Sexuelle Nötigung im Pflegeheim: Urteil ist gefallen

Am Landgericht Stuttgart wurde entschieden, dass der Täter schwer psychisch krank und damit schuldunfähig ist.

Wie der Mann nach Murrhardt gekommen ist, ist laut dem Richter Matthias Rummel nach wie vor unklar. (Symbolfoto)

© Alexander Becher

Wie der Mann nach Murrhardt gekommen ist, ist laut dem Richter Matthias Rummel nach wie vor unklar. (Symbolfoto)

Von Heike Rommel

Murrhardt. Das Urteil über den Mann, der eine Pflegerin im Erich-Schumm-Stift sexuell genötigt und verletzt hat (wir berichteten), ist gefallen. Er wurde als Gefahr für die Allgemeinheit eingestuft und auf unbestimmte Dauer in die Psychiatrie für Straftäter (Maßregelvollzug) eingewiesen.

Mit dem Urteil der siebten Strafkammer unter Vorsitz von Richter Matthias Rummel bleibt der am 4. Dezember 2023 vom Waiblinger Amtsgericht erlassene Haftbefehl in Vollzug. Damit ist der in Gambia geborene Franzose nicht mehr nur vorläufig in der Psychiatrie in Weissenau/Ravensburg untergebracht, sondern endgültig.

Eine Kollegin eilte der Pflegerin zur Hilfe

Der Urteilsbegründung zufolge war es schon im Ermittlungsverfahren schwierig, etwas über den 29-Jährigen herauszubekommen, der am 3. Advent einer Pflegekraft unter die Achseln gegriffen und diese zu einem Sofa in einer Sitzecke getragen hat. Die Frau dachte zunächst, der Mann wolle einen Bewohner gleicher Hautfarbe besuchen und deutete auf den Tisch, an dem dieser zum Abendessen saß. Zwei Gabeln hatte sie vom Tischdecken fürs Abendessen noch in der Hand, setzte diese aber nicht gegen den Angreifer ein, sondern schrie um Hilfe. Der Mann hatte sie auf ein Sofa der Sitzecke gedrückt, ihr den Pflegerkittel bis zum Bauchnabel aufgerissen, ihr den BH hochgeschoben und ihr die Hose samt Unterhose schon halb herunter gezogen, als eine Kollegin zu Hilfe eilte. Sie schlug den Angreifer auf den Rücken, doch dieser ließ nicht vom Opfer ab. Ein Kollege, der nicht nur Altenpflegehelfer, sondern auch hauptberuflicher Justizvollzugsbeamter ist, wusste, was er machen musste, um den Täter von der Frau wegzubringen und festzuhalten bis die Polizei kommt.

Die Krankheit aus dem schizophrenen Formenkreis war akut, als der Täter gegen 17.30 Uhr im Speisesaal des Seniorenheims auftauchte. Vor Gericht gab er an, er erinnere sich an nichts mehr. Der zu diesem Strafprozess hinzugezogene Sachverständige vom ZfP Weissenau, Dr. Tobias Hölz, hat den zunächst vorläufig untergebrachten Patienten beobachtet, untersucht und damit versucht, etwas über das Leben des 29-Jährigen berufs- und kinderlosen Kranken herauszufinden. Parallel zur psychischen Erkrankung ergab sich bei dem Mann auch eine Intelligenzminderung, denn es war dem französischen Staatsbürger, der in einem Vorort von Paris aus einer Pflegefamilie in die Bundesrepublik kam, nicht möglich, lesen und schreiben zu lernen.

Der Mann lebte immer wieder in Obdachlosenunterkünftgen

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Im Alter von drei Jahren mit seiner Mutter aus Gambia nach Paris gekommen, lebte der Sohn, als er älter war, immer wieder in französischen Obdachlosenunterkünften. Stationäre Behandlungen, sagte Richter Rummel, hätte es schon in Frankreich gegeben. Dort sei Anfang 2022 eine halluzinatorische Schizophrenie diagnostiziert worden. Der Patient habe sich jedoch einer Behandlung entzogen, sei nach Rom gereist und dort erneut in ein psychiatrisches Krankenhaus gekommen.

Zwischenstation Amsterdam: Dort wollte sich der Franzose die Stadt anschauen bevor er sich am 20. Oktober 2023 für eine Nacht ins Hotel Hilton am Frankfurter Flughafen einmietete. Die Rechnung über 300 Euro hat er bezahlt. Tags darauf wurde der Mann mit Thoraxschmerzen in einer Frankfurter Klinik vorstellig, doch die Ärzte dort fanden nichts. In der Folge, so ergab die Beweisaufnahme, lebte der Mann in Frankfurt teilweise als Obdachloser.

Der Richter schilderte noch einmal das verursachte Leid

„Wie er nach Murrhardt kam, ist komplett unklar geblieben“, erklärte der vorsitzende Richter im Zuge der Urteilsverkündung. Er hielt dem ungebetenen Besucher, der das ganze Pflegeheim in Angst und Schrecken versetzt hat, auch noch einmal vor Augen wie es der Pflegerin geht, die er in einer für sie „nicht verständlichen Sprache“ und in einem „herrischen Ton“ quasi hinterrücks überfallen hat.

Die Frau war fast vier Monate lang arbeitsunfähig und kann heute noch nicht wieder die dritte Etage des Pflegeheims betreten. Vom Arbeitgeber hat sie eine Psychologin zur Seite bekommen, die sie durch eine Wiedereingliederungsmaßnahme begleitet. Julia Mende beschrieb in ihrem Plädoyer auf Zwangseinweisung den Zustand ihrer als Nebenklägerin vor Gericht auftretenden Mandantin so: „Sie war eine lebensbejahende, fröhliche, selbstständige Person.“ Durch den gewalttätigen Übergriff im geschützten beruflichen Raum sei der Altenpflegerin die Leichtigkeit des Lebens genommen worden und sie sei nicht mehr das, was sie einmal war. Dass der Verurteilte die Frau vergewaltigen wollte, wie ursprünglich von der Polizei angenommen, konnte die Kammer „nicht mit ausreichender Sicherheit feststellen“.

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Erstellt:
14. Mai 2024, 06:00 Uhr

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