Saskia Esken stellt sich wütenden Fragen in Weissach im Tal
Die Bundesvorsitzende der SPD nimmt auf Einladung des Ortsvereins Weissacher Tal auf dem Roten Stuhl Platz. Die Besucherinnen und Besucher diskutieren mit ihr über die Themen Wohnungsbau, Ukrainekrieg, Verkehr und die Politik der Ampelkoalition.
Von Annette Hohnerlein
Weissach im Tal. Schon einige prominente SPD-Politiker haben auf dem Roten Stuhl gesessen: Olaf Scholz, Hubertus Heil, Sigmar Gabriel und an diesem Abend nun Saskia Esken, die gemeinsam mit Lars Klingbeil an der Spitze der SPD steht. „Schlechte Laune in Deutschland – warum eigentlich?“, so lautete das Motto der Talkrunde, zu der Jürgen Hestler vom SPD-Ortsverein Weissacher Tal den hohen Gast und rund 160 Besucherinnen und Besucher in der Sitzmulde des Bildungszentrums begrüßte. Bevor jedoch die Gäste ihre Fragen loswerden konnten, betrat doch tatsächlich ein CDU-Mann die Bühne: Christoph Jäger, Kreisrat, Liedermacher und Noch-Bürgermeister von Großerlach, eröffnete den Abend musikalisch gemeinsam mit Sepp Steinkogler an der Gitarre. In seinen Liedern ging es um zwischenmenschliche Beziehungen („Baut Brücken statt Mauern“), Menschen am Rande („Das fünfte Rad“) und die Sehnsucht nach Frieden.
Zum Auftakt der Diskussion betonte Saskia Esken, die SPD wolle keine Verbotspartei sein: „Wir wollen niemandem vorschreiben, dass er ein E-Auto fahren muss oder kein Fleisch essen darf. Aber wir wollen die Möglichkeiten schaffen, dass jeder das selber entscheiden kann. Dafür braucht man die finanziellen Mittel und Bildung.“
Die Gäste sprachen teils mit deutlichem Unmut zu Esken
Anschließend konnten die Gäste vorbringen, was ihnen auf den Nägeln brennt. Und sie ließen sich nicht lange bitten, es wurden zahlreiche Themen angesprochen, teils mit deutlichem Unmut. So brachte ein Mann seinen Ärger über die Verkehrspolitik zum Ausdruck: „Die Bahn hat Verspätung, aber die B14 wird vierspurig ausgebaut“, klagte er und warf der SPD vor, sie sei autofixiert. Esken widersprach: „Der Schwerpunkt dieser Koalition liegt auf der Schiene; es geschieht sehr viel.“ Ein Problem sei allerdings, dass beispielsweise der vermehrte Einsatz von Bussen an den fehlenden Fahrern scheitere.
Damit war die Politikerin beim nächsten drängenden Thema, dem Fachkräftemangel, einem Problem, das sich in Zukunft noch verschärfen werde. Dem wolle man begegnen, indem man in die Kinderbetreuung investiere und die Bildung verbessere, außerdem setze man auf Zuwanderung. In der Pflege zum Beispiel sei man in den vergangenen Jahren bereits dazu übergegangen, Menschen aus dem Ausland in Deutschland auszubilden.
Der zu langsame Ausbau von sozialem Wohnungsbau wurde angesprochen
Auch beim Thema sozialer Wohnungsbau ging es um ein Anliegen aus der Gegend. Ein Zuhörer verwies auf die 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr, die die Ampel versprochen hatte, und empörte sich: „Wir müssen in Aspach neu renovierte Häuser mit Flüchtlingen belegen und für andere sozial Schwache gibt es keinen Wohnraum.“ Esken räumte ein: „Beim Wohnungsbau war viel geplant, aber dann kam der Krieg und das Geld wurde dafür benötigt.“ Dennoch unternehme die Bundesregierung einiges. So würden zum Beispiel Grundstücke und Gebäude im Besitz des Bundes für den Wohnungsbau zur Verfügung gestellt. Und sie mahnte außerdem: „Wir sollten nicht die einen gegen die anderen Armen ausspielen.“
Weitere Themen
Angesprochen wurde auch, wie viel Geld ein Bürgergeldempfänger im Vergleich zu einem Geringverdiener zur Verfügung hat. „Dazu gibt es die gesetzliche Vorgabe: Wer arbeitet, hat immer mehr als ein Bürgergeldempfänger“, so die Auskunft der SPD-Politikerin. Ein Missstand sei es jedoch, dass 20 Prozent dieser Menschen einen Job hätten, aber mit Bürgergeld aufstocken müssten, weil das Geld nicht reicht. Dem wolle man mit einem höheren Mindestlohn und einer stärkeren Tarifbindung entgegenwirken.
Die SPD-Frau gab indirekt zu verstehen, dass sich ihre Partei von der Regierung etwa in der Sozial- oder Klimapolitik mehr gewünscht hätte, aber als Teil einer Dreierkoalition nun mal Kompromisse eingehen müsse. So sei man sich zum Beispiel in der Ampel eigentlich darüber einig, dass Bildung besser und gerechter werden müsse, aber: „Wenn’s ums Geld geht, ist der Finanzminister manchmal ein bissle phäb“, so die im Schwarzwald lebende Politikerin in bestem Schwäbisch.
Emotional wurde die Diskussion, als es um den Krieg in der Ukraine und das Verhältnis zu Putin ging. Ein Bürger verließ bei diesem Thema verärgert den Raum, ein anderer sprach von Russlands Sicherheitsinteressen, woraufhin Saskia Esken deutlich wurde: „Das ist kein Grund, ein anderes Land zu überfallen und grauenhafte Kriegsverbrechen zu begehen.“
Am Ende der Debatte ergriff Robert Antretter das Wort, der zahlreiche Ämter in der Landes-SPD bekleidet hatte und 18 Jahre für die Partei im Bundestag saß. Er lobte die Friedenspolitik der SPD und bekundete: „Ich stehe voll hinter diesem Kanzler und dieser Regierung.“
Mit zwei weiteren Liedern wurde der Abend beendet und die Besucher wurden mit vielen interessanten Eindrücken nach Hause entlassen.