Schulsport-Asyl in der Tennishalle
Vereine und Schulen brauchen wegen des Abrisses der Backnanger Karl-Euerle-Halle zwei Jahre lang Interimslösungen für ihr Sportangebot. Viele Alternativangebote stehen zur Verfügung, unter anderem die Tennishalle in Oppenweiler.

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Die Karl-Euerle-Halle hat für Backnang eine große Bedeutung. Die Zeit, in der sie während des Neubaus nicht zur Verfügung steht, wird für alle zur Herausforderung. Archivfoto: A. Becher
Von Matthias Nothstein
Backnang. Die Tage der Backnanger Karl-Euerle-Halle sind gezählt. Im einem Schreiben an die Sportvereine informiert die Stadtverwaltung über den Zeitplan des Abrisses. Demnach steht die Halle den Schulen und Vereinen definitiv nur noch bis zum 19. Juni zur Verfügung. Alle Verantwortlichen, auch die Vertreter der Stadt, setzen alle Hebel in Bewegung, dass sich der Wegfall der Halle nicht negativ auf den Sportunterricht und den Vereinssport auswirken wird. Ein Teil des Unterrichts hat bislang schon in den Außenanlagen beziehungsweise in der benachbarten Stadthalle stattgefunden. Zudem hat zum Beispiel das Max-Born-Gymnasium den gesamten Oberstufenunterricht seit diesem Schuljahr in die Hallen des Gymnasiums in der Taus und des Berufsschulzentrums ausgelagert. Nun sollen all jene übrigen Aktivitäten, für die es eine Halle braucht, in der Tennishalle in Oppenweiler stattfinden. Und das zwei Jahre lang. Noch aber sind die Verträge nicht unterschrieben. Der Backnanger Architekt Jörg Wolf, der Eigentümer der Halle ist, sagt: „Wir sind in Gesprächen mit der Stadtverwaltung.“
Das Max-Born-Gymnasium ist auf den Hallenabriss längst bestens vorbereitet. Die Schulleitung hat eigentlich damit gerechnet, dass die Bagger schon zu Weihnachten des vergangenen Jahres anrollen. Der stellvertretende Schulleiter Christoph Nesper erläutert, wie sich die Schule darauf eingestellt hat. So wurde bereits so viel Sportunterricht wie möglich ins erste Halbjahr gepackt, sodass im zweiten Halbjahr die Platzkapazitäten ausreichen, selbst wenn die Halle schon weggefallen wäre. Doch dieses Manöver klappt nächstes Jahr nicht, sodass Nesper nun auf verlässliche Zusagen pocht: „Wir planen jetzt schon für das gesamte nächste Schuljahr.“ Wenn der Vertrag über die Nutzung der Tennishalle zustande kommt, ist dies eine große Entlastung, aber das Ausweichquartier kann die Euerle-Halle „auf gar keinen Fall eins zu eins ersetzen“, so Nesper. So können dort im Höchstfall zwei Klassen statt bisher drei parallel unterrichtet werden.
Das Max-Born-Gymnasium hat daher bei anderen Vereinen nach Kooperationen nachgefragt. So wird das Thema Schwimmen eine noch größere Rolle spielen, was doppelt sinnvoll ist, da viele Schüler während der Coronapandemie Rückstände aufweisen beziehungsweise als Nichtschwimmer einzustufen sind. Auch Tennis soll vermehrt angeboten werden. Zudem hat Nesper auch die Idee, eventuell Judo verstärkt anzubieten, wobei er einschränkt: „Manches scheitert am Transport der Schüler zu den Sportstätten.“ Dem stellvertretenden Schulleiter wurde bereits signalisiert, dass hierbei eine Lösung nicht so einfach ist, da es etwa nicht genügend Busse gibt.
Eine Lösung wäre des Weiteren, mehr Sport auf dem Schulgelände anzubieten. Der neue Fitnessraum (wir berichteten) ist ein Baustein dabei, aber auch Freiluftsport wie Leichtathletik wäre denkbar. Womit ein weiteres Problem auftaucht: Umkleideräume. Doch auch dafür hätte Nesper eine Lösung: Container, die auf dem Schulgelände aufgestellt werden. Und zwar so, dass auch die benachbarte Max-Eyth-Realschule sie nutzen kann. „Die Umkleiden in der Stadthalle reichen sicher nicht aus.“
Timm Ruckaberle, der Schulleiter der Max-Eyth-Realschule, sagt: „Wir sind uns dessen bewusst – der Abriss der Halle bedeutet zwei schwierige Jahre für uns.“ Trotzdem ist er zuversichtlich, dass Interimslösungen gefunden werden, mit denen die Schule den Sportunterricht aufrechterhalten kann: „Wir sind zufrieden mit den Gesprächen mit der Stadtverwaltung, unsere Anliegen werden gehört und ernst genommen.“ Einerseits ist klar, dass in der Stadthalle keine Ballsportarten möglich sind, andererseits jedoch viele andere Aktivitäten wie Kraftzirkel oder Turnen.
Die Fahrt nach Oppenweiler verkompliziert die Sache. Zwar benötigt die Bahn nur sieben Minuten und die Bahnhöfe in Backnang und Oppenweiler sind zu Fuß leicht erreichbar. Aber wie verhält es sich mit der Aufsichtspflicht? Busse wiederum benötigen mehr Fahrzeit und sind nicht ohne Weiteres zusätzlich aufzutreiben. Für Stadtbaudezernent Stefan Setzer liegt die Priorität trotzdem auf dem Busverkehr, zumal er bei der Bahn auch ein gewisses Pünktlichkeitsproblem zu Bedenken gibt. Ruckaberle indes vertraut darauf, dass die Stadt Lösungen findet. Das garantiert auch Regine Wüllenweber, die Leiterin des Amts für Familie, Jugend und Bildung: „Wir versuchen, die optimalen Alternativen auf den Weg zu bringen. Aber noch ist längst nicht alles in trockenen Tüchern. Die nötigen Lösungen sind sehr komplex, das ist eine Doktorarbeit.“ Ohne konkreter zu werden, verweist sie darauf, dass die Verwaltung „mit beiden Schulleitern in engem Kontakt steht“.
Trotz des Hallenabrisses sind die beiden Sportplätze für den Sportbetrieb weiter nutzbar, nur das Kleinspielfeld fällt während der Bauarbeiten weg. Ruckaberle sagt, dass daher mehr Sport auf diesen Plätzen gemacht werden könnte. Und: „Darüber hinaus werden wir kreative Lösungen finden.“ Solche etwa, wie das MBG mit seinem Fitnessraum geschaffen hat. Grundsätzlich freut sich der Schulleiter jedoch, dass es jetzt endlich losgeht: „Bei so einem Projekt steht man irgendwann einmal vor der Frage, es endlich einmal anzupacken oder es für immer zu lassen. Und hier in Backnang ist die Entscheidung glücklicherweise gefallen, es nun zu machen.“

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Die Tennishalle in Oppenweiler stand lange leer. Nun wird sie auf Vordermann gebracht, damit sie als Ausweichquartier dienen kann. Eine Win-win-Situation für alle. Foto: A. Becher

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„Wir sind uns bewusst – der Abriss der Halle bedeutet zwei schwierige Jahre für uns. Und wir freuen uns trotzdem.“
Zeitplan Die Karl-Euerle-Halle soll bis 19. Juni genutzt und in den letzten beiden Juniwochen ausgeräumt werden. Es ist davon auszugehen, dass in der Halle ab 4. Juli Strom, Heizung und Wasser abgedreht werden und der eigentliche Abbruch im Juli noch startet. Somit scheint es, dass auch die Forderung des Max-Born-Gymnasiums erfüllt werden kann, während des Abiturs keine Abbrucharbeiten vorzunehmen, die mit Lärm verbunden sind. Da die letzte mündliche Prüfung am 7. Juli stattfindet, passt der Zeitplan.
Kosten Der Abbruch der Karl-Euerle-Halle kostet 864000 Euro und wird von der Weinstadter Firma JMS GmbH übernommen, die Arbeiten sollen bis Ende Dezember 2022 erledigt sein. Der Neubau verschlingt laut neuestem Stand insgesamt 16,7 Millionen Euro. Die Stadt geht laut Haushaltsplan von einem Zuschuss in Höhe von 3,6 Millionen Euro aus. Er setzt sich zusammen aus 3 Millionen Euro Bundesförderung und 600000 Euro Landeszuschuss.
Umbau Um regulären Sportunterricht zu ermöglichen, sind in der Tennishalle Oppenweiler Umbauarbeiten nötig. So muss zum Beispiel der alte Boden entfernt und ein neuer Sportbelag eingebaut werden. Eventuell können auch die Umkleiden der zweiten Halle genutzt werden. Das Gebäude stammt aus den frühen 1980er-Jahren. Eigentümer Jörg Wolf sagt: „Es ist klar, dass da einiges gemacht werden muss, damit die Halle für den Schulsport genutzt werden kann. Das ist aber alles kurzfristig machbar, wir stehen bereit.“
Weiternutzung Ganz billig wird der Umbau nicht, weshalb es auch für den Investor wichtig ist, über die Interimsnutzung hinaus eine Verwendung für die Halle zu finden. Da trifft es sich gut, dass die Handball-Spielgemeinschaft HCOB dringend weitere Trainingsmöglichkeiten benötigt. Noch sind auch hier keine Verträge geschlossen, weshalb HCOB-Vorsitzender Gerald Hug sehr vorsichtig mit seinen Aussagen ist. Aber er bestätigt: „Die Idee, die Tennishalle zu nutzen, existiert schon lange.“ Der Geschäftsführer der Handball GmbH spricht deshalb von einer Win-win-Situation. Trainingsmöglichkeiten in anderen Hallen zu finden ist Hugs Angaben zufolge fast unmöglich, alle Sporthallen in der Umgebung sind gut ausgelastet. Die Möglichkeiten der Tennishalle werden in den nächsten zwei Jahren auch von den Handballern benötigt, denn auch sie trainieren bisher fast täglich in der Karl-Euerle-Halle. Wenn in zwei Jahren die neue Euerle-Halle wieder zur Verfügung steht, soll die Tennishalle weitergenutzt werden, um so das Angebot ausweiten zu können. Hug: „Wir müssen unsere Raumkapazität vergrößern, es gibt immer wieder Engpässe. Unsere Jugendteams und die Aktiven brauchen mehr Trainingsmöglichkeiten.“