trump und die Aussicht, sich in Europa notfalls ohne das mit Abstand schlagkräftigste Nato-Mitglied verteidigen zu müssen. Und das hat nun auch auch Folgen für die deutsche Autoindustrie und ihre Zulieferer. Zum Beispiel für Bosch.

Rüstung verspricht der Autobranche bessere Auslastung

Die Folgen der neuen geopolitischen Rahmenbedingungen: steigende Militärausgaben und eine dadurch boomende Verteidigungsindustrie, von der auch deutsche Rüstungskonzerne profitieren. Die Auftragsbücher von Unternehmen wie Rheinmetall, Hensoldt, Diehl oder Renk sind voll, so voll, dass sie mit den bisherigen Mitteln nicht abgearbeitet werden können. Weshalb von dieser Seite vermehrt Anfragen kommen, ob die im Zuge der Transformation nicht mehr voll ausgelasteten Betriebe der Autoindustrie Produktionen übernehmen oder das bisherige Engagement ausweiten können.

Das Austauschprogramm zwischen aufstrebender Rüstungsindustrie und schwächelnder Autobranche geht aber noch weiter. Oliver Dörre, Chef der Hensoldt AG mit Sitz in Taufkirchen bei München, hat gegenüber dem Sender ntv bestätigt, an Software-Teams zweier Automobilzulieferer interessiert zu sein. Dabei handelt es sich um Beschäftigte von Continental und vom Bosch-Software-Standort Schwieberdingen, der beim geplanten Stellenabbau in den Fokus rückt.

„Wir können bestätigen, dass Bosch sowie einige Beschäftigte in Kontakt mit Hensoldt stehen“, sagt eine Bosch-Sprecherin. „Die Entscheidung für einen Wechsel aber trifft jeder Mitarbeitende persönlich und individuell. Deshalb können wir auch hierzu keine konkrete Zahl nennen – es handelt sich unseren Schätzungen nach um einen geringen Anteil der Beschäftigten.“

Bosch weist in diesem Zusammenhang außerdem darauf hin, dass das Unternehmen im Rahmen der Transformation frühzeitig damit begonnen habe, Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aus Bereichen mit sinkendem Personalbedarf fit für einen Jobwechsel zu machen – durch Qualifizierungsprogramme sowie interne und externe Vermittlungsinitiativen, wie es auf Anfrage dieser Zeitung heißt: „Bosch kooperiert dabei mit zahlreichen Unternehmen unterschiedlicher Branchen.“ Neben der Rüstungsindustrie zählten dazu die Bereiche Energie, IT, Elektronik, Luft- und Raumfahrt, Automatisierungstechnik und Finanzen.

Hensoldt präsentiert sich bei Bosch

Zu diesen Vermittlungsinitiativen gehören bei Bosch etwa hausinterne Messen, auf denen sich Hensoldt schon vorgestellt und auf offene Stellen hingewiesen hat. Das berichtet der Betriebsratschef Frank Sell aus der Bosch-Zentrale in Gerlingen. „Bei dieser Messe im Oktober sind etwa tausend Leute von uns gewesen – und die nächste folgt schon bald“, berichtet Sell.

Aber nicht allein in der Automobilbranche sucht die Rüstungsindustrie Beschäftigte. Der deutsch-französische Panzerhersteller KNDS hat gerade erst das Waggon-Produktionswerk des Bahntechnik-Unternehmens Alstom in Görlitz übernommen und den 700 Beschäftigten dort mitgeteilt, dass rund die Hälfte von ihnen weiterbeschäftigt werden könnten.

Ob diese das dann auch letztlich wollen, ist natürlich eine andere Frage. Denn trotz russischem Angriffskrieg, Zeitenwende und massiver Aufrüstung dürfte es immer noch viele Menschen in Deutschland geben, für die ein Job in der Rüstungsindustrie aus persönlicher Überzeugung nicht in Frage kommt.

Zum Artikel

Erstellt:
18. März 2025, 11:08 Uhr
Aktualisiert:
18. März 2025, 13:59 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen