Steg am Backnanger Bahnhof wird viel teuer

Innerhalb von drei Jahren hat die Stadt Backnang die Kostenschätzung von 4,5 auf 7,6 Millionen Euro angehoben. Ob das reichen wird, ist noch ungewiss. Die Stadt macht auch die Deutsche Bahn für die Kostenexplosion verantwortlich.

Komplizierte Baustelle bei laufendem Zugverkehr: Neben dem alten Fußgängersteg werden zurzeit die Fundamente für die neue Stadtbrücke vorbereitet. Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Komplizierte Baustelle bei laufendem Zugverkehr: Neben dem alten Fußgängersteg werden zurzeit die Fundamente für die neue Stadtbrücke vorbereitet. Foto: Alexander Becher

Von Kornelius Fritz

Backnang. Im Januar haben am Backnanger Bahnhof die Bauarbeiten für eine neue Fußgängerbrücke begonnen. Zurzeit sind die Arbeiter damit beschäftigt, die Fundamente für die Brückenpfeiler vorzubereiten, auf die dann im Herbst der neue Steg aus Stahlbeton gesetzt wird. Ab Ende des Jahres soll die sogenannte Stadtbrücke die Innenstadt mit der Maubacher Höhe verbinden, der alte Steg aus den 1960er-Jahren wird dann abgerissen.

Doch das Projekt lief von Anfang an nicht so, wie es sich die Verantwortlichen in Backnang vorgestellt hatten. So wurde bereits vor einem Jahr bekannt, dass es mit dem barrierefreien Bahnhof vorerst nichts wird. Denn von den vier geplanten Aufzügen werden zunächst nur zwei gebaut. Die beiden mittleren, die zu den Bahnsteigen führen, fallen nämlich in die Zuständigkeit der Deutschen Bahn. Und die hat bereits angekündigt, dass sie die Aufzüge erst im Rahmen ihres Bahnhofsmodernisierungsprogramms in den Jahren 2025 und 2026 realisieren will – trotz aller Proteste und Appelle aus dem Backnanger Rathaus.

„Die Baustelle stellt sich als extrem schwierig heraus“

Auch sonst läuft die Zusammenarbeit nicht rund. „Die Baustelle stellt sich als extrem schwierig heraus“, sagt Baubürgermeister Stefan Setzer. Die Stadtverwaltung macht dafür vor allem die Deutsche Bahn verantwortlich. Die Abstimmung mit dem Staatskonzern und seinen zahlreichen Tochterunternehmen sei sehr komplex und man werde immer wieder „von spontanen Entscheidungen überrascht“, berichtet Setzer. So habe die Bahn zum Beispiel Ende vergangenen Jahres die genehmigten Sperrpausen, in denen der Bahnverkehr ruht, kurzfristig von fünf auf drei Stunden pro Nacht gekürzt. Und das, obwohl die Stadt diese bereits vor zwei Jahren angemeldet hatte. Die Bahn begründet die Verkürzung mit zusätzlichen Zügen, die über die Murrbahnstrecke umgeleitet werden müssen. „Die Alternative wären Zugausfälle gewesen“, erklärt eine Bahnsprecherin.

Um die Brücke trotzdem im geplanten Zeitrahmen bauen zu können, müssen die beauftragten Firmen laut Setzer nun zusätzliches Personal einsetzen. Mehrkosten von rund 200.000 Euro seien die Folge.

Spezialfirmen können fast jeden Preis verlangen

Doch das ist nicht der einzige Grund, warum das Projekt immer teurer wird. Ein Problem ist auch, dass die Bahn nur wenigen spezialisierten Firmen überhaupt erlaubt, in Gleisnähe zu bauen. Und die sind momentan fast alle durch das Großprojekt Stuttgart 21 gebunden. Wenn sie überhaupt einen Auftrag in Backnang annehmen, lassen sie sich dafür fürstlich entlohnen. Die Stadt muss im Grunde jeden geforderten Preis zahlen, denn die Zahl der Angebote ist laut Setzer „sehr übersichtlich“. Hinzu kommen teure Nebenleistungen, etwa für Sicherheitsposten und Bauüberwachung. Weil überdies auch die Rohstoffkosten, etwa für Stahl, massiv gestiegen sind, wird das Brückenprojekt von Jahr zu Jahr teurer.

War beim Baubeschluss im Juli 2020 noch von voraussichtlichen Kosten von 4,5 Millionen Euro die Rede, waren es im Herbst 2022 schon 5,1 Millionen, mittlerweile ist man bei 7,6 Millionen angekommen. Rund zwei Millionen werden als Zuschuss vom Land erwartet. Doch das ist wohl noch nicht das Ende der Fahnenstange. Als Stefan Setzer zuletzt mal wieder im Gemeinderat vorstellig wurde, um sich eine Budgetüberschreitung um 432.000 Euro genehmigen zu lassen, warnte er die Stadträte schon mal vor: „Dies wird nicht mein letzter Gang zu Ihnen sein.“

Stadt will rechtliche Schritte gegen Projektpartner prüfen

Die Deutsche Bahn will sich den Schwarzen Peter allerdings nicht zuschieben lassen. „Die Kostensteigerungen bei dem Projekt in Backnang sind mitnichten auf die Verkürzung der Sperrpausen zurückzuführen“, erklärt eine Konzernsprecherin auf Anfrage. Vielmehr handle es sich um die allgemeine Preisentwicklung in der Baubranche, mit der die Bahn auch auf ihren eigenen Baustellen zu kämpfen habe. Auch im Gemeinderat gibt es Zweifel, ob die Bahn wirklich die Hauptschuldige ist: „Sicher sind auch Fehler beim Planungsbüro passiert“, vermutet CDU-Stadtrat Rolf Hettich. Stefan Setzer widerspricht nicht: „Auch da lief nicht alles fehlerfrei.“ Insgesamt seien 15 verschiedene Firmen und Partner an dem Projekt beteiligt. Das mache Kommunikation und Abstimmung kompliziert.

Doch nun gibt es kein Zurück mehr. Die Bauarbeiten am Bahnhof laufen und die Brücke muss bis Jahresende fertig werden. Gelingt das nicht, würde eine erneute Sperrpause wohl nicht vor 2028 genehmigt. Oberste Priorität hat für Stefan Setzer deshalb, das Projekt planmäßig abzuschließen. „Im Moment gehe ich davon aus, dass wir das hinbekommen.“

Anschließend könne man sich dann Gedanken darüber machen, ob man für Mehrkosten, die die Stadt nicht zu vertreten habe, Ansprüche gegen Dritte geltend machen könne. Dies fordert auch SPD-Stadtrat Armin Dobler: „Wir müssen die Bahn auf jeden Fall verklagen.“ Das Projekt selbst stellen aber weder der Erste Bürgermeister noch der Gemeinderat infrage. „Die Stadtbrücke ist ein wichtiges Projekt für die Barrierefreiheit“, betont Stefan Setzer, und es sei auch richtig, sie jetzt zu bauen. Denn, so seine Vermutung, in ein paar Jahren würde es bestimmt nicht billiger werden.

Anmerkung der Redaktion: In der ersten Version dieses Artikels war von einer Verdreifachung der Kosten die Rede. Diese Aussage bezog sich jedoch auf eine falsche Zahl aus dem Jahr 2020. Diese wurde im Artikel inzwischen nachträglich korrigiert.

Kommentar
Nicht nur die Bahn hat Fehler gemacht

Von Kornelius Fritz

Auf die Deutsche Bahn zu schimpfen, ist eine Art Volkssport. Der staatseigene Großkonzern bietet ja auch genügend Anlass für berechtigte Kritik, etwa wegen unpünktlicher Züge oder maroder Infrastruktur. In den Chor der Kritiker stimmen auch die Backnanger Stadtverwaltung und der Gemeinderat gerne ein, wenn es um die Kostenexplosion beim Bau des neuen Stegs am Bahnhof geht. Die Deutsche Bahn ist schuld, da sind sich alle schnell einig.

Doch damit machen es sich die Verantwortlichen zu einfach. Denn dass eine Baustelle, die bei laufendem Zugverkehr über Bahngleise führt, kompliziert wird, hätte man vorher wissen können. Dass die Spezialfirmen, die solche Arbeiten ausführen können, durch Stuttgart 21 bereits stark ausgelastet sind, ebenso.

Wenn die Verantwortlichen im Rathaus davon überrascht wurden, dann haben sie sich vorher nicht ausreichend informiert und sind blauäugig in das Projekt gestartet. Als Fehler hat sich auch die Entscheidung des Gemeinderats herausgestellt, die bereits fertige Planung für eine Holzbrücke vor drei Jahren noch einmal über den Haufen zu werfen. Ziel war es damals, Kosten zu sparen – das Gegenteil ist eingetreten.

Klar, hinterher ist man immer klüger, allerdings sollte man die Fehler dann nicht nur bei anderen suchen.

k.fritz@bkz.de

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Erstellt:
28. Juni 2023, 06:00 Uhr
Aktualisiert:
30. Juni 2023, 08:21 Uhr

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