Drohender Krieg mit China?
So sehen die militärischen Notfallpläne der USA für Taiwan aus
Ein Krieg zwischen China und Taiwan stehe nicht unmittelbar bevor, sagen Experten. Doch angesichts der wachsenden Spannung arbeiten die USA an einem Notfallplan, sollte es tatsächlich zu einer chinesischen Invasion kommen.
Von Markus Brauer/AFP
Die USA arbeiten einem Medienbericht zufolge für den Fall eines in Taiwan an Plänen zur Entsendung von Soldaten nach Japan und auf die Philippinen. Die Pläne sollen in einen ersten gemeinsamen Einsatzplan einfließen, der im Dezember erstellt werden soll, wie die japanische Nachrichtenagentur Kyodo berichtet. Demnach würde ein US-Marine-Regiment mit einem Artilleriesystem Himars auf die japanischen Nansei-Inseln nahe Taiwan entsandt werden.
U.S. to deploy missile units to Japan islands in Taiwan contingencyhttps://t.co/fGWJzpB4c3#Japan#US#Taiwan — Kyodo News | Japan (@kyodo_english) November 25, 2024
Japan und USA würden Taiwan direkt unterstützen
Bereits in einem frühen Stadium, wenn ein Taiwan-Konflikt unmittelbar bevorsteht, würden temporäre Stützpunkte auf bewohnten Inseln eingerichtet, heißt es in dem Bericht. Japans Militär würde demnach hauptsächlich logistische Unterstützung zur Verfügung stellen, etwa in Form von Treibstoff und Munition. Wie Kyodo weiter berichtete, würde die US-Armee in einem solchen Fall Langstreckenfeuereinheiten auf die Philippinen entsenden.
Weder das japanische, noch das philippinische Verteidigungsministerium standen zunächst für eine Stellungnahme bereit. Die US-Botschaft in Manila lehnte eine Stellungnahme ab, die chinesische Botschaft nahm den Bericht „zur Kenntnis“.
China baut seit Jahren seine militärischen Kapazitäten aus und erhöht gleichzeitig den Druck auf das selbstverwaltete Taiwan, das es als Teil seines Territoriums beansprucht.
Washington hat seine Allianzen in der Region gestärkt und sorgt mit der Entsendung von Schiffen und Kampfjets in die Straße von Taiwan und das Südchinesische Meer regelmäßig für Verstimmung in Peking.
Kommt es zum Krieg zwischen China und Taiwan?
Zwar halten Experten eine umfassende Invasion in naher Zukunft für unwahrscheinlich, doch gibt es einige Instrumente, die China für einen möglichen Angriff auf die Insel einsetzen könnte. Eine Übersicht:
„Enthauptung“: Gezielte Angriffe auf militärische Infrastruktur
Peking hatte zuletzt zunehmend seine militärische Stärke in der Region zur Schau gestellt. Täglich entsendet China Kampfjets in Richtung Taiwan, während seine Marine-Schiffe eine fast durchgängige Präsenz in den Gewässern um die Insel aufrechterhalten.
China hatte zudem in den vergangenen eineinhalb Jahren mindestens zwei große Militärübungen abgehalten. Der Flugzeugträger „Shandong“ ist zuletzt häufiger durch die Straße von Taiwan gekreuzt, die die Insel vom Festland trennt.
Ou Si-fu von Taiwans Forschungsinstitut für Nationale Verteidigung und Sicherheit hält es aufgrund vergangener Manöver für wahrscheinlich, dass China Luft- und Raketenangriffe nutzen würde, um Taiwans Militärinfrastruktur zu treffen. Ou nennt dies das „Enthauptungs“-Szenario, weil die Bombardierungen Taiwans Kommandozentrale, Luftwaffe, Marinestützpunkte und Munitionsdepots treffen würden.
Besetzung von Inseln
China könnte auch die zu Taiwan gehörenden Inseln Kinmen und Matsu besetzen, die nur wenige Kilometer vor der Küste Festland-Chinas liegen. Auch eine komplette Blockade Taiwans könnte Peking versuchen, so dass niemand und nichts mehr auf die oder von der Hauptinsel herunterkommt.
Im April 2023 simulierte die chinesische Armee in einem dreitägigen Manöver eine solche Blockade, nachdem der damalige Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy, sich mit Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen im US-Bundesstaat Kalifornien getroffen hatte.
Taiwans Verteidigungsministerium warnte im vergangenen Jahr in einem Bericht davor, dass die chinesische Armee „unsere Häfen, Flughäfen, Militäreinrichtungen sowie Kommunikationswege über See und Luft“ blockieren könne. Analysten zufolge müsste eine Blockade allerdings lange andauern, damit sie in Taiwan Wirkung zeigte. Zudem könnte eine Blockade der wichtigen Schifffahrtshandelsroute in der Straße von Taiwan Drittländer zu einer Intervention veranlassen.
Amphibische Anlandung
Sollte Chinas Staatschef Xi Jinping sein Versprechen einlösen, Taiwan mit Festland-China zu vereinen, müssten seine Truppen die Insel besetzen, argumentiert Ou. Um dies zu tun, müsste China eine „amphibische Offensive“ starten. Solche Einsätze sind jedoch komplex und schwierig und Taiwans bergige Landschaft, in Verbindung mit dem schwierigen Wetter des Monsuns, könnten abschreckend wirken.
Die Insel hat jedoch einige verwundbare Punkte: Kleine, sogenannte rote Strände, die sich am ehesten für eine groß angelegte militärische Anlandung eignen würden. Einer der nahe der Hauptstadt Taipeh gelegenen Strände liegt in der nördlichen Stadt Taoyuan, in der sich auch der größte internationale Flughafen Taiwans befindet.
Politische Druckmittel
Wie wahrscheinlich Amanda Hsiao, Analystin bei ICG, hält eine amphibische Offensive kurzfristig für wenig wahrscheinlich, weil das Risiko eines Scheiterns zu hoch wäre. Stattdessen geht sie davon aus, dass Peking seinen Druck auf Taiwan stetig weiter erhöhen wird.
Dafür gibt es laut Hsiao „täglich“ Hinweise, etwa durch häufigere und näherrückende militärische Aktivitäten, die Verstärkung von Narrativen, die für chinesische Interessen günstig sind, und die Instrumentalisierung des Handels in der Straße von Taiwan.
Cyberattacke
Taiwanische Regierungsvertreter fürchten außerdem einen groß angelegten chinesischen Cyberangriff, der wichtige Infrastruktur wie Kommunikation, Strom und das Bankwesen lahmlegen könnte.