Klimawandel
Sizilien leidet unter einer extremen Dürre
Auf der Mittelmeerinsel herrscht seit Monaten eine Hitze wie in der Sahara. Grund ist der Klimawandel. Die Bewohner beklagen sich aber auch über kaputte Wasserleitungen und Misswirtschaft.
Von Knut Krohn
Der Simeto ist nur noch eine lauwarme Brühe. Der zweitlängste Fluss Siziliens entspringt am Fuße des Ätna und mündet nach einer 113 Kilometer langen Reise durch die fruchtbare Piana di Catania ins Mittelmeer. Er ist einer der wenigen Flüsse auf der Mittelmeerinsel, die auch im Sommer nicht vollständig austrocknen – zumindest war das bisher so. In diesem Jahr könnte sich das ändern.
Seit vielen Monaten hat es auf Sizilien nicht mehr geregnet. Zum Problem wird auch, dass im vergangenen Winter die Wasserreservoirs nicht gefüllt werden konnten. Nach offiziellen Angaben fielen weniger als ein Viertel der üblichen Regenmenge. Die Meldungen des italienischen Forschungsinstitutes CNR klingen mit dem Fortgang des Sommers immer dramatischer. Auf mehr als 70 Prozent der Fläche Siziliens herrsche derzeit extreme Trockenheit, heißt es. Und das CNR kann keine Entwarnung geben. Die von der heißen Luft aus der Sahara bestimmte Wetterlage werde sich auch in den kommenden Monaten nicht ändern, so die Prognose der Wissenschaftler. Das sei eine eindeutige Folge des Klimawandels.
Eine ungewöhnlich lange Hitzewelle
„Wir sind auf Sizilien die Sommerhitze gewöhnt“, sagt ein Zeitungsverkäufer in Catania und fächelt sich mit einem Blatt Papier etwas Kühlung zu, „aber eine so lange Periode ohne Regen habe ich noch nie erlebt.“ Sein Kiosk steht auf der Piazza Stesicoro im Stadtzentrum direkt neben dem römischen Amphitheater in der prallen Sonne. „Ich habe keinen Stromanschluss, kann also nicht einmal einen Ventilator laufen lassen“, klagt der Mann.
Besonders schwer getroffen von der Hitze wird die Landwirtschaft. Wegen der Trockenheit fallen die Ernten aus und inzwischen drohen sogar die Orangen- und Olivenbäume abzusterben, weil sie nicht mehr bewässert werden können. Einige Bauern fangen bereits an, ihre Viehherden zu verkleinern, weil das Wasser für die Tiere fehlt. Rund fünf Millionen Menschen wohnen auf Sizilien, für das die Hälfte von ihnen ist die Rationierung von Wasser inzwischen Normalität.
Satellitenfotos von ausgetrockneten Stauseen
Auf Satellitenbildern wird die ganze Dramatik der Situation deutlich. So ist der Lago Fanaco, der die Provinz Agrigent mit Wasser versorgt, auf einem Foto aus dem Juli des vergangenen Jahres gut gefüllt. Aktuell ist der Stausee aber fast völlig trocken. Noch schlimmer sieht es beim Lago di Pergusa aus, der Anfang des Sommers 2023 fast überlief und nun überhaupt kein Wasser mehr hat.
Nun tragen die Sizilianer ihre Wut auf die Straße. In diesen Tagen protestierten in Agrigent mehrere Tausend Menschen gegen die Politik, die sie für die Lage verantwortlich machen. Mehr als die Hälfte des aufgefangenen Wassers geht nach offiziellen Schätzungen aufgrund maroder Leitungen verloren, doch keiner der Politiker hat sich in den vergangenen Jahrzehnten darum gekümmert, diesen Missstand abzustellen. Die drei großen Entsalzungsanlagen, mit denen Meerwasser zu Trinkwasser aufbereitet werden kann, sind seit Jahren außer Betrieb.
Politiker sind sich keiner Schuld bewusst
„Wir wollen Wasser“ skandierten die aufgebrachten Bürger und sie fordern Antworten von den Verantwortlichen. Franco Miccichè, Bürgermeister von Agrigent, ist sich allerdings keiner Schuld bewusst. Er wolle keine Reden halten, erklärte der Lokalpolitiker, er arbeite lieber „im Stillen“ daran, eine Lösung zu finden. „Wir haben in Santo Stefano di Quisquina vier Brunnen identifiziert, die bisher nicht genutzt wurden“, erklärte er. Deren Wasser müsse nun in das Verteilnetz eingespeist werden.
Linderung kommt inzwischen auch vom Meer. So hat etwa der Tanker „Ticino“ der italienischen Marine zuletzt den Hafen von Licata in der Provinz Agrigent ansteuert. Er brachte 1200 Kubikmeter Wasser, das in der Region Gela und Agrigento verwendet wird. Das vom Schiff transportierte Wasser wird in das Wassernetz eingeleitet, um die über 37.000 Einwohner von Licata zu versorgen. Auf diese Weise können Ressourcen freigesetzt werden, die zu anderen Zentren in der Region umgeleitet werden. In manchen Dörfern sind die Bewohner auf Wasserlieferungen aus Tankwagen angewiesen. Der Preis für das kostbare Nass steigt inzwischen in astronomische Höhen und hinter vorgehaltener Hand wird gemunkelt, dass davon vor allem kriminelle Banden profitieren.
In der idyllischen Hafenstadtstadt Siracusa setzt man derweil auf Hilfe von ganz oben. In einer kleinen Kirche in der Altstadt sitzt eine Gruppe alter Frauen und betet, auf dass die Trockenheit ein Ende habe. Die Stadt am äußersten Südzipfel Siziliens hält seit dem 11. August 2021 in Europa den Hitzerekord. Damals wurden dort 48,8 Grad gemessen.