Söder beerbt Seehofer und beschwört Neuanfang
Bayern Ministerpräsident neuer CSU-Chef – Der 52-Jährige will liberale und soziale Wurzeln stärken
Der neue CSU-Chef hat aus der Schlappe der letzten Landtagswahl gelernt – und verspricht einen moderaten Politikstil. Vorgänger Horst Seehofer verabschiedet sich nicht ohne eine letzte Stichelei.
München Eine kleine Stichelei muss am Ende doch noch sein. „Sie werden Ihr Gesicht nicht verlieren, wenn Sie eine Entscheidung revidieren“, zitiert Horst Seehofer aus seinem Tageshoroskop – und durch die Reihen der CSU in der Münchner Olympiahalle geht ein heftiges Raunen. Doch diesmal bleibt der 69-Jährige seiner Rücktrittsankündigung treu. Nach mehr als zehn Jahren, genau 3739 Tagen, legt er das Amt des CSU-Chefs in die Hände der Partei zurück.
Von einer Mischung aus Dankbarkeit und Erleichterung spricht Seehofer noch – und knapp zwei Stunden später ist an diesem Samstag der Machtwechsel dann vollzogen: Markus Söder sieht sich von den 799 Parteitagsdelegierten mit 87,42 Prozent zum neuen Vorsitzenden gewählt. „Kann sich noch entwickeln“, sagt der 52-Jährige für alle, die dieses Ergebnis als eher mager ansehen. Seehofer wiederum wird später – auf Söders Vorschlag – zum Ehrenvorsitzenden der CSU gekürt. „Mit einer bis drei Gegenstimmen“, wie das Tagungspräsidium feststellt. Und Söder frotzelt erleichtert, ein Ehrenvorsitzender könne laut Satzung nicht wieder für den regulären Vorsitz kandidieren.
In seiner Rede kündigte Söder nach den vergangenen schweren Wahlschlappen ein Jahr der Erneuerung und der Aufarbeitung an. Ein einladendes, kein ausgrenzendes Menschenbild soll seine CSU aus ihrer christlichen Prägung heraus vertreten. Ansprechen solle die Partei auch Neubürger mit Migrationshintergrund, „denn Bayer wird man nicht nur durch Geburt, sondern auch durch Einstellung und Überzeugung“. Neben der konservativen will Söder auch die liberale und die soziale Wurzel der CSU wieder stärker zur Geltung bringen; ausdrücklich griff Söder den letzten Wunsch Seehofers an seine Partei auf: „Vergesst mir die kleinen Leute nicht.“ Zuletzt hatte sich die CSU stärker auf die „Leistungsträger der Gesellschaft“ konzentrieren wollen.
Für einen Neuanfang verlangt Söder von seiner Partei den Willen zur Gemeinsamkeit. Man solle, regt er nach Jahren des Streits an, nur mehr gut übereinander reden. Und flankiert mit der rhetorischen Frage „Kann der Söder das?“, kündigt er an, in der CSU aus großartigen Solisten ein noch besseres Orchester formen zu wollen.
Scharf grenzt Söder die CSU von der AfD ab. Eine Lehre aus dem Wahljahr 2018 sei, dass es sinnlos sei, der AfD hinterherzulaufen und sie zu kopieren, sagt Söder. Der Kurs von Björn Höcke und dessen Gefolgsleuten führe in die Unsittlichkeit. Söder warnt auch vor einem Austritt Deutschlands aus der Europäischen Union, wie ihn die AfD neuerdings ins Spiel bringt: Das wäre, so Söder, ein Rückfall in ur-nationalistische Zeiten.
Diese Abgrenzung passt zu dem neuen, europafreundlichen Kurs, dem sich die CSU verschrieben hat. Grund ist an vorderster Front, dass der einheitliche Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei für die Europawahl, Manfred Weber, aus der CSU kommt. In der Partei sieht man ihn bereits als Chef der EU-Kommission.
Neu anfangen wollen auch die Schwesterparteien CSU und CDU in ihrem über die vergangenen Jahre von Streit geprägtem Verhältnis. Aus diesem Grund war die neue CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer zum Parteitag eingeladen worden – während man ihre Vorgängerin, Angela Merkel, über Jahre hinweg nicht mehr hatte sehen wollen. „Wenn wir es als Unionsparteien nicht schaffen, ein schwieriges Problem gemeinsam zu lösen“, erinnerte AKK an die Flüchtlingswellen 2015, „dann wird es von allen schlechter gelöst; dann hat keiner von uns was davon.“ Aufsehen erregte Kramp-Karrenbauer schon mit ihrer Begrüßung. Die CSU-Delegierten sprach sie als Mitglieder „unserer politischen Familie“ an mit: „Liebe Brüder und Schwestern!“ Der Applaus hielt sich in Grenzen. Während sowohl Söder als auch Seehofer und Manfred Weber stehend mit Ovationen gefeiert wurden, blieben bei AKK alle sitzen.
Bei der Landtagswahl im Oktober hatte die CSU mit 37,2 Prozent der Wählerstimmen und einem Verlust von 19,4 Punkten gegenüber 2013 ihr historisch schlechtestes Ergebnis eingefahren. Vorausgegangen war 2017 auch eine herbe Schlappe bei der Bundestagswahl.