Staatliche Bevormundung ist ihm ein Graus

Von Kornelius Fritz

Backnang. Jedes Jahr im Sommer hatte Lothar Buchfink seinen großen Auftritt. Dann durfte er als Vorsitzender des BdS-Gewerbevereins die Begrüßungsrede bei den Backnanger Wirtschaftsgesprächen halten. Unter den bis zu 900 Zuhörern war alles, was in der Stadt Rang und Namen hatte: vom Oberbürgermeister bis zu den örtlichen Abgeordneten in Bundes- und Landtag. Buchfink beließ es aber nicht bei höflichen Begrüßungsfloskeln. Nein, er nutzte das große Podium gerne für kritische Worte und Appelle an die Politik. Überbordende Bürokratie, realitätsferne Vorschriften, schleppende Verwaltungsprozesse – wenn dem Unternehmer etwas gegen den Strich ging, dann sprach er es deutlich an.

Lothar Buchfink ist schon sein ganzes Leben lang selbstständig. Bereits seine Eltern hatten an der Backnanger Plattenwaldallee eine Tankstelle, aus der dann später ein Autohaus wurde. Seit 1990 ist Lothar Buchfink in der Unternehmensleitung, seine Wohnung befindet sich im ersten Stock des Autohauses. Das hat ihn geprägt. „Ich bin jemand, der gerne selbst entscheiden will, was er möchte“, sagt er. Doch in Deutschland habe er immer häufiger das Gefühl, bevormundet zu werden.

Zum Beispiel in der Coronapandemie, als auch er mehrfach gezwungen wurde, sein Autohaus zu schließen. „Wenn ich meine Firma selbst gegen die Wand fahre, dann ist das meine Sache, aber was soll ich machen, wenn mir der Stecker gezogen wird?“, fragte sich Buchfink. Im zweiten Lockdown schrieb er deshalb sogar einen Protestbrief an den Ministerpräsidenten. Darin forderte er Winfried Kretschmann auf, „Möglichkeiten zu erarbeiten, wie wir eigenverantwortlich und in Selbstbestimmung auch weiterhin für unsere Mitarbeiter und unsere Gesellschaft vor Ort arbeiten können“.

Persönliches Netzwerk ersetzt Xing und LinkedIn

Über den Tellerrand des eigenen Unternehmens hinauszublicken, das war Lothar Buchfink schon immer wichtig: „Ich war mein Leben lang ehrenamtlich aktiv“, erzählt er. Früher vor allem in der evangelischen Kirche, wo er als junger Mann Kinderkirche und Jungschargruppen leitete und später Mitglied des Kirchengemeinderats an der Matthäuskirche war. Auch als Trompeter im Städtischen Blasorchester war er viele Jahre aktiv. Ab 1993 übernahm er dann im Gewerbeverein Verantwortung, seit 2004 war er dessen Vorsitzender. Er habe etwas zum Wohl der Stadt beitragen wollen, sagt der gebürtige Backnanger zu seiner Motivation. Dafür hat der Gewerbeverein auch immer wieder Geld locker gemacht, etwa für Spenden an den Tafelladen oder für die Anschaffung von Spielgeräten für die Fußgängerzone.

Den Austausch mit anderen Selbstständigen und Unternehmern aus Backnang hat der 66-Jährige als Bereicherung empfunden. Buchfink wundert sich deshalb, wenn manche Kollegen heutzutage lieber in Online-Netzwerken wie Xing oder LinkedIn Kontakte knüpfen, als die vorhandenen Netzwerke in ihrer eigenen Stadt zu nutzen. Wie eben den Gewerbeverein, den es in Backnang schon seit 1848 gibt.

Lothar Buchfink bevorzugt weiterhin den persönlichen Kontakt und hat in den knapp zwei Jahrzehnten an der Spitze des Gewerbevereins viel getan, um den Austausch zwischen den knapp 170 Vereinsmitgliedern zu fördern. So hat er zum Beispiel den Unternehmerstammtisch „BK-Treff“ ins Leben gerufen und verschiedene Informations- und Fortbildungsangebote organisiert. Auf großes Interesse stieß etwa eine Veranstaltung für Existenzgründer, die im Herbst 2017 im Universum-Kino stattfand.

„Nutzen des Vereins kann man nicht messen“

Im selben Jahr kam es zum Zusammenschluss mit dem Unternehmernetzwerk Bitz, wodurch die Mitgliederbasis noch einmal gestärkt wurde. Trotzdem gibt es in Backnang mit dem Stadtmarketingverein und dem Industrieverein noch zwei weitere Netzwerke für Selbstständige. Lothar Buchfink empfindet diese allerdings nicht als Konkurrenz, sondern eher als Ergänzung. Er selbst engagierte sich deshalb neben seinem Posten im Gewerbeverein auch im Vorstand des Stadtmarketings.

Nach 19 Jahren an der Spitze des BdS-Gewerbevereins zieht sich Lothar Buchfink nun aus der ersten Reihe zurück. Schließlich hatte er sich selbst für eine – allerdings unverbindliche – Klausel in der Satzung eingesetzt, wonach die Leitung des Vereins spätestens nach zehn Jahren wechseln soll. „Es braucht jetzt Leute mit einem neuen Blickwinkel“, findet der 66-Jährige und freut sich, dass mit Stefan Hopp ein junger und engagierter Nachfolger bereitsteht (siehe Infotext). Er selbst bleibt dem Gewerbeverein als Ausschussmitglied aber erhalten und will sich auch weiterhin einbringen, wenn er gebraucht wird.

Durch sein jahrzehntelanges Engagement hat Lothar Buchfink in Backnang viele Kontakte aufgebaut und dadurch natürlich auch das eine oder andere Auto verkauft. Doch das sei für ihn nie entscheidend gewesen, sagt er. „Den Nutzen eines solchen Vereins kann man nicht messen. Es geht dabei nicht um den persönlichen Vorteil, sondern darum, gemeinsam etwas zu erreichen.“ Denn er ist davon überzeugt, dass ein Verein, der 170 Unternehmen und Gewerbetreibende repräsentiert, auch in der Politik und bei der Stadtverwaltung Gehör findet – und das nicht nur einmal im Jahr bei den Wirtschaftsgesprächen.