Polizeiermittlungen

Serienmörder? Kenianer sind skeptisch

Nach dem grausigen Fund zahlreicher Frauenleichen präsentiert die Polizei in Nairobi für viele verdächtig schnell einen geständigen Täter.

Die Polizei in Nairobi präsentiert nur drei Tage nach den grausigen Funden einen geständigen Verdächtigen (Mitte).

© dpa/Andrew Kasuku

Die Polizei in Nairobi präsentiert nur drei Tage nach den grausigen Funden einen geständigen Verdächtigen (Mitte).

Von Christian Putsch

Zwischen dem Fundort der zehn Leichen und der nächstgelegenen Polizeistation liegen gerade einmal 100 Meter. In Kenias Hauptstadt Nairobi fragen sich deshalb viele, wie es möglich sein kann, dass auf der Müllhalde über Monate, vielleicht sogar Jahre hinweg die Überreste von womöglich Dutzenden ermordeten Frauen unbemerkt bleiben konnten. Genauso rätselhaft ist aber vielen, wie nach dem grausigen Fund am vergangenen Freitag innerhalb von nur drei Tagen ein geständiger Hauptverdächtiger präsentiert werden konnte.

Die kenianische Polizei gibt sich sicher, dass sie einem der weltweit brutalsten Serienmörder der vergangenen 100 Jahre auf die Schliche gekommen ist. In der Nacht zum Montag verhaftete sie den 33 Jahre alten Collins K. in einer Bar, wo der Mann zuvor das EM-Finale zwischen Spanien und England geschaut hatte. Nur wenige Stunden später teilten die Sicherheitsbehörden mit, der Verdächtige habe den Mord an insgesamt 42 weiblichen Opfern gestanden. Die erste Ermordete soll vor zwei Jahren seine eigene Frau gewesen sein.

Viele sind wütend auf die brutale Polizei

Öffentlich präsentiert wurden seitdem SIM-Karten und Personalausweise, die den Angaben zufolge in der Unterkunft von K. gefunden wurden. Sie gehörten teilweise den Opfern, sagt die Polizei. Belastend seien auch der Fund einer Machete und von Plastiksäcken, Seilen und Klebebändern, die zur Beseitigung der Körper zum Einsatz gekommen sein könnten. Auch ein blutverschmiertes Bettlaken befindet sich demnach unter den Beweismitteln. Man sei dem Mann durch Überweisungen vom Handy eines der Opfer auf die Spur gekommen, hieß es.

Der Fall ereignet sich zeitgleich zu einer der größten Protestwellen gegen Polizei und Regierung in Kenias Geschichte. Die Beamten waren im Juni mit scharfer Munition gegen Demonstranten vorgegangen, die gegen geplante Steuererhöhungen protestiert hatten. Es gab Dutzende Tote. Das mögliche Polizeiversagen bei der jetzt entdeckten Mordserie facht die Wut der Zivilgesellschaft nur noch weiter an. In Kenia hat die Gewalt gegen Frauen im vergangenen Jahrzehnt deutlich zugenommen.

Wurde der Verhaftete vor dem Geständnis gefoltert?

Einige Aktivisten spekulierten anfangs, bei den nun gefundenen Mordopfern könne es sich um Demonstranten handeln, die seit ihrer Verhaftung vermisst werden. So manchem kam auch deshalb die schnelle Präsentation eines geständigen Täters verdächtig vor. Gegen die Theorie einer Beteiligung der Polizei spricht allerdings, dass alle gefundenen Leichen weiblich sind. Bei den verschwundenen Demonstranten handelte es sich aber überwiegend um Männer.

Wissend um die miese Reputation der Sicherheitskräfte, erklärte der Anwalt des Verdächtigen, sein Mandant habe nur deshalb gestanden, weil er gefoltert worden sei, und forderte, dass der Mann bis zum Beginn des Prozesses freigelassen werde. Diesen Antrag lehnte ein Richter am Dienstag angesichts der erdrückenden Beweislast aber ab.

Und noch etwas erbost die Menschen: Im vergangenen Jahr wurden in Kenia im Zusammenhang mit dem Todeskult eines Religionsführers 400 Leichen geborgen. Sie hatten sich auf seine Anweisung hin zu Tode gehungert, um „Jesus zu begegnen”. Damals waren die Behörden Hinweisen aus der Bevölkerung lange Zeit nicht nachgegangen.

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Erstellt:
18. Juli 2024, 15:20 Uhr
Aktualisiert:
18. Juli 2024, 15:29 Uhr

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