„Singen – das ist unser Ding“

Die Berlin Comedian Harmonists geben im Backnanger Bürgerhaus ein Gastspiel zwischen Heiterkeit und Ernst

„Das war für uns der Hammer, die Berlin Comedian Harmonists nach Backnang zu kriegen.“ So äußerte sich der Geschäftsführer der veranstaltenden Riva Engineering GmbH, Hermann Püttmer im Vorfeld des Auftritts des Ensembles im Bürgerhaus. Sein einleitendes Grußwort kam aber auch hinsichtlich des Streits um das Kaelble-Areal nicht ohne Seitenhiebe gegen die Stadt aus.

Präsentieren im Backnanger Bürgerhaus ihr Programm „Veronika, der Lenz ist da“, mit dem sie noch das ganze Jahr über unterwegs sind: Die Berlin Comedian Harmonists.Foto: A. Becher

© Pressefotografie Alexander Beche

Präsentieren im Backnanger Bürgerhaus ihr Programm „Veronika, der Lenz ist da“, mit dem sie noch das ganze Jahr über unterwegs sind: Die Berlin Comedian Harmonists.Foto: A. Becher

Von Carmen Warstat

BACKNANG. Gekommen waren die Leute jedoch, um die Nachfolger der legendären Comedian Harmonists zu hören. Diese nennen sich Berlin Comedian Harmonists, sind seit 1997 sowohl national als auch international erfolgreich und ließen auch in Backnang keine Wünsche offen. Als die Beatles der 30er-Jahre und „unsere großen Vorbilder“ bezeichnen sie ihre Leitfiguren und sind ihnen äußerlich schon mal sehr ähnlich: Sechs Herren im Frack, einer von ihnen am Flügel, können auf weitere Showeffekte verzichten, denn was zählt, ist einzig die Musik. „Veronika, der Lenz ist da“ heißt das Programm, das mit eben diesem Gassenhauer gut gelaunt und spaßig eröffnet wird und die ungeteilte Begeisterung des Publikums finden soll. Es gibt viel zu lachen an diesem Abend, aber auch traurige und stille Momente. „Ein Freund, ein guter Freund“, „Liebling, mein Herz lässt dich grüßen“, „Das ist die Liebe der Matrosen“, „Mein kleiner grüner Kaktus“ und andere der Klassiker, die bis heute jedes Kind kennt, erklingen ebenso wie weniger Populäres. Wehmutsvoll und tief berührend wirken „In einem kühlen Grunde“ und „Irgendwo auf der Welt“ – Stücke, die das Ende des Original-Sextetts illustrieren. Denn dessen „Erben“, die Berlin Comedian Harmonists, haben es sich auch zur Aufgabe gemacht, die Geschichte ihrer Leitsterne zu erzählen. Abwechselnd treten also Holger Off (Tenor), Ralf Steinhagen (Tenor), Olaf Drauschke (Bariton), Ulrich Bildstein (Bariton), Wolfgang Höltzel (Bass) und Horst Maria Merz (Piano) nach vorn, um aus den Tagebüchern des Gruppengründers der originalen Comedian Harmonists, Harry Frommermann, zu lesen oder seine Aufzeichnungen zu interpretieren. Der Reihe nach werden die „Originale“ vorgestellt und Episoden aus der Zeit zwischen 1930 und 1935 erzählt. Da bleibt auch eine Stellungnahme zur Haltung der Comedian Harmonists in der Nazizeit nicht aus.

„Wir haben die Nazis nicht ernst genommen, wie so viele“

Laut Frommermann hatte das später quasi verbotene Sextett „anfangs mit den Wölfen zu heulen versucht“. Festgemacht wird dies an einem Konzertabend 1933, an dem alle sechs Künstler, auch die drei jüdischen, die SA-Männer in den ersten Reihen mit „Heil Hitler“ begrüßten. „Wir haben die Nazis nicht ernst genommen, wie so viele“, schreibt Frommermann weiter. Die Berlin Comedian Harmonists nun lassen diesen Aussagen das launige Stück „Ein bisschen Leichtsinn kann nicht schaden“ folgen und rücken den Hitlergruß damit in die Nähe des jugendlichen Schabernacks. Der Konzertabend in Backnang gleicht so einem Wechselbad der Gefühle. Anschaulich und ergreifend erzählen und singen die Mitglieder der Formation vom Ruhm und vom Untergang ihrer Vorbilder, ulken und scherzen andererseits in bekannter Manier. Dabei sind sie den Klassikern künstlerisch durchaus gewachsen, wenn auch das letzte Quäntchen Power fehlt. Die Berlin Comedian Harmonists verfügen über brillante Stimmen, ausgezeichnetes Timing, Gewitztheit und schauspielerische Talente – sie begeistern das Backnanger Publikum. Vier Zugaben müssen sie geben, und da öffnen sie die Klamauk-Kiste noch einmal weit: „Wochenend und Sonnenschein“, „Kannst du pfeifen, Johanna“, „Sing, sing, sing, sing, Singen – das ist unser Ding“ und schließlich ein nachdenkliches „Auf Wiedersehn irgendwo in der Welt“ – als „Verbeugung vor unseren Vorbildern“.

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Erstellt:
2. Juli 2018, 06:00 Uhr

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