Prinz Reuß-Verfahren

„Russen marschieren in Wien ein“

Alexander Quade sei nach einer Machtübernahme der Gruppe um Prinz Reuß als Regierungssprecher vorgesehen gewesen, sagt der Generalbundesanwalt. Der Mann fiel mit haarsträubenden Falschmeldungen auf.

Alexander Quade wird am 29. April zum ersten Mal in den Saal 1 der Außenstelle des Stuttgarter Oberlandesgerichts in Stammheim geführt.

© Bernd Weißbrod/dpa

Alexander Quade wird am 29. April zum ersten Mal in den Saal 1 der Außenstelle des Stuttgarter Oberlandesgerichts in Stammheim geführt.

Von Franz Feyder

Um 13.03 Uhr an diesem März-Montag wusste es der „Alexander vom Telegram-Kanal ‚Frag uns doch!‘“ ganz genau – und weltweit exklusiv. Seinen Beitrag 844 überschrieb er mit „EILMELDUNG - Russisches Militär in Wien – der 19. Bezirk wird aufgeräumt, Verhaftungen laufen“. Und fuhr mit aufgeregter Stimme in einer knapp zwei Minuten dauernden Sprachnachricht fort: „Wir haben Montag, 7. März 2022, absolute Eilmeldung: 19. Bezirk in Wien, da marschieren gerade russische Truppen ein“, klärte Alexander Quade die Menschen auf. Elf Tage zuvor waren russische Soldaten in einer groß angelegten Offensive über die Ukraine hergefallen. Jetzt sollten sie also in Wien stehen.

Seine Zuhörer bereitete Quade darauf vor, was kommen werde: Verhaftungen und Sprengungen. Es sei verboten, in der im Norden der österreichischen Hauptstadt gelegenen Region zu arbeiten. Das russische Staatsoberhaupt Wladimir Putin sei verärgert, weil auch in Österreich der Hass auf russischstämmige oder -sprechende Menschen dazu geführt habe, dass diese unterdrückt, malträtiert, bedroht und körperlich angegangen würden. Dazu habe er sich in den vergangenen Tagen mehrfach sehr deutlich geäußert. Dies sei auch der Grund für den Einmarsch in die Ukraine. Die Menschen in Wien sollten sich zum Eigenschutz ein wenig zurückhalten und nachsichtig sein, wenn nicht alles wie gewohnt funktioniere.

920 Tage später sitzt Alexander Quade im Sitzungssaal 1 der Außenstelle des Stuttgarter Oberlandesgerichtes in Stammheim und lobt vor allem sich selbst für seine Berichterstattung zur Corona-Pandemie. Irgendwie aber auch grundlegend für seine herausragende journalistische Kompetenz: Er habe „seine Informationen stets gründlich recherchiert“, sagt er: „Ich wünschte [...], auch die anderen Medienhäuser wären so gründlich in ihrer Recherche gewesen.“ Stattdessen würden „große Teile der Mainstreampresse stets ungeprüft das Narrativ der Regierung“ übernehmen.

Nun sind russische Truppen nach 1945 nicht noch einmal bis nach Österreich gekommen oder hätten gar die Hauptstadt Wien besetzt, nachdem sie das Land im September 1955 verließen. Dazu hätten sie auch mehrere Nato-Länder durchqueren müssen. Am 6. und 7. März hatten lediglich 13 französische Militärfahrzeuge Österreich auf dem Weg nach Ungarn durchquert.

Zerrüttete Ehe statt heiler Familienwelt

Von den von ihm verbreiteten, falschen Nachrichten, mit denen Quade am 7. März gut 180 000 Menschen erreichte, erzählt er den Richterinnen und Richter des 3. Strafsenats nichts. Am 7. Dezember 2022 war er in Wetzlar festgenommen worden. Der Generalbundesanwalt (GBA) hat ihn angeklagt, zusammen mit weiteren Frauen und Männern um Heinrich XIII. Prinz Reuß, eine Terrorgruppe gebildet zu haben, die das politische System Deutschlands gewaltsam verändern wollte.

Der 58-jährige spricht über sich selbst: Kindheit, Schule, Beruf, sein angeblich erfolgreicher Handel mit einer dubiosen Kryptowährung – und vor allem über seine glückliche Familie: Sieben Monate lang habe er mit seiner Frau und seinen Kindern wegen der Untersuchungshaft nicht sprechen können. Er sehne sich danach, seine Lieben wieder in die Arme schließen zu können. „Jetzt weiß ich aus den Akten, dass zumindest im Raum steht, dass Ihre Ehe zwar noch besteht, sie aber von Ihrer Frau getrennt leben“, sagt der Vorsitzende Richter Joachim Holzhausen. „Möchten Sie dazu etwas sagen?“ „Nein“, sagt Quade. Seine Verteidiger winken heftig, um ihm das Wort abzuschneiden.

Zu Unrecht bezogene Sozialleistungen

So kommt Holzhausen erst gar nicht mehr dazu, Quade zu sich aufdrängenden Einzelheiten aus seinem Berufsleben zu fragen. Die holprige Schullaufbahn mit mäßigem Abitur auf dem Otto-Kühne-Gymnasium in Bad Godesberg bei Bonn hatte er beschrieben. Mehrere begonnene Studiengänge, von denen er keinen abschloss. Quade eignete sich selbst Wissen an und verdiente damit Geld. Wie zum Beweis präsentiert er einen lupenreinen beruflichen Lebenslauf. Von einer Anstellung in die nächste, er habe „gutes Geld verdient“.

Dazu passt nicht, was Holzhausen nach Quades Einlassung aus dessen Eintrag im Bundeszentralregister präsentiert: Das Amtsgericht Gießen hatte am 16. Juni 2021 einen Strafbefehl über 400 Euro wegen Betruges gegen ihn erlassen. Er hatte im Frühjahr 2019 beim Jobcenter einen Antrag auf Leistungen gestellt. Dabei jedoch verschweigen, dass seine Ehefrau über ein regelmäßiges Einkommen verfügte. Er und seine Frau bezogen fünf Monate lang zu Unrecht Sozialleistungen.

Regierungssprecher nach einer Machtübernahme

Die Staatsanwaltschaft Meiningen hatte gleich fünf Ermittlungsverfahren gegen den nach eigener Darstellung peniblen Rechercheur Quade eingeleitet. Vom 11. März 2022 zu seiner Verhaftung am 7. Dezember desselben Jahres habe er Menschen Postkarten zugesandt. In denen habe er den Empfängern gedankt, seinen Telegram-Kanal „Frag und doch – das Original“ zu unterstützen. Den mögen sie weiter unterstützen, damit Putin „in der Ukraine siegt und Deutschland vom BRD-Regime befreit wird“. Es sei jedoch nicht nachgewiesen, sagte Quades Verteidiger Khubaib Ali Mohammed aus Berlin, „dass mein Mandant die Karten selber geschrieben hat“.

Quade sollte, sagt der Generalbundesanwalt, nach einer Machtübernahme durch Heinrich XIII. Prinz Reuß dessen Regierungssprecher werden.

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Erstellt:
17. September 2024, 12:08 Uhr
Aktualisiert:
17. September 2024, 14:52 Uhr

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