Scheinheilige Kritik am Papst
Die Vorstellungen des Kirchenoberhaupts vom Frausein sind nicht nur in der Kirche vorherrschend.
Von Eidos Import
Auch nach dem Ende der Weltsynode in Rom bleibt die Frage des Zugangs von Frauen zum diakonischen Dienst offen, von einer Weihe zu Priesterinnen ganz zu Schweigen. Weitere Überlegungen zum Diakonatsamt seien erforderlich, schrieben die Bischöfe und Laien, die vier Wochen lang über die Zukunft der katholischen Kirche diskutiert haben, in ihr Abschlusspapier. Der Papst schloss sich ihrer Ansicht an.
Viele werden sich nun wieder empören, die katholische Kirche sei von gestern, reaktionär, frauenfeindlich. Dabei ist die Vorstellung des Frauseins, die der Papst lautstark verbreitet, nicht nur in der katholischen Kirche vorherrschend. Besonders prägnant formulierte Franziskus seine Haltung vor der Bischofssynode im September: Weiblichkeit stehe für „lebensspendende Hingabe“, und „fruchtbares Empfangen“. Die päpstliche Schlussfolgerung: „Nur Frauen können Mütter und nur Männer Priester sein.“
Dass nicht jeder Mann Priester sein will und muss, wird wohl ein Großteil der Gesellschaft unterschreiben. Bei der Gleichung Frau gleich Mutter sieht es schon anders aus. Die haben der Papst und seine Kleriker nicht für sich alleine gepachtet. Selbst in eigentlich aufgeklärten Kreisen herrscht das Bild einer fürsorglichen, sich kümmernden weiblichen Natur der Frau vor – die, wenn schon nicht Mutter, dann doch bitte zumindest mütterlich sein möge.
Zu beobachten ist das aktuell im US-Wahlkampf. Das Trump-Lager betont seit Monaten, dass Gegenkandidatin Kamala Harris keine Kinder hat. Was in deren Logik gegen ihre Eignung für das Präsidentenamt spricht. Die Kinderlosigkeit einer Frau wird als Makel, als Vorwurf instrumentalisiert – und das nicht nur von Männern. Erst vor wenigen Tagen hat die Gouverneurin des US-Staats Arkansas, Sarah Huckabee Sanders, Kamala Harris attestiert, da sie keine Kinder habe, habe sie auch „nichts, was sie demütig hält“.
Anhänger von Harris sprangen sofort in die Bresche. Allerdings mit einer fragwürdigen Argumentation: Harris sei doch Stiefmutter der Kinder ihres Ehemannes Doug Emhoff, ihr könne also das Mütterliche gar nicht abgesprochen werden. Diesen Gedanken scheint hingegen niemand für wahlkampftauglich zu halten: Donald Trump hat mindestens fünf Kinder – von Demut zeigt er dennoch keine Spur.
Frauen können heute zwar (noch) keine katholischen Diakoninnen oder Priesterinnen sein, sie können aber vielerorts Karriere machen, Fußballprofis werden, Länder regieren. Und trotzdem: sie kommen nicht darum herum, sich zu rechtfertigen, sollten sie sich für ein kinderfreies Leben entscheiden. Zu den gängigsten Begründungen zählen: die finanzielle Situation, die mangelhafte Kita-Infrastruktur, der Klimaschutz, oder es klappe schlicht und einfach nicht. Ein Grund, der nur selten offen formuliert wird: keinerlei Bedürfnis nach dem Muttersein.
Dabei gaben in einer Studie, für die gewollt kinderfreie Frauen nach ihren Motiven befragt wurden, 82 Prozent an: mehr Freizeit zur eigenen Verfügung. 80 Prozent sahen ohne Kinder größere Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung. Egoistisch? Egozentrisch? Gegenfrage: Welchem Mann wird das Streben nach Freizeit und Selbstverwirklichung als negativ angeheftet, sollte er sich bewusst gegen Kinder entscheiden?
Der französische Präsident Emmanuel Macron zum Bespiel hat keine Kinder – was nur selten Thema ist. Er macht privat eher Schlagzeilen, weil seine Frau 25 Jahre älter ist als er. Ob und wie sich der Staatschef für deren drei Kinder interessiert, juckt keinen. Ist Emmanuel ein guter Stiefvater für Tiphaine, Laurence und Sébastien? Egal, der Mann ist schließlich Präsident.