Sechs Gramm Marihuana – 14 Monate Gefängnis
Schöffengericht Backnang verurteilt 23-jährigen Elektriker wegen Drogenhandels zu Gefängnisstrafe – Freundin muss warten
Von Hans-Christoph Werner
BACKNANG. Der Bereich oberhalb des Backnanger Bahnhofs ist bei der Polizei bekannt. Viele parkende Autos, daneben Büsche und Bäume. Menschen, die sich nicht aufhalten lassen wollen, sondern eilig Richtung Stadt oder S-Bahn hasten. Aber auch andere, die an dunklen Geschäften interessiert sind.
Kundschaft gibt es auch aus den benachbarten Schulen. Und so war an einem Januartag dieses Jahres eine Polizeistreife zur Personenkontrolle unterwegs. Auch ein 23-jähriger Elektriker lief den Beamten in den Weg.
Die Ausweispapiere waren nicht zu beanstanden. Allein die Beamten nahmen an dem jungen Herrn einen ihnen sehr vertrauten Duft wahr. So kam’s, dass sie ihn baten, doch seine voluminöse Wollmütze abzunehmen. Und tatsächlich: In dieser befinden sich fünf Alupäckchen. In jedem etwa ein Gramm Marihuana, rauchfertig für einen Joint.
Die weitere Unterhaltung setzten die Beamten erst mal auf dem Revier fort. Die Angelegenheit weitete sich aus. Das Zimmer des Gestellten in der Hohenheimer Straße wurde durchsucht. Man fand heraus, dass er hier gar nicht wohnte, sondern nur auf der Durchreise war. Der vorgefundene Rucksack enthielt Sportkleidung. Reichlich Alufolie wurde entdeckt. Und in der Mikrowelle wieder ein verdächtiges Päckchen, die Ware allerdings unbrauchbar. Waren da Lebensmittel und Rauchwaren verwechselt worden?
Der 23-Jährige gab an, dass er eine Freundin in Aspach habe. So wurde ein Durchsuchungsbeschluss erwirkt und vollzogen. Es fand sich allerdings nichts. Der Elektriker wurde in Untersuchungshaft genommen.
Angeklagter räumt
den Tatvorwurf ein
Vor dem Schöffengericht hatte er sich des Vorfalls wegen zu verantworten. In der Erklärung seines Rechtsanwalts wird der Tatvorwurf eingeräumt. Als der Angeklagte zu seiner Person vernommen wird, entfaltet sich das ganze Dilemma seines Werdegangs.
Obwohl mittellos, haben die Eltern des Angeklagten ihrem Sohn einen neunjährigen Schulbesuch ermöglicht. Dann erlernt er den Beruf des Elektrikers, kann die Ausbildung allerdings aus Geldmangel nicht abschließen. Er will ein besseres Leben haben. Nach dem, was er weiß, ist das nur in Deutschland möglich. So entschließt er sich mit 19 Jahren zur Flucht aus seinem Heimatland Gambia.
Über Italien reist er ein. Und das wird ihm aufgrund der Dublin-Bestimmungen zum Verhängnis. Er wird im November 2015 nach Italien abgeschoben. Aber macht nichts, nach drei Tagen ist er wieder da. In Waldshut-Tiengen wird er wegen unerlaubter Einreise gestellt und bestraft. Ein Jahr später verurteilt ihn das Amtsgericht Waiblingen wegen Marihuanahandels zu drei Monaten Gefängnis.
Für die Staatsanwältin ist der Fall klar. Für sie war’s gewerbsmäßiges Handeltreiben. Ferner stand der Angeklagte von der vorhergehenden Tat noch unter Bewährung, hat also diese gebrochen. Sie fordert 16 Monate Gefängnis. Ob die Strafe erneut zur Bewährung ausgesetzt werden kann, stellt sie infrage.
Der Verteidiger bejaht die Gewerbsmäßigkeit der Tat, betont aber, dass das Marihuana nicht in den Verkehr gelangt sei. Ferner handle es sich um eine weiche Droge. Sein Mandant stehe in einer festen Beziehung zu seiner Freundin, das Paar trage sich mit Heiratsplänen. Der Rechtsanwalt befürwortet ein Strafmaß von 14 Monaten, allerdings zur Bewährung ausgesetzt.
Schon kurz nach der letzten Verurteilung wieder straffällig
Das Schöffengericht urteilt nach kurzer Beratung: 14 Monate Gefängnis wegen vorsätzlichen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln. Die Aussetzung der Strafe auf Bewährung wird ausgeschlossen. Der Angeklagte ist kurze Zeit nach der letzten Verurteilung erneut mit Drogengeschäften straffällig geworden. Und das, obwohl er doch in der Beziehung zu seiner Freundin einen Rückhalt hatte. Der Haftbefehl wird aufrechterhalten.
Die Freundin, unter den Zuhörern sitzend, hört’s mir Grausen. Als der Verurteilte von einem Justizbeamten vom Gerichtssaal in die Zelle geführt wird, will er nicht so recht. Wehmütigen Blickes verabschiedet sich das Paar voneinander.