Stalker schickt Dildos an den Arbeitsplatz
Ein 45-Jähriger muss eine Geldstrafe von 11200 Euro bezahlen, weil er einer Internetbekanntschaft jahrelang nachgestellt hat.

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Vor Gericht war der Stalker plötzlich relativ wortkark. Symbolfoto: BilderBox/Erwin Wodicka
Von Heike Rommel
Rems-Murr. Per Einspruch ist ein 45-jähriger Mann gegen einen Strafbefehl vor das Ludwigsburger Amtsgericht gezogen. Dort machte er dann allerdings wieder einen Rückzieher. Denn hätte er seine Geldstrafe von 140 Tagessätzen zu jeweils 80 Euro für den Straftatbestand der Nachstellung nicht geschluckt, so wäre die Strafe wohl noch höher ausgefallen. Die Vorsitzende Richterin hatte während der Verhandlung klargemacht: So etwas, wie einer Frau, die keine Beziehung mit ihm wollte, einen goldenen Dildo an die Fellbacher Arbeitsstelle zu schicken, geht gar nicht. Die Geschädigte ist sogar in ein anderes Bundesland gezogen, weil sie die Belästigungen und Bedrohungen nicht mehr aushielt.
Der 45-jährige Gerlinger hatte die 36-jährige Frau aus dem Rems-Murr-Kreis im Jahr 2014 über das Portal friendscout24 kennengelernt. Es entstand eine Freundschaft mit Unternehmungen und auch Reisen an den Bodensee oder an den Comer See. Die damals in Fellbach beschäftigte Praxismanagerin hatte jedoch von Anfang an klargemacht, dass sie keine Beziehung mit dem Gerlinger wolle. Sie sammelte fünf Jahre lang alles, was ihr der Mann geschrieben hat. Als er ein Paket mit einem goldenen Dildo in die Fellbacher Arztpraxis bringen ließ, war sie glücklicherweise schon nicht mehr dort und hatte sich eine andere Arbeitsstelle in Bayern gesucht. Das Paket nach Fellbach war an die Praxis adressiert und die ehemaligen Kollegen bekamen alles mit. Im Päckchen enthalten war eine Karte mit der Aufschrift: „Stell mal auf Power, dein platonischer Liebhaber.“
„Lass mich in Ruhe“: Das hatte die Frau auf unzählige WhatsApp-Nachrichten und E-Mails öfter geschrieben, aber nichts damit erreicht. Der Mann machte immer weiter, auch an ihren neuen Wohnort und an ihre neue Arbeitsstelle in Bayern schickte er Nichterwünschtes. Selbst als die Frau ihm mitteilte, dass sie an eine Strafanzeige denke, schrieb er, „melde dich doch gleich mit Polizei Waiblingen“.
Nach Bayern kamen Nachrichten des Angeklagten, er wisse von der Schwangerschaft der Frau, fordere einen Vaterschaftstest und bestehe auf das Recht, sein Kind zu sehen. Da lebte die Frau, die glaubhaft versicherte, keinen Geschlechtsverkehr mit dem Angeklagten gehabt zu haben, längst mit dem Kindsvater zusammen. „Ich hatte solche Angst, dass ich mein Kind ambulant entbunden habe, und bin nach der Geburt sofort wieder nach Hause“, sagte die Geschädigte im Zeugenstand. Sie leide wegen des Stalkers schon jahrelang unter Angstzuständen und Schlafstörungen, was sich bis heute nicht geändert habe.
Auch die mahnenden Worte des eigenen Bruders fruchten nicht
Die Beweislage war schon von der dicken Gerichtsakte her erdrückend und die Vorsitzende Richterin Anne Bollacher riet dem Mann dringend, seinen Einspruch gegen den Strafbefehl zurückzunehmen. Andernfalls müsse sie am Einkommen des Angeklagten gemessen schon alleine die Tagessatzhöhe auf das Doppelte heraufsetzen. Staatsanwalt Andreas Henrich dachte sogar an eine Freiheitsstrafe.
Bestreiten konnte der Angeklagte die Tatvorwürfe schlecht. Sprechen ließ er seinen Rechtsanwalt, der anführte, sein Mandant sei eben in die Frau verliebt gewesen. Nachdem sogar der Bruder des Angeklagten, dessen mahnende Worte, die Nachstellungen zu unterlassen, nicht erhört wurden, dem Opfer geraten hatte, zur Polizei zu gehen, wurden die Handys und der Computer des Angeklagten in seiner damaligen Gerlinger Wohnung beschlagnahmt. Mittlerweile ist er nach Schramberg verzogen und auch von dort kamen noch verbale Angriffe auf die Frau, die seine angebliche Liebe verschmäht und daran auch keinen Zweifel gelassen hatte.
Bereits am 15. November 2019 hatte der Angeklagte dem Rechtsanwalt der Geschädigten versichert, er würde sie in Ruhe lassen. Am 13. April 2021 kam jedoch wieder ein Paket an die neue Arbeitsstelle der Praxismanagerin in Bayern. „Als unten Heu rausfiel“, sagte sie als Zeugin und Geschädigte vor Gericht, „wusste ich schon, was drin ist, und habe es gleich zur Polizei nach Gerlingen geschickt: ein Dildo.“
Die Vorsitzende Richterin Anne Bollacher sprach deutliche Worte zu dem vor Gericht relativ wortkargen Stalker. Es sei ganz egal, ob gemeinsame Reisen unternommen wurden oder ob es beziehungsähnliche Annäherungen gegeben habe: Wenn eine Frau sage, sie wünsche keinen Kontakt, habe das der Mann zu akzeptieren.