Fantastische Quantenwelt
Schrödingers Katzen-Zustände gehen auch in heiß
Das Quantenphänomen von „Schrödingers Katze“ funktioniert nicht nur im ultrakalten Grundzustand. Auch thermisch angeregte – „heiße“ – Quantenteilchen können zur quantenphysikalischen Überlagerung gebracht werden, wie ein Experiment nun demonstriert.

© © Universität Innsbruck/Harald Ritsch
Der quantenphysikalische Überlagerungszustand – Schrödingers Katze – kann auch bei „heißen“, nicht auf den Grundzustand heruntergekühlten Quantenteilchen erzeugt werden, wie ein Experiment belegt.
Von Markus Brauer
Quantenzustände lassen sich nur unter sehr kontrollierten Bedingungen erzeugen und beobachten. Einem österreichischen Forscherteam ist es nun gelungen, in einem supraleitenden Mikrowellen-Resonator „heiße“ Schrödinger-Katzen-Zustände zu erzeugen. Die im Fachmagazin „Science Advances“ veröffentlichte Arbeit zeigt, dass Quantenphänomene auch in weniger idealen, wärmeren Umgebungen beobachtet und genutzt werden können.
Researchers successfully created hot Schrödinger cat stateshttps://t.co/gl1C3n6jXo — Tech Explorist (@TechExplorist) April 5, 2025
- Zur Info:Resonatoren werden in Radiosystemen, Quarzuhren oder in der Musik verwendet. Der Resonator ist ein Gerät, das in Resonanz, dass heißt in einer bestimmten Eigenfrequenz schwingen kann. Mit dem richtigen Auslöser – etwa Schall, einem elektrischen Impuls oder einer anderen Energieform – beginnt der Resonator mit seiner charakteristischen Frequenz (Resonanzfrequenz) zu schwingen.
Schrödinger-Katzenzustände sind ein faszinierendes wissenschaftliches Phänomen der Quantenphysik, bei dem ein Quantenobjekt gleichzeitig in zwei verschiedenen Zuständen existiert. In Erwin Schrödingers Gedankenexperiment ist es eine Katze, die gleichzeitig lebendig und tot ist.
Funktionieren Quanteneffekte auch bei heißem Grundzustand?
Im Labor wurde diese Gleichzeitigkeit an Atomen und Molekülen sowie in den Schwingungen elektromagnetischer Resonatoren beobachtet. Erzeugt wurden diese Umsetzungen zu Schrödingers Gedankenexperiment bisher, indem das Quantenobjekt zunächst auf seinen ultrakalten Grundzustand, den Zustand mit der geringstmöglichen Energie, abkühlt wurde.
Nun haben Wissenschaftler um Gerhard Kirchmair und Oriol Romero-Isart erstmals demonstriert, dass es möglich ist, solche Quanten-Überlagerungen aus thermisch angeregten Zuständen zu erzeugen.
„Auch Schrödinger ist in seinem Gedankenexperiment von einer lebenden, also ‚heißen‘ Katze ausgegangen“, sagt Gerhard Kirchmair vom Institut für Experimentalphysik der Universität Innsbruck und dem Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Wien. „Wir wollten wissen, ob sich solche Quanteneffekte auch erzeugen lassen, wenn wir nicht vom ‚kalten‘ Grundzustand ausgehen“, so Kirchmair weiter.
Heiße Quantenbits
Für ihr Experiment nutzten die Forscher ein supraleitendes Quantenbit in einem Mikrowellen-Resonator, um die Katzen-Zustände zu erzeugen.
- Zur Info: Ein Qubit (kurz für Quantenbit) oder Qbit ist die Grundeinheit der Information in der Quanteninformatik und das Gegenstück zum Bit in der klassischen Informatik. Ein Qubit spielt eine ähnliche Rolle wie ein Bit, wenn es um die Speicherung von Informationen geht. Aber es verhält sich aufgrund der Quanteneigenschaften, auf denen es basiert, ganz anders.
Den Experten gelang es, die Quanten-Überlagerungen bei Temperaturen von bis zu 1,8 Kelvin zu erzeugen. Das ist sechzig Mal heißer als die Umgebungstemperatur im Hohlraum. „Unsere Ergebnisse belegen, dass es möglich ist, hochgradig gemischte Quantenzustände mit deutlichen Quanteneigenschaften zu erzeugen“, erklärt Ian Yang, der die in der Studie beschriebenen Experimente durchgeführt hat.
- Zur Info: Kelvin ist eine Einheit zur Temperaturmessung in der Thermodynamik – auch Wärmelehre genannt. Die Kelvin-Skala basiert auf dem absoluten Nullpunkt, der kältesten möglichen Messung. Daher gibt es in Kelvin keine negativen Temperaturen. Die Thermodynamik wiederum ist ein Teilgebiet der Physik und beschäftigt sich mit der Umwandlung und Änderung von Energie innerhalb eines oder mehrerer Systeme.
Katze heiß-kalt
Die Forscher verwendeten zwei spezielle Protokolle, um die heißen Schrödinger-Katzen-Zustände zu erzeugen. Diese Protokolle wurden bisher hauptsächlich zur Erzeugung von kalten Katzen-Zuständen verwendet.
„Es zeigte sich, dass leicht adaptierte Protokolle auch bei höheren Temperaturen funktionieren und dabei eine quantenmechanische Überlagerung von Zuständen erzeugen“, erklärt Oriol Romero-Isart, Direktor des ICFO (Institute of Photonic Sciences) in Barcelona.
Neue Chancen für Quantenanwendungen
„Viele unserer Kollegen waren überrascht, weil wir normalerweise davon ausgehen, dass Quanteneffekte durch Wärme zerstört werden“, erläutert Thomas Agrenius, der ein theoretisches Verständnis des Experiments mitentwickelt hat. „Unsere Messungen bestätigen, dass die Quanteninterferenz auch bei hohen Temperaturen fortbestehen kann.“
Die Forschungsergebnisse könnten der Entwicklung von Quantentechnologien zugutekommen. „Unsere Arbeit offenbart, dass es möglich ist, Quantenphänomene auch in weniger idealen, wärmeren Umgebungen zu beobachten und zu nutzen“, betont Gerhard Kirchmair „Wenn wir die richtigen Wechselwirkungen in einem System zur Verfügung haben, ist die Temperatur letztlich egal.“
Theorie der Quantenphysik erklärt
Die beiden großen physikalischen Theorien des 20. Jahrhunderts, die Quantenphysik und die Allgemeine Relativitätstheorie, erklären jede auf ihre Weise die Kräfte, die das Weltall zusammenhalten.
- Quantengravitation heißt das Zauberwort der modernen Physik – eine Symbiose aus beiden Theorien. Beide Theorien lassen viele Fragen offen, die nur mithilfe einer Theorie der Quantengravitation geklärt werden können. Die Quantengravitation ist eine in der Entwicklung befindliche Theorie, welche die Quantenmechanik und die Allgemeine Relativitätstheorie – die beiden großen physikalischen Theorien des 20. Jahrhunderts – vereinigen soll.
- Während Albert Einsteins (1879-1955) Allgemeine Relativitätstheorie sich mit der Gravitation – einer der vier Elementarkräfte des Universums – befasst, beschreibt die Quantentheorie die übrigen drei kosmischen Elementarkräfte: elektromagnetische Wechselwirkung, schwache Wechselwirkung und starke Wechselwirkung. Sie geht vor allem auf die deutschen Physiker Max Planck (1858-1947) und Werner Heisenberg (1901-1976) sowie den österreichischen Wissenschaftstheoretiker Erwin Schrödinger (1887-1961) zurück.
Man könnte es auch so ausdrücken: Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie beschreibt den Aufbau des Weltalls im Großen und erklärt die Vorgänge bei großen Massen wie Planeten und Beschleunigungen. Die Quantentheorie wiederum will die Wechselwirkung zwischen den kleinsten Teilchen erklären. Die Probleme bei der Zusammenführung beider Theorien sind so kompliziert und die Lösungen so undenkbar, dass selbst ein Genie wie Einstein vor den geistigen Herausforderungen kapitulieren musste.
Info: „Schrödingers Katze“ einfach erklärt
„Schrödingers Katze“ Im Jahr 1935 wurde das Gedankenexperiment „Schrödingers Katze“ erfunden, um die unterschiedlichen Zustände von Atomen bildhaft darzustellen. Der Namengeber und Erfinder war der österreichische Physiker, Wissenschaftstheoretiker und Mitbegründer der Quantenmechanik Erwin Schrödinger (1887-1961).
Gedankenexperiment In einer nicht durchsichtigen Kiste befinden sich eine Katze, ein Apparat mit einer radioaktiver Substanz, ein Detektor für radioaktive Strahlung, ein Hammer sowie eine Giftampulle.
• Die radioaktive Substanz ist in einer so geringen Menge vorhanden, dass die Wahrscheinlichkeit, das ein Atom innerhalb einer Stunde zerfällt, genauso groß ist wie die Wahrscheinlichkeit, dass keines zerfällt.
• Würde ein Atom zerfallen, würde der Detektor dies wahrnehmen. Der Hammer würde sich bewegen und die Giftampulle zerbrechen, woraufhin die Katze sterben würde. Ob dieser Prozess ausgelöst wird, ist jedoch eine Frage des Zufalls und lässt sich nicht vorausbestimmen.
• Vor dem Öffnen der Kiste kann niemand sagen, welcher Zustand innerhalb der Kiste herrscht. Deshalb sind die Atome in dieser Zeit vor dem Öffnen gleichzeitig zerfallen und nicht zerfallen. Die Katze ist gleichzeitig tot und lebendig.
Quantenmechanik Der im Experiment beschriebene, ungewisse Zwischenzustand der Katze steht in der Quantenmechanik für das Konzept der sogenannten überlagerten Zustände. Solche Zwischenzustände können Atomkerne radioaktiver Substanzen haben. Ihr Zerfall kann in einem bestimmten Zeitraum stattfinden, muss er aber nicht. Mit einer Messung, was bei Schrödingers Katze das Öffnen der Kiste wäre, kann dann erst nachträglich festgestellt werden, ob der Atomkern zerfallen ist oder nicht.
Makroskopische Welt Dieses Experiment zeigt, dass Zustände und Vorgänge, die der Quantenmechanik zugehören, nicht auf unsere alltäglichen makroskopischen, sprich greifbaren, Systeme in der Welt übertragen werden können. Denn einen solchen Zwischenzustand von Zerfall und Nicht-Zerfall gibt es nicht außerhalb der Quantenmechanik. Ein Tier ist entweder tot oder es ist lebendig. In der Quantenmechanik hingegen sind beide Zustände gleichzeitig möglich, solange keine überprüfende Messung vorgenommen wird.