„Sancta“ wird zur Zielscheibe der Neuen Rechten

Die Demonstranten vor der Stuttgarter Staatsoper geben sich als besorgte Katholiken aus. Wer steckt dahinter?

Von Lea Krug

Stuttgart - Die Opernperformance „Sancta“ hat viel Aufregung über Stuttgart hinaus verursacht. Die Tickets sind längst ausverkauft, im kommenden Jahr soll die Inszenierung zurückkehren. Doch die Künstlerin Florentina Holzinger hat nicht nur Fans. Vor Beginn der Vorstellung am vergangenen Wochenende kam es zu kleinen Demonstrationen. Junge Männer in Anzügen und rotem Umhang trugen ein Banner mit der Aufschrift „Blasphemie: Hass gegen Christen!“ Laut Polizeiangaben protestierten am Samstag rund 50 Personen und am Sonntag fünf.

Neben einer Deutschlandfahne wehte auch eine rote Fahne der „Deutschen Gesellschaft zum Schutz von Tradition, Familie und Privateigentum“ (TFP) – ein Verein mit Sitz in Frankfurt. Einst gegründet in Brasilien, engagiert sich der deutsche Ableger von TFP vor allem bei politischen Themen. In dem Blog der Organisation geht es um rechte Inhalte in teils aufgeregter Rhetorik. In einem Video auf YouTube äußert sich der Chef der Organisation, Mathias von Gersdorff, zu „Sancta“: „Das Ganze ist ein unglaublicher Angriff auf das Christentum.“

Vor einigen Jahren schon machte Gersdorff mit seinem Protest gegen das Teeniemagazin „Bravo“ von sich reden. Er sah die Jugend gefährdet. In der Vergangenheit fiel er vor allem wegen seiner Verbindungen zur Neuen Rechten auf. Er schrieb als Autor des Magazins „Junge Freiheit“, das zeitweise vom Verfassungsschutz beobachtet wurde. In einer von der Friedrich-Ebert-Stiftung herausgegebenen Analyse über Radikalisierungstendenzen in Europa, heißt es, TFP „sympathisiert mit aristokratischen Ideen“ und tritt für die „Katholische Hierarchie“ ein. Gersdorff gilt auch als Unterstützer des AfD-nahen Aktionsbündnisses „Demo für Alle“ und deren „Marsch für das Leben“. Seine Videos werden oft zehntausendfach geklickt.

Auch wenn sich Gersdorff auf seinem YouTube-Kanal gerne mit einem Weihbischof zeigt, erklärt Stuttgarts Stadtdekan Christian Hermes, dass TFP nicht die katholische Kirche repräsentiere. „Die Gruppierung gibt es hier in Stuttgart meines Wissens nicht, und sie scheint mir auch nicht von großer Relevanz zu sein“, erklärt er gegenüber unserer Zeitung. Die inhaltliche Kritik an der Oper teilt der Katholik Hermes allerdings durchaus. Auch er erklärte vor einigen Tagen, im Rahmen des Stücks würden „religiöse Gefühle entgegen aller sonst gepflegten politischen Korrektheit obszön verletzt“. Mitarbeiter und Besucher würden brutal an ihre ästhetischen Grenzen gebracht.

Kritik und Auseinandersetzung mit der Kunst seien grundsätzlich gewünscht und auch die entsprechende Debatte, sagt Sebastian Ebling, Pressesprecher der Stuttgarter Staatsoper, „ aber inzwischen haben wir eine Grenze erreicht“. Mittlerweile werde der Oper und der Künstlerin Florentina Holzinger mit Gewalt gedroht. „ Das ist ein Angriff auf die Kunstfreiheit“, sagt Ebling. Nicht nur über die sozialen Netzwerke, selbst über den telefonischen Ticketverkauf gebe es inzwischen Hassnachrichten. Zuletzt habe man sich sogar gezwungen gefühlt, die Zahl der Sicherheitsmitarbeiter zu erhöhen, so Sebastian Ebling weiter.

Florentina Holzinger erklärte gegenüber dem Kunst-Magazin „Monopol“ auf die Frage, ob all das nicht auch gute Werbung sei: „Wenn ich die Aggressionstiraden erlebe, die uns gerade treffen, hätte ich lieber darauf verzichtet.“

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Erstellt:
1. November 2024, 22:04 Uhr
Aktualisiert:
2. November 2024, 21:57 Uhr

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