Rund um die Uhr versorgt
Direktvermarkter haben durch die Coronapandemie einen Aufschwung erfahren. Um die Waren unabhängig von Öffnungszeiten anbieten zu können, haben viele inzwischen Lebensmittelautomaten in Betrieb. Die Nachfrage ist groß, sagen sie.
Von Lorena Greppo
BACKNANG. Gerade zum Wochenende hin ist der Einkauf im Supermarkt oft mit Gedränge verbunden. In Pandemiezeiten versuchen viele Menschen, das zu vermeiden. Unter anderem deshalb haben viele Direktvermarkter seit dem vergangenen Jahr einen größeren Zulauf erfahren. „Die Coronapandemie hat einen Schub für regionale Produkte bedeutet“, hat man im Landratsamt festgestellt. Um auch außerhalb der Öffnungszeiten ihre Produkte verkaufen zu können, haben viele Hofläden in den vergangenen Jahren zudem Lebensmittelautomaten aufgestellt. Am häufigsten anzutreffen sind Milchautomaten und solche mit gemischten Sortimenten.
Kontaktloser Verkauf – auch das ist in Coronazeiten beliebter geworden. Die Nachfrage an den Automaten habe einen deutlichen Aufschwung erfahren, berichtet Birgit Heller, deren Familie „Hellers Eierautomat“ in Backnang-Steinbach betreibt. „Wir gehören zu den Gewinnern von Corona“, stellt sie fest. Angesichts dessen, wie viele Menschen unter der Pandemie zu leiden haben, sei das für sie aber kein Grund zu feiern.
Ihren ersten Automaten haben Hellers vor etwa fünf Jahren aufgestellt. Dem war die Überlegung vorausgegangen, wie man die Produkte ihrer mobilen Hühnerställe vermarkten kann. „Seitdem haben wir das Ganze immer wieder gesteigert“, erzählt Birgit Heller. Neben Eiern, Nudeln und Suppenhühnern sind nun auch Dosenwurst, Grillfleisch, Eis vom Heslachhof sowie kleine Kuchen im Glas vor Ort erhältlich. Aus einem sogenannten Regiomaten sind inzwischen drei geworden, „das wird einfach sehr gut angenommen“. Die Kundschaft sei bunt gemischt und komme inzwischen auch von weiter her. Vor allem die Lage an der Durchgangsstraße sei diesbezüglich von Vorteil. Gerade vor den Oster- und Weihnachtsfeiertagen sei besonders viel los, weiß Sohn Stefan. „Und in den Sommerferien können wir froh sein, wenn wir unsere Eier losbekommen. Das ist ein Unterschied wie Tag und Nacht.“ Da sei eher Grillgut oder Eis gefragt.
Durch die Coronakrise sind die Unternehmen kreativ geworden.
Um rund um die Uhr für einen reibungslosen Einkauf zu sorgen, muss stets jemand erreichbar sein, sagt Stefan Heller. „Manchmal spinnt der Automat, oder es verklemmt sich ein Produkt oder ein Geldschein.“ Dann stehe er auch mal mitten in der Nacht auf, um danach zu schauen. Das sei zwar auch für die Betreiber manchmal stressig, aber weil das Angebot gut angenommen wird, lohnt es sich allemal. „Die Automaten liegen im Trend“, weiß Heller. „Wir waren mit die Ersten in der Region, inzwischen sieht man sie immer öfters.“ Das Ganze halte sich aber noch in einem verträglichen Maß, sodass sich die Landwirte nicht gegenseitig die Kunden wegnehmen.
Auch Familie Rickert aus Murrhardt hat ihr Angebot erweitert: Allein im vergangenen Jahr haben sie drei neue Automaten in Murrhardt und Umgebung aufgestellt (wir berichteten). Aus dem Ricko-Mat können Kunden sich neben Snacks, Eiern, Grillfleisch und Getränken auch Gebäck und Handvesper ausgeben lassen. Besonders der Salzkuchen sei der Renner, berichten Rickerts. Auch sie nutzen die Automaten als Ergänzung zum Hofladen. Dass heimische Produkte wieder mehr wertgeschätzt werden, heben sie positiv hervor. Verbesserungspotenzial sehen sie vor allem darin, dass die Portionierung für den Automaten mit mehr Verpackungsmaterial einhergeht.
Und auch andere Direktvermarkter haben sich die Vorteile der Automaten zunutze gemacht: Die Macher von „I love Mauldasch“ haben im vergangenen Jahr in Berglen einen Maultaschenautomaten aufgestellt – und es sollte nicht der einzige bleiben. Inzwischen stehen 14 Mauldasch-O-Maten in der Region Stuttgart, unter anderem in Murrhardt, in Althütte und in Backnang. Durch die Coronakrise seien dem Unternehmen die Einnahmen durch das Catering auf Veranstaltungen und privaten Feiern weggebrochen, erklärt Ellen Kern, die als duale Studentin im Betrieb arbeitet. „Wir müssen uns irgendwie über Wasser halten und sind daher notgedrungen kreativ geworden.“ Der Automat am Firmensitz in Berglen sei richtig gut angenommen worden. Zum Sortiment gehören abgepackte Maultaschen, aber auch Mautaschengerichte in der Dose. „Wir sind hier auch sehr bekannt und es kommen viele Menschen vorbei und holen sich in der Mittagspause etwas“, so Kern. Darauf haben die Macher aufgebaut und allein in der vergangenen Woche zehn weitere Mauldasch-O-Maten aufgestellt. Jetzt gelte es erst einmal, Erfahrungen zu sammeln und zu schauen, ob mit dem Befüllen und der Organisation alles klappt. Eventuell könnten dann noch weitere Standorte hinzukommen.
Kreativ geworden ist auch die Wengerterfamilie Zimmer aus Kernen-Rommelshausen, nachdem sie im ersten Corona-Lockdown ihre Vinothek schließen musste. 20000 Euro haben die Zimmers in die Hand genommen und einen Automaten zum kontaktlosen Verkauf ihres Bioweins angeschafft. Rund um die Uhr können auch hier die Kunden einkaufen, für den kleinen Hunger zwischendurch bietet der Automat zudem salzige und süße Snacks. Das Prinzip funktioniert, das Interesse ist groß. Andere Weingüter hätten sich auch bereits bei ihm informiert, erzählt Weinbauer Walter Zimmer.
Auf der Plattform „Natur von hier“ bietet das Landwirtschaftsamt eine Übersicht an Direktvermarktern im Rems-Murr-Kreis. Das ganze Jahr über bieten Hofläden und Winzer landwirtschaftliche Produkte an. Wo genau diese Produkte erhältlich und schnellstmöglich erreichbar sind, finden Verbraucher auf der Plattform nun schnell und einfach.
Die Homepage wurde seit ihrer Einführung 2005 lebhaft aufgerufen. Durchschnittlich 4000 Besucher informierten sich dort Monat für Monat rund um ihre saisonalen und regionalen Einkäufe. Gerade im Frühjahr 2020 stieg die Anzahl der Zugriffe noch einmal deutlich an, teilt die Kreisverwaltung mit. Da sich auch das Angebot der landwirtschaftlichen Betriebe in den letzten Jahren stark erweitert hat, wurde die Seite nun vom Sachgebiet Hauswirtschaft und Ernährung des Landwirtschaftsamtes technisch, strukturell und grafisch komplett überarbeitet und damit auf den neuesten Stand gebracht.
Dass der Rems-Murr-Kreis zusammen mit dem Ostalbkreis jetzt eine Biomusterregion ist, zeigt die Plattform ebenfalls schnell und praktisch auf: Wer lieber „bio“ einkauft, findet die dazu passenden Hofläden und Winzerbetriebe mithilfe einer einfachen Filterfunktion in der Suchmaske. Auch die im Wandel befindlichen Einkaufsgewohnheiten berücksichtigt die Homepage „Natur von hier“ jetzt klar erkennbar. „Automatenkauf“, „Lieferservice“ und „Online-Shop“ sind hierzu die aktuellen Schlagworte.
Längst freuen sich die Menschen darauf, in hoffentlich naher Zukunft wieder mit Familie und Freunden ungezwungen feiern zu können. Dazu bieten die landwirtschaftlichen Betriebe nicht nur ihre Produkte zum Verkauf an, sie stellen auch Räumlichkeiten unterschiedlicher Größe für Feste aller Art zu Verfügung, leisten Catering und haben Übernachtungsmöglichkeiten im Angebot. Auch darüber gibt die Seite „natur-von-hier.de“ jetzt umfassend Auskunft.
„,Natur von hier‘ ist die digitale Plattform rund um alle aktuellen Themen der Direktvermarktung und über regionale Produkte im Rems-Murr-Kreis“, so Annette Sammet-Volzer, die Fachbereichsleiterin Hauswirtschaft und Ernährung. „Zusätzlich zu den Einkaufsmöglichkeiten macht die Internetseite Lust aufs Stöbern. Dazu gibt es immer wieder neue Rezepte zu saisonalen Produkten, Informationen rund um einzelne Produktgruppen, egal, was im Rems-Murr-Kreis gerade geerntet und produziert wird.“
Online unter www.natur-von-hier.de.