Sex mit der Partnerin war wohl nicht einvernehmlich

Aussage gegen Aussage: Backnanger Schöffengericht verurteilt 35-Jährigen wegen Vergewaltigung zu zwei Jahren und neun Monaten Gefängnis.

Schöffengericht verurteilt 35-Jährigen. Symbolfoto: okanakdeniz - stock.adobe

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Schöffengericht verurteilt 35-Jährigen. Symbolfoto: okanakdeniz - stock.adobe

Von Jutta Rieger-Ehrmann

Backnang. Während der Staatsanwalt am Ende eine Gefängnisstrafe von drei Jahren und neun Monaten fordert, plädiert der Verteidiger für eine fünfmonatige Haftstrafe mit Bewährung. In seinem letzten Wort bittet der Angeklagte um „ein mildes Urteil“. Das allerdings sieht nicht mild aus. Das Schöffengericht kommt nach fünfeinhalbstündiger Verhandlung zu folgendem Urteil: zwei Jahre und neun Monate Gefängnis. Zudem trägt der Verurteilte die Kosten des Verfahrens und der Nebenklage. Der Haftbefehl bleibt aufrechterhalten. Obwohl niemand dabei gewesen sei, so der Richter bei seiner Begründung, sei die Version der Geschädigten glaubhaft.

Dem Angeklagten war vorgeworfen worden, im Oktober 2021 seine damalige Lebensgefährtin in der gemeinsamen Wohnung vergewaltigt zu haben, über mehrere Stunden hinweg, in Anwesenheit der damals zweijährigen Tochter. Der 35-Jährige ist bereits seit Oktober 2021 in Gewahrsam. Er wurde am Morgen nach dem Tatabend von seiner ehemaligen Lebensgefährtin angezeigt und kam kurz darauf in U-Haft.

Der ungelernte und berufslose Angeklagte sagt in der Verhandlung, dass er mit seiner Ex-Partnerin rund fünf Jahre zusammen war, heiraten wollte sie nicht, sie haben eine gemeinsame kleine Tochter. Schon länger gab es Streit, besonders nach der Geburt der Tochter. Es sollten eigentlich Zwillinge werden, doch ein Kind sei abgegangen, was ihn sehr mitgenommen habe. Auch seine Freundin litt unter Burn-out, nahm Medikamente. Er sollte alles machen, arbeiten, die Wohnung putzen und wurde von ihr auch noch beschimpft. Außerdem drohte sie mit dem Entzug der Tochter. Er war auch bereits einmal kurz ausgezogen, kehrte aber auf ihren Wunsch wieder zurück.

Am Tag des Vorfalls wollte er sie eigentlich mit einem neuen Handy überraschen. Doch schon am Telefon gab es Streit. Als seine Partnerin heimkam, ging es weiter, es habe ihm dann gereicht und er habe was gegessen. Doch sie habe ihn zum Sex aufgefordert, der sei also einvernehmlich gewesen. Dann sei er nach der Einnahme einer Schlaftablette eingeschlafen und „habe die Welt nicht mehr verstanden“, als am nächsten Tag sechs Polizisten vor der Tür standen und ihn mitnahmen.

Die 32 Jahre alte ehemalige Lebenspartnerin schildert den Abend komplett anders. Kennengelernt haben sie sich Ostern 2017 in Stuttgart. Ihr Freund habe trotz der Alkoholprobleme einen guten Eindruck gemacht. Er sei dann recht schnell bei ihr eingezogen. Aufgrund seiner Sucht sei er mehrfach in die Psychiatrie eingewiesen worden und habe dann auf ihr Drängen hin eine Langzeittherapie gemacht. Insgesamt habe er alles auch „ganz gut gemeistert“, bis zu der Schwangerschaft, sagt die Krankenpflegerin. Danach steigerte sich der Alkoholkonsum wieder und er war häufig überdreht. Sie habe daher das alleinige Sorgerecht für die Tochter.

Nachbarin hört die Schreieund setzt sich aus Angst Ohrstöpsel ein

Am besagten Abend habe ihr der Ex-Partner zuerst einen Tritt in den Nacken gegeben, als sie mit dem Kind auf der Bettkante saß. Danach habe er gegen ihren Willen dreimal den Geschlechtsverkehr vollzogen. Es gab mehrere „Pausen“, in der sie auf die Toilette gegangen sei und sich frisch angezogen habe. Sie weiß noch, dass er sie runtergedrückt und gedroht habe, ihr das Kissen ins Gesicht zu pressen, wenn sie nicht leise sei.

Die Aussagen einer 48 Jahre alten Nachbarin bestätigen die Aussagen der 32-jährigen Ex-Partnerin. Die Zeugin wohnt seit mehr als zehn Jahren in dem Mehrfamilienhaus. Die Streitereien gingen schon länger. Alkohol und Geld seien oft Thema gewesen. Das erste schlimmere Geschehen habe sie im März 2020 bemerkt, worauf sie der Nachbarin Hilfe angeboten habe. Der Angeklagte habe sich daraufhin jede Einmischung verbeten, sie habe Angst vor ihm bekommen. Auch den Vorfall im Oktober 2021 habe sie bemerkt. Sie habe „gehofft“, dass die Betroffene um Hilfe rufe, dann hätte sie die Polizei gerufen, doch sie habe „nur“ ihre Schreie gehört. Und das Lachen des Angeklagten und dass er die Tochter angebrüllt habe: „Halts Maul!“ Außerdem habe sie Würgegeräusche im Bad vernommen, die Wände seien sehr dünn. Nach einer gewissen Zeit habe sie sich Ohrstöpsel eingesetzt. Sie habe sich nicht getraut, einzuschreiten, aus Angst, dass dies vielleicht alles nur noch schlimmer machen würde.

In seinem Urteil hat das Schöffengericht die erschwerten Haftbedingungen und die nicht einschlägigen Vorstrafen im Strafmaß berücksichtigt. Auch die schwere Kindheit des Angeklagten, der bei seinen Großeltern aufgewachsen ist. Nach der Trennung von seiner ersten Lebensgefährtin, mit der er zwei gemeinsame Kinder (13 und 11 Jahre) hat, begannen seine Alkoholprobleme.

Gegen das Urteil kann Berufung oder Revision eingelegt werden.

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Erstellt:
7. März 2022, 06:00 Uhr

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