Stadtrat ohne Streitlust
Im Januar hat er seinen 80. Geburtstag gefeiert, nun verlässt Ernst Kreß die kommunalpolitische Bühne. Ein Jahr nach der Kommunalwahl scheidet der CDU-Stadtrat aus dem Gemeinderat aus. OB Frank Nopper würdigte Kreß als „Mann des Ausgleichs“.
Von Kornelius Fritz
BACKNANG. Fußballlegende, Restaurantbesitzer, Straßenfestwirt, Kommunalpolitiker, Backnanger Urgestein – Ernst Kreß hat in der Stadt, die für ihn als Kriegsflüchtling mit 13 Jahren zur neuen Heimat wurde, schon viele Rollen gespielt. Er kennt halb Backnang und fast jeder kennt ihn. Seine Popularität hat ihm und der CDU bei Kommunalwahlen immer reichlich Stimmen beschert. So auch im vergangenen Jahr, als Kreß, obwohl auf dem letzten Listenplatz angetreten, wieder mehr als 5000 Stimmen bekam und zum fünften Mal in den Gemeinderat einzog.
Jetzt, nur ein Jahr später, hat der 80-Jährige allerdings genug von der Kommunalpolitik. „Ich will diesen Stress nicht mehr“, sagt er. Jede Woche mehrere Sitzungen, dazu die Zeit für Vor- und Nachbereitung, das werde ihm nun doch zu viel. „Es ist der richtige Zeitpunkt, um aufzuhören“, findet Kreß. Zumal mit der Waldremser Ortsvorsteherin Regina Konrad, die bei der Wahl nur 28 Stimmen weniger bekommen hatte als er, eine kompetente Nachfolgerin parat stehe.
Der Vermutung, dass der Abgang schon länger geplant war und er 2019 nur noch als „Stimmenfänger“ angetreten sei, widerspricht Kreß allerdings. „Damals habe ich mich noch nicht mit dem Gedanken ans Aufhören getragen“, versichert er. Erst als der Gemeinderat zuletzt wegen Corona länger pausierte, habe er festgestellt, dass er die Kommunalpolitik nicht mehr vermisse. Nach 21 Jahren als Stadtrat gehe er deshalb mit einem guten Gefühl.
„Ich möchte jedem in die Augen schauen können.“
Ernst Kreß war schon fast 60, als er zum ersten Mal für den Gemeinderat kandidierte. Als Inhaber der Gaststätte Scholpp hätte er für ein solches Ehrenamt davor gar keine Zeit gehabt. Erst nachdem sein Sohn das Lokal übernommen hatte, kandidierte Kreß auf der CDU-Liste und wurde auf Anhieb gewählt. Im Gemeinderat hat er zwar nie zu den großen Wortführern gehört, aber er ist einer, der immer da ist, wenn jemand gebraucht wird, der anpackt. So fährt er seit vielen Jahren immer im November in die Partnerstadt Annonay, um dort auf dem Schlemmermarkt „Les Gourmandises d’Ardèche“ den Franzosen schwäbische Schupfnudeln und Glühwein zu servieren – und das, obwohl er selbst gar kein Französisch spricht. Auch im Kreisverband der Dehoga, im Seniorencafé und im Kirchbauverein der Stiftskirche ist er aktiv.
Die Zeit im Gemeinderat bleibt Ernst Kreß in guter Erinnerung. „Wir haben vieles bewegt miteinander“, sagt er und denkt dabei etwa an den Bau des Schwimmbads oder an den neuen Annonaygarten. Kreß gehört zu den Menschen, die den Konsens suchen und nicht den Streit: „Ich finde, jeder soll seine Meinung haben, aber dann muss man miteinander einen Weg finden.“ Schließlich gehe es im Gemeinderat um die Zukunft der Stadt und damit um die der eigenen Kinder und Enkel. Ihm sei es immer wichtig gewesen, dass man sich gegenseitig in die Augen schauen könne – auch dem politischen Gegner: „Hintenrum mag ich gar nicht.“
Diese Einstellung dürfte ein Grund dafür sein, warum Ernst Kreß auch bei den Stadträten der anderen Fraktionen immer sehr beliebt war. Bei seiner Verabschiedung feierten sie ihn am Donnerstagabend mit stehenden Ovationen. OB Frank Nopper bezeichnete Kreß in seiner Abschiedsrede als „Mann des Ausgleichs und der Harmonie“. Er lasse ihn „nur höchst ungern und mit großer Wehmut ziehen“. Und natürlich erinnerte Nopper auch noch einmal an Kreß’ ruhmreiche Fußballkarriere. Seit seiner Flanke, mit der er 1967 das entscheidende Tor der TSG Backnang zum Aufstieg in die Regionalliga vorbereitete, genießt der ehemalige Torjäger bei den „Roten“ Legendenstatus. Als Abschiedsgeschenk überreichte Nopper dem CDU-Stadtrat ein eigens für ihn angefertigtes Backnanger Ruhekissen, „auf dass er zukünftig auch im Schlaf oder vielleicht sogar im Traum an uns denkt“.