Sind kleine Biomärkte in der Krise?
Der Biomarkt in der Backnanger Annonaystraße wird nicht wieder öffnen, das haben die Inhaber nun bekannt gegeben. Ein Grund ist die Rentabilität. Damit haben aktuell viele Biofachgeschäfte zu kämpfen. Eine Rolle spielt die Umstrukturierung konventioneller Supermärkte.
Von Kristin Doberer
Backnang. Auf den Plakaten im Schaufenster des ehemaligen Biomarkts in der Backnanger Annonaystraße hingen bis vor Kurzem noch zahlreiche Plakate, die eine große Neueröffnung ankündigten. Von einer Modernisierung war auf den Plakaten die Rede, und von „vielen großartigen Aktionen am Eröffnungstag“. Wer genauer hinschaute, der bemerkte auch, dass diese Neueröffnung eigentlich schon Ende August hätte stattfinden sollen. Doch die Türen sind auch zwei Monate später noch verschlossen – und werden es auch bis auf weiteres bleiben. Auf Nachfrage unserer Zeitung schreiben die Eigentümer, dass sie sich dazu entschieden haben, den Laden in Backnang nicht mehr wiederzueröffnen. Darauf weisen mittlerweile auch Plakate am Eingang hin, nach einem Nachmieter wird aktuell wohl schon gesucht.
„Nach der geplanten vorübergehenden Schließung, die vor allem wegen Personalmangels getroffen wurde, war lange nicht klar, wie es weitergehen soll“, schreibt Bea Füssel vom Unternehmen Mein Biomax, welches das Geschäft in der Annonaystraße zusätzlich zu zwei Standorten in Weinstadt und Fellbach übernommen hatte. „Wir sind mit der Buchhaltung die Zahlen noch mal minutiös durch gegangen. Dabei mussten wir feststellen, dass der Markt leider nie die Rentabilität erzielt hat, die wir wirtschaftlich benötigen“, heißt es weiter.
Die neuen Investitionen, welche für die Geschäftsausstattung, Werbung oder die Einstellung von zusätzlichem Personal nötig gewesen wären, hätten erhebliche Kosten verursacht. „Da die Aussicht auf eine schnelle und erhebliche Steigerung des Umsatzes gering ist, sind diese Kosten unverhältnismäßig.“ Dass die Plakate auch zwei Monate später noch die große Neueröffnung angekündigt hatten, liege daran, dass es sich die Eigentümer mit dieser Entscheidung „nicht leicht gemacht haben“.
Für kleine Bio-Fachmärkte wird es durch die Konkurrenz immer schwieriger
Der Backnanger Biomarkt in der Annonaystraße ist nicht der einzige, der mit der Wirtschaftlichkeit zuletzt Probleme hatte. Deutschlandweit scheinen sich Biomärkte in einer Krise zu befinden. So ist im Jahr 2022 erstmals der Umsatz der Branche zurückgegangen, selbst so manche Kette musste bereits Insolvenz anmelden. Laut einer Umfrage der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) verkauften Reformhäuser und Naturkostläden bereits im ersten Halbjahr 2022 fast 40 Prozent weniger als im Vorjahr. Bei Biomärkten waren es laut GfK nur 15 Prozent weniger. Erste Zahlen zeigen zwar, dass sich die Branche in diesem Jahr wieder etwas erholt hat, doch die Umsatzeinbrüche waren auch in Backnang teilweise spürbar. Zum Beispiel musste der Unverpacktladen in der Innenstadt nach nur zwei Jahren den Betrieb einstellen und nun hat auch der Biomarkt in der Annonaystraße aufgegeben.
Von Letzterem ist zumindest Mathias Wurche, Geschäftsführer des Hofgut Hagenbach, nicht überrascht. Der Standort sei nicht optimal gewesen, meint er. Er hat aber auch die allgemeine Entwicklung der Biomärkte genau im Blick. Seit etwa 25 Jahren führt er den Biomark im Hofgut Hagenbach. „Der Rückgang war in den letzten zwei Jahren deutlich spürbar“, berichtet er aus eigener Erfahrung, auch wenn der Umsatz seit dem Frühjahr dieses Jahres wieder leicht besser geworden sei. Dabei seien die Biomärkte selbst nicht unbedingt schwächer geworden. Und auch die Nachfrage nach Bioprodukten sei weiterhin hoch. Doch ein Zusammenspiel aus den aktuellen Umständen, also Unsicherheiten durch Krieg, gestiegenen Ausgaben durch Inflation und Erhöhung des Mindestlohns, vor allem aber eine Umstrukturierung der Märkte, ließen den kleinen Fachgeschäften kaum eine Chance, meint Wurche.
Bioprodukte auch in konventionellen Supermärkten
Im Gegensatz zu den Anfangsjahren der Biobranche in Deutschland gibt es mittlerweile nicht mehr nur in bestimmten Fachgeschäften Bioprodukte aller Art. So bekommt man Biowaren auch bei konventionellen Supermärkten und sogar Discountern. „Was die Biofachgeschäfte in den 90er-Jahren groß gemacht haben, wird jetzt vom konventionellen Großhandel übernommen“, sagt er. Selbst große Bio-Hersteller verkaufen mittlerweile an konventionelle Supermärkte. „Die haben natürlich gemerkt, dass die Biomärkte weniger abnehmen und beliefern dann eben die konventionellen“, sagt Wurche, der durch ein deutschlandweites Netzwerktreffen mit vielen Biomarktbetreibern erst Anfang der Woche einen Überblick über das Geschehen am Markt bekommen hat. „Die Anzahl der Fachhändler geht zurück“, sagt er.
Wurche fürchtet, dass es die Biomärkte und Naturkostläden auch in den kommenden Jahren immer schwerer haben werden. „Viele kleinere Läden werden die nächsten zehn Jahre wohl nicht schaffen“, vermutet er. Lediglich größere Ketten haben seiner Meinung nach eine Chance. Denn diese hätten weniger Probleme, auf steigenden Mindestlohn, steigende Einkaufs- und Energiepreise sowie Mieterhöhungen oder Personalmangel zu reagieren.
Reformhäuser und Hofläden suchen sich ihr Nischengeschäft
Von der Idee, Kosten zum Beispiel durch Selbstbedienungskassen zu sparen, hält er wenig. „Wir sind ein Fachmarkt, wir brauchen Leute, die sich auch auskennen“, sagt er. Denn häufig schätzen Kundinnen und Kunden nicht nur die Produkte im Biomarkt, sondern auch die Beratung. So kennen sich die Angestellten laut Wurche damit aus, woher die Produkte kommen und was sie beinhalten. „Eine Selbstscannerkasse wird die Fachmärkte nicht retten“, ist er sich sicher.
Mit dem Biomarkt am Hofgut Hagenbach setzt er aktuell aber nicht allein auf das Ladengeschäft. So gibt es regelmäßige Einkünfte durch eine Kooperation mit Schulen und Kindertagesstätten. „Wir beliefern aktuell etwa 150 Schulen und Kindergärten.“ Ziel des Schulprogramms sei auch, dass Kinder nicht nur Bio, sondern vor allem frische Nahrungsmittel bekommen. Denn die Zahl derer, die das von Zuhause nicht mehr mitbekommen, steige an.
Auch in anderen Fachmärkten ist der Rückgang der Umsätze im Bio-Lebensmittelbereich spürbar, so zum Beispiel in Reformhäusern. Vor allem betreffe dies austauschbare Produkte, die mittlerweile auch der Lebensmittelhandel und die Drogeriemärkte führen. „Unsere Sortimentsbreite, weit über pflanzenbasierte Bio-Lebensmittel hinaus, macht unser Geschäft stabil“, sagt Reformhaus-Vorstand Rainer Plum. Obwohl Umsätze im Bio-Lebensmittelbereich weiter rückläufig sind, komme Reformhaus seine „starke Marktstellung im Bereich der Selbstmedikation zugute“. Umsatztreiber seien mittlerweile freiverkäufliche Naturarzneimittel, Kur- und Nahrungsergänzungsmittel sowie zertifizierte Naturkosmetik.
„Wir haben unsere Nische gefunden“
Ganz zufrieden zeigt sich Ottmar Dänzer, der mit seiner Bioland-Gärtnerei den eigenen Hofladen beliefert. Zwar sei der Umsatz vom sehr starken Jahr 2021 in Folgejahr ebenfalls gesunken, allerdings nur um rund sieben Prozent – 2022 sei zwar nicht leicht gewesen, doch man habe versucht, das mit Einsparungen abzufangen. „Aber der Laden läuft recht gut. Wir haben unsere Nische gefunden“, sagt Ottmar Dänzer.
Rund 1500 Kundinnen und Kunden besuchen den Hofladen pro Woche, für die frischen Produkte fahren diese ganz gezielt nach Germannsweiler. Selbst wenn konventionelle Supermärkte ihr Biosortiment ausbauen, gebe es dort immer noch nicht so viel Auswahl wie im Hofladen. „Und so frisch, wie aus der eigenen Produktion ist Obst und Gemüse im Großhandel auch nicht, wenn es schon zwei Tage unterwegs ist. Das merken die Leute“, so Dänzer. Wenn gewünscht, können die Kunden sogar ihre Tomaten selbst pflücken, nennt er ein Beispiel. „Frischer geht es nicht.“