Rukwied will die deutsche Ernährungssouveränität
Bauernverband Hall/Hohenlohe/Rems feiert 75-jähriges Bestehen mit einem Bauerntag in Kupferzell. Der Zusammenhalt wird beschworen.

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Rund 200 Gäste wurden beim Bauerntag in der Carl-Julius-Weber-Halle in Kupferzell verzeichnet, wo sie auch von Staatssekretärin Sabine Kurtz begrüßt wurden. Foto: Ufuk Arslan
Von Norbert Acker
Kupferzell. Kurz vor dem Beginn der Coronapandemie hatten sich die Mitglieder des Bauernverbands Schwäbisch Hall/Hohenlohe/Rems im Jahr 2020 das letzte Mal zum Bauerntag im Carmen-Würth-Forum in Künzelsau-Gailsbach getroffen. Im vergangenen Jahr musste schließlich auf ein Online-Format gewechselt werden. Nun hat es jüngst in der Carl-Julius-Weber-Halle in Kupferzell mit dem nächsten Bauerntag in Präsenz geklappt. In diesem Jahr gab es noch etwas Besonderes zu feiern: Den hiesigen Bauernverband gibt es seit 75 Jahren. Der Tenor der Ansprachen und Grußworte war eindeutig: Die enorme Bedeutung der Arbeit der Landwirtinnen und Landwirte gerade in Zeiten eines Kriegs auf europäischem Boden ist vehement unterstrichen worden. Eindeutige Forderungen an die Bundespolitik wurden unmissverständlich formuliert.
Matthias Neth, Landrat des Hohenlohekreises, appellierte an die Bauernschaft: „Sie können selbstbewusst sein. Sie sind die, die sich der Aufgabe der Nahrungssicherung angenommen haben.“ Wenn er 2020 das Thema Lebensmittelsicherheit in den Fokus seines Grußworts gestellt hätte, „wäre ich nicht in der Zeitung gekommen“, so Neth. Grundsätzlich sei festzuhalten, dass die Preise für Nahrungsmittel auch in der Folge des Kriegs in der Ukraine anziehen würden. Aber es bleibe viel auf der Strecke: Die höheren Preise im Einzelhandel kämen leider nicht bei den Bäuerinnen und Bauern an. „Sie haben frühzeitig über Landkreisgrenzen hinweg zukunftsfähige Strukturen geschaffen“, sagte Sabine Kurtz, CDU-Staatssekretärin im Ministerium für Ernährung, Ländlicher Raum und Verbraucherschutz. Viele Menschen hätten heute ein falsches Bild von der Landwirtschaft. Dabei übe sie einen entscheidenden Einfluss auf die Umwelt aus. Daher sei es auch wichtig, die landwirtschaftlichen Ausbildungsschwerpunkte auf die Themen biologische Vielfalt und Klimaschutz auszuweiten. Die Akademie für Landbau und Hauswirtschaft in Kupferzell habe ihr Ministerium da „fest im Blick“.
Der Bauernpräsident mahntdie Haltung des Einzelhandels an
Jürgen Maurer, Vorsitzender des Bauernverbands Hall/Hohenlohe/Rems, stellte ausdrücklich fest: „Wir wissen, was Nachhaltigkeit, Tierwohl und verantwortungsvolles Bewirtschaften eines Betriebs heißt. Die Landwirtschaft war und ist wesentlicher Garant für das Erreichen und die Erhaltung des Wohlstands.“ Bäuerinnen und Bauern hätten schon immer mit Veränderungen und unterschiedlichsten Ansprüchen an sie gelebt und gearbeitet. Es sei unbedingt ein Dreiklang aus Ökologie, Ökonomie und Ernährungssicherheit umzusetzen. Maurer: „Wir Landwirte sind bereit dazu, die Politik auch? Dies kann ich aktuell leider nicht erkennen.“ Die Politik, Umwelt- und Naturschutzverbände sowie Tierschutzorganisationen hätten einen Beitrag zu leisten, Rahmenbedingungen und Gesetze so zu gestalten, „dass eine realistische, wirtschaftliche und an den Grundsätzen der Nachhaltigkeit orientierte Landwirtschaft eine Zukunft hat“, führte Maurer aus. „Wir sind am gemeinsamen Erarbeiten von Lösungen, die uns allen eine Zukunft ermöglichen, interessiert.“ „Wir stehen immer auf der Seite unserer Bauern und Mitglieder. Wir können aber bestehende Gesetze nicht einfach abschaffen“, erklärte Helmut Bleher, langjähriger Geschäftsführer des hiesigen Bauernverbands. Er erinnerte an einen Ausspruch von Maurers Vorgänger Klaus Mugele: „Die Väter des Grundgesetzes haben vergessen, hineinzuschreiben, dass für alle landwirtschaftlichen Entscheidungen immer der Bauernverband das letzte Wort hat.“
Es lohne sich, diese „schlagkräftige und vielseitige Organisation“ zu bewahren, weiter auszubauen und den Landwirtinnen und Landwirten damit „eine selbst geschaffene große Unterstützung und Hilfe“ zu bieten. Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbands und des Landesbauernverbands Baden-Württemberg, nahm mit deutlichen Worten Stellung zu zahlreichen Themen, die die Bäuerinnen und Bauern dieser Tage beschäftigen. „Die Schweinehalter kämpfen ums Überleben, viele haben aufhören müssen“, sagte der Landwirt aus dem Heilbronner Land. Die Bauernverbände hätten die Coronahilfen für diese Betriebe erkämpft. Ohne diese gäbe es wahrscheinlich noch weniger Schweinehalter. Zum Thema Tierwohl fragte Rukwied: „Ist überhaupt ein Schweinehalter finanziell in der Lage, in bessere Tierhaltung zu investieren?“ Das werde ohne Hilfe der Politik nicht gehen, Investitionen könnten nur umgesetzt werden, wenn die finanziellen Mittel für die Landwirtschaft aufgestockt werden. „Das muss jetzt auf den Weg gebracht werden, ansonsten droht die Verlagerung ins Ausland“, so Rukwied.
Der Bauernpräsident prangerte die Einkaufspolitik des Einzelhandels an: Dumpingpreise würden die Existenz der landwirtschaftlichen Betriebe bedrohen. „Der Handel soll das tun, was er immer verspricht: regionale Waren anbieten“, so der Bauernfunktionär. Ein großes Problem sehe er zudem in der mittlerweile beschlossenen Erhöhung des Mindestlohns für die Landwirtschaft. Es müsse einen europäischen Mindestlohn geben, „damit wir Wettbewerbsgleichheit haben“. „Wir dürfen unseren Wirtschaftsstandort, und dazu gehört auch die Landwirtschaft, nicht zerstören“, sagte Rukwied, die Ökonomie sei das Rückgrat der Nachhaltigkeit. Bislang habe die Politik das Thema Ernährungssicherung insbesondere mit Blick auf den Ukrainekrieg nie auf der Agenda gehabt, in der Bauernschaft dagegen immer. Frankreich plane Ernährungssouveränität in Quantität und Qualität, das müsse auch in Deutschland geschehen. Rukwied: „Putin benutzt Nahrungsmittel als Waffe. Und wir wollen uns nicht dagegen wehren? Da fehlt mir das Verständnis.“