Erzbistum greift durch

Schluss mit lustig: Pfarrer muss wegen Fasnachtspredigt gehen

Die meisten Katholiken in Baden-Baden haben sich bei den närrischen Reimen ihres Pfarrers gut amüsiert. Trotzdem wird der Geistliche abgelöst. Für viele ist das ein schlechter Witz.

Matthias Koffler ist ein unkonventioneller Pfarrer.

© BNN / Michael Rudolphi

Matthias Koffler ist ein unkonventioneller Pfarrer.

Von Eberhard Wein

Wer am Sonntag in Baden-Baden eine katholische Messe besuchen wollte, ist enttäuscht worden. In allen Kirchen der Seelsorgeeinheit fiel der Gottesdienst aus. Es handelt sich um eine beispiellose Protestaktion des örtlichen Pfarrgemeinderats gegen ein Machtwort des Freiburger Erstbistums. Dessen Ordinariat hatte mitgeteilt, dass der amtierende Pfarradministrator Matthias Koffler abgezogen werde. Der Pfarrgemeinderat als Vertretung der Gemeinden sei in diese Entscheidung nicht eingebunden worden, sagte der Pfarrgemeinderatsvorsitzende Markus Bähr. Es habe nur geheißen, dass das Erzbistum für Koffler keine Zukunft in Baden-Baden sehe.

Stein des Anstoßes soll laut einem Bericht der „Badischen Neuesten Nachrichten“ die Fasnachtspredigt des unkonventionellen Theologen gewesen sein. Die meisten Gottesdienstbesucher hätten an der gereimten Ansprache ihre Freude gehabt, erinnert sich Bähr. So habe es in Sankt Bonifatius anhaltenden Applaus für Koffler gegeben. Die Predigt habe „Bezug auf das Sonntagsevangelium, aber auch auf Begebenheiten in der Welt, der Kirche und im zwischenmenschlichen Zusammenleben“ genommen. Doch im Erzbischöflichen Ordinariat in Freiburg pflegt man offenbar einen anderen Humor – oder gar keinen. „Die Predigt soll das Fass zum Überlaufen gebracht“ haben, heißt es.

Lange Haare, bunte Schuhe, Spitzbart

In Freiburg verweist man auf örtliche Konflikte. Neben Lob sei in Briefen ans Ordinariat zuletzt auch zunehmend Kritik an dem 60-jährigen Pfarrer geäußert geworden. Genauer will man sich nicht äußern. Nur soviel: Es handele sich keineswegs um eine Suspendierung, beteuerte der Sprecher des Erzbistums, Marc Mudrak. Allerdings sehe sich „Pfarrer Koffler zunächst nicht mehr in der Lage, Gottesdienste zu halten und seelsorgerliche Termine wahrzunehmen“.

Der Betroffene selbst, der in Baden-Baden aufgewachsen ist, dort aber erst seit gut einem Jahr seinen Dienst tut, will sich nicht äußern. Doch offenbar provozierte manche schon sein Äußeres: die Haare länger, die T-Shirts und Schuhe bunter als bei katholischen Geistlichen üblich. Das Kinn des Pfarrers ziert ein frecher Spitzbart. Sogar Beschwerden darüber, dass Koffler gerne in die Sauna geht und in kurzen Hosen durch die Stadt joggt, sollen beim Erzbistum schriftlich eingegangen sein.

In der Fasnachtspredigt hatte Koffler über diese Kampagne gedichtet und sich über die Denunziation lustig gemacht: „Außerdem schreibt Madam ‚Wichtig’/, ist es höchste Zeit und richtig, / dass der Pfarrer, der hier fehl am Platz,/ so schnell wie möglich ratz und fatz/ hier verschwindet, endlich weicht/ egal was er bisher erreicht.“

Eine Minderheit schreibt Briefe

Es handele sich aus seiner Sicht um eine kleine Minderheit, die sich über Koffler beschwert und durch die Predigt vorgeführt gefühlt habe, sagte Bähr. Bei den meisten sei er gut angekommen, er habe die Menschen berührt. „Wir hatten mehr Gottesdienstbesucher und vermehrt Wiedereintritte.“ Koffler sei ein „guter Theologe und menschennaher Seelsorger, der seine Aufgaben mit großem Engagement“ verrichtet habe.

Auch in der Ökumene wird der Pfarrer geschätzt. Er sei ein „sympathischer katholischer Kollege, der gern ein offenes Wort pflegt“, beschrieb ihn der evangelische Dekan Christian Link. Gut erinnere er sich an den vergangenen ökumenischen Erntedankgottesdienst, den man mit einer dialogischen Predigt gestaltet habe. Pfarrer Koffler beziehe allerdings auch politisch Stellung zum Beispiel zur Migrationspolitik. „Damit eckt man auch an.“ Und er äußere bisweilen auch Spitzen gegen die eigene Kirche.

Der Pfarrgemeinderat ist in Auflösung

Für beides gibt es in der Fasnachtspredigt Beispiele. „Lüge, Hass und Hetze auch im Rahmen der Gesetze sind weder christlich noch sozial, egal ob rechts, ob links, ob liberal.“ Und beim kircheninternen Strukturprozess „Pastoral 2030“ laufe es ihm nur kalt den Rücken runter. „Wir sollten nicht nur um Strukturen ringen, immer wieder und aufgeregt, wir sollten das zur Sprache bringen, was die Menschen wirklich bewegt.“

Doch darum dürfte es in den kommenden Wochen in Baden-Baden erst einmal nicht gehen. Am Dienstag will der Freiburger Generalvikar in einer Videokonferenz das weitere Vorgehen besprechen. Doch in Baden-Baden hat er zumindest unter den Ehrenamtlichen kaum noch Ansprechpartner. Zehn seiner zwölf Mitpfarrgemeinderäte hätten bereits bei einer Sondersitzung am vergangenen Donnerstag ihren Rücktritt erklärt, sagte Bähr – er selbst „noch nicht“. „Wir stehen vor einem Scherbenhaufen, und ich weiß nicht, wie wir ihn aufkehren.“

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Erstellt:
17. März 2025, 15:32 Uhr
Aktualisiert:
17. März 2025, 16:45 Uhr

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