Schuhprofi-Markt in Backnang schließt im Dezember
Nachdem der Schuhprofi-Markt in Waldrems im Juli geschlossen hat, folgt Ende dieses Jahres auch das Geschäft in der Sulzbacher Straße. Damit endet eine 136-jährige Firmengeschichte in Backnang. Geschäftsführer Michael Boss führt wirtschaftliche Überlegungen als Grund an.
Von Florian Muhl
Backnang. „Es ist eine Sache der Vernunft“, sagt Michael Boss im Gespräch mit unserer Zeitung. Die Entscheidung sei ihm wahrlich nicht leichtgefallen. Aber sie sei notwendig gewesen, so der promovierte geschäftsführende Gesellschafter. Als letzter von einstmals fünf Schuhfachgeschäften, drei davon in Backnang, eines in Schorndorf und eines in Korntal-Münchingen, schließt der Schuhprofi-Markt in der Sulzbacher Straße in Backnang Anfang Dezember diesen Jahres seine Türen für immer. Damit endet auch eine 136-jährige Firmengeschichte in Backnang. Das bedauert Michael Boss, der Urenkel des Firmengründers Gottlieb Beerwart, natürlich sehr (siehe dazu auch den Infotext).
Als Michael Boss und seine Frau Angelika vor sechs Jahren ihren Hauptsitz, das Schuhfachgeschäft Boss in der Uhlandstraße 11, schlossen und damit den Innenstadtbereich verließen, war das schon ein sehr schwieriger Schritt. Aber das vierstöckige Gebäude, in dem es jeweils zwei Verkaufs- und Lageretagen gab, und das sich damals seit 128 Jahren in Familienbesitz befand, war zu kleinflächig und der Aufzug viel zu klein, sagte Michael Boss vor sechs Jahren. Der Kunde aber wünsche sich große Verkaufsflächen, möglichst ebenerdig, und einen Parkplatz vor der Tür. Der Geschäftsführer setzte deshalb all seine Hoffnungen in seine beiden Schuhprofi-Märkte. Der eine in der Sulzbacher Straße 164 wies eine Fläche von 900 Quadratmetern auf, der andere in Waldrems in der Donaustraße 600 Quadratmeter.
Pandemie, Kriege und Inflation haben zur Kaufzurückhaltung der Kunden geführt
Doch es kam anders. „Die Entwicklung ist nicht so, wie sie sein sollte“, sagt Michael Boss, um die Dinge auch klar beim Namen zu nennen. „Ich denke, dass der Dämpfer die Coronazeit war. Der Einzelhandel musste 2020 und 2021 monatelang schließen. Wir sind ja nicht online aktiv und hatten deshalb praktisch keine Umsätze.“ Nach der Pandemie gleich die nächsten Probleme: „Dann kam die Entwicklung mit Krieg, Inflation und dergleichen. Die Leute haben einfach nicht mehr so viel Geld zur Verfügung.“ Boss spürt die Kaufzurückhaltung sehr deutlich. Die Kostensteigerungen, die seine Kundinnen und Kunden zu spüren bekommen, habe auch er als Unternehmer, besonders bei den Energiekosten. Diese würden fehlenden Umsätzen gegenüberstehen. Seit 2019 verzeichne er keine Umsatzsteigerungen mehr.
Einen weiteren Grund nennt Boss, einen unternehmensspezifischen, wie er sagt. Der 74-Jährige blickt auf den Standort Waldrems. „Dort haben wir ja eine neue Verkehrsführung. Vor allem aus Richtung Stuttgart ist die Anfahrt schwieriger geworden.“ Alles, was Kunden den Weg zum Einkaufsmarkt erschwere, wirke sich negativ aus. „Wir haben dadurch einige Kunden verloren.“ Und in die Zukunft blickend meint der Einzelhändler: „Es wird sich ja an diesem Standort nicht entwickeln. Im Gegenteil, man wird ja durch die neuen Ausfahrten wahrscheinlich eher abgehängt werden.“ Deswegen sei der Umsatz dort auch rückläufig gewesen.
Investitionen wären unbedingt nötig
In der jetzigen Situation sei es auch sehr schwierig, Investitionen zu tätigen. Aber diese seien unbedingt notwendig, gerade in eine energiesparende Beleuchtung. Die Umstellung auf LED-Technik nennt der Schuhprofi an erster Stelle. Der Unternehmer blickt mit sorgenvoller Miene in die Zukunft und bekennt, die Situation vielleicht zu pessimistisch zu sehen. „Nachdem man liest und mitkriegt, was allein in unserer Branche los ist, was da an Insolvenzen gerade läuft, auch bei größeren Filialisten, denke ich, dass das für die Zukunft nicht so erfolgversprechend ist, wie es sein sollte.“ Er selbst sei noch Geschäftsführer, habe sich aber bereits fast komplett aus dem operativen Geschäft herausgezogen, mache nur noch das Büro. „Unsere Tochter Vanessa macht so ziemlich alles, sie schmeißt den Laden.“ Die Entscheidung, sozusagen die Reißleine zu ziehen und die Märkte zu schließen, „haben wir in der Familie gemeinsam getroffen“, sagt der 74-Jährige.
Am Standort Waldrems sei hinzugekommen, dass vier Mitarbeiterinnen krank geworden sind. Aus diesem Grund wurde der Markt im südlichen Stadtteil bereits im Juli geschlossen und die Ware in den Standort Sulzbacher Straße gebracht, wo seit Montag der Räumungsverkauf läuft. Geschlossen wird der Markt dort Anfang Dezember, weil das Geschäft noch ausgeräumt und teilweise auch zurückgebaut werden muss. Die Mietverträge für beide Standorte laufen jeweils am Jahresende aus. Von der Geschäftsaufgabe sind zehn beschäftigte Frauen betroffen. „Die sind bei der Stange geblieben. Da bin ich sehr glücklich, dass sie so loyal sind.“
Und wie wird der Backnanger ab dem nächsten Jahr seinen Ruhestand genießen? Michael Boss lacht. „Fotos sortieren...“ Mal schön in Urlaub gehen, mit dem Familienhund Lando, einem neunjährigen Lagotto Romagnolo, das ist ein italienischer Wasserhund, den man in Italien auch gern zur Trüffelsuche verwendet, spazieren gehen – all das kann sich der Unternehmer vorstellen. Zudem will er wieder mehr Klavier spielen und sich auch ausreichend Zeit zum Lesen nehmen.
Geschäftsgründung Mit der Schuhmacherwerkstätte von Gottlieb Beerwart im Haus des Metzgers Schweizer in der Backnanger Uhlandstraße hat alles angefangen. Das Haus existiert heute nicht mehr, es stand bis in die 1960er-Jahre an der Ecke gegenüber dem heutigen Café Weller. Beerwart eröffnete am 11. Januar 1887 ein Schuhwarengeschäft und kaufte etliche Jahre später das Gebäude Uhlandstraße 11, bis Ende 2017 das Stammhaus der Familie Boss.
Zweite Generation Die Tochter und der Schwiegersohn des Firmengründers, Mathilde und Karl Waldmann, wurden 1920 die Geschäftsnachfolger. Der Schwerpunkt verlagerte sich in Richtung Schuhhandel.
Dritte und vierte Generation Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahm die Tochter Margarete der Eheleute Waldmann zusammen mit Ehemann Wilhelm Boss den Betrieb und gab ihm den Firmennamen „Waldmann-Boss“. Im Jahr 1980 mieteten die Inhaber das Sauer-Gebäude Am Obstmarkt 1 an und richteten einen Schuhfachmarkt ein, der von Sohn Michael Boss gemanagt wurde. Der Schuheinzelhandel ging im Jahre 1983 an die Schuh-Boss GmbH über.