Steuern auf Kuchen vom Schulhof?

Empörung löste in Baden-Württemberg kürzlich die Annahme aus, dass zukünftig auch der Verkauf von Kuchen in Schulen besteuert werden müsse. Die Stadt Backnang handelte schnell genug, um die Schulleitungen umfassend zu informieren: Die Kuchensteuer wird nicht fällig sein.

Auch diese Woche wehte durch die Säulenhalle der Mörike Gemeinschaftsschule in Backnang der Duft von Kuchen: Die Klasse 4b bot dort leckeres Gebäck feil, die Lehrerin Susanne Conrad half beim Anschneiden. Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Auch diese Woche wehte durch die Säulenhalle der Mörike Gemeinschaftsschule in Backnang der Duft von Kuchen: Die Klasse 4b bot dort leckeres Gebäck feil, die Lehrerin Susanne Conrad half beim Anschneiden. Foto: Alexander Becher

Von Anja La Roche

Backnang. Es sollen doch nicht tatsächlich Steuern auf den Verkauf von Kuchen in Schulen erhoben werden? Einige Menschen regten sich angesichts dieser in den Medien übermittelten Prognose tierisch auf. Immerhin ist der Verkauf von Kuchen, den die Eltern ihren Kindern liebevoll backen und mitgeben, dem guten Zweck gewidmet, etwas Geld in die Klassenkasse zu spülen. Klassenfahrten, Schullandheime oder Spendenaktionen werden mit dem Erlös beispielsweise finanziert. Zur Annahme einer Kuchensteuer in Schulen und Kitas führte allerdings lediglich eine überspitzte Auslegung des neuen Umsatzsteuergesetzes der Europäischen Union, das ab 2023 gelten soll. Laut diesem müssen zukünftig auch staatliche Institutionen ihre Dienstleistungen versteuern. Viele Medien berichteten daher von besorgten Eltern und Schulen, die um die kleinen, aber wichtigen Erlöse an den Schulen fürchteten. Der Landtagsabgeordnete Ralf Nentwich, der auch im Bildungsausschuss sitzt, wandte sich ebenfalls an unsere Zeitung. Es gebe eine „große Verunsicherung“ an den Schulen. „Wir dürfen hier nicht päpstlicher als der Papst bei der Auslegung der Richtlinie sein und müssen eine pragmatische Lösung finden.“ Mögliche Lösungen sieht er in Fördervereinen und Schülerfirmen.

Die EU-Kommission beschwichtigt

die besorgten Baden-Württemberger

Eine genaue Auslegung des neuen EU-Rechts will die Landesregierung demnächst finden. Die Aufregung um eine mögliche Kuchensteuer stellte sich indes eher als unnötig heraus. Denn insofern die Schulen mit ihrem Kuchen nicht konkurrierend auf dem Markt auftreten ist eine Umsatzsteuer von der EU gar nicht vorgesehen. „Wenn eine Landesregierung so etwas macht, ergibt sich das nicht aus den ursprünglich auf EU-Ebene beschlossenen Regeln, sondern aus der strengen Umsetzung einer EU-Richtlinie in Deutschland“, teilt ein Vertreter der EU-Kommission mit. Was sich hingegen verändern soll ist, dass auch staatliche Institutionen zukünftig ihre Umsätze versteuern müssen. Dadurch sollen durch den Staat erbrachte Leistungen, wie zum Beispiel die Friedhofspflege, keinen Vorteil gegenüber privaten Dienstleistern mehr haben. Ziel der neuen EU-Richtlinie ist es, den Wettbewerb auf dem Markt dadurch fairer zu gestalten. So könnte vielleicht doch der private Friedhofsgärtner den Auftrag erhalten statt die Kommune.

Doch bis an die Schulen in Backnang schwappte die Sorge vor steuerpflichtigem Kuchen auf dem Pausenhof sowieso nicht. „Bei den Elternbeiräten ist diese Problematik noch gar nicht angekommen“, so Torsten Früh, der Vorsitzende des Gesamtelternbeirats in Backnang. Umso besser, denn so konnten sich die Eltern vermutlich einiges an Aufregung ersparen. „Ich sehe das sehr entspannt“, sagt Torsten Früh über die neue Umsatzsteuer an Schulen.

An den Schulen in Backnang ist die neue Regelung bereits thematisiert worden. „Kuchenverkauf innerhalb der Schule ist weiterhin unproblematisch“, weiß Karin Moll, Leiterin der Mörike Gemeinschaftsschule in Backnang. Die Stadt habe das schulische Personal bereits auf die neue Richtlinie aufmerksam gemacht und sie umfassend informiert. „Die Stadt hat uns gut unterstützt“, lobt Karin Moll. Das sei sehr hilfreich gewesen. Denn sie müssen nun einmal aufpassen, dass jegliche Schulprojekte mit finanziellem Ertrag rechtens sind. Da die baden-württembergische Landesregierung mit den entsprechenden Regelungen noch auf sich warten lässt, dient der Stadt hier provisorisch die bereits ausformulierte Regelung aus Bayern (siehe Infobox).

Für Grundschulen ist die

Versteuerung kein Thema

Auch die Grundschulleiterin der Schillerschule in Backnang berichtet, dass die Richtlinie ihre Schule kaum betreffen wird. „Für uns ist das kein Thema“, so Simone Otterbach. „Das ist eher bedeutsam für weiterführende Schulen mit Schulfirmen“, vermutet sie. Die Zuarbeit der städtischen Angestellten in der Angelegenheit lobt sie ebenfalls. „Die Stadt hat uns angeboten, bei der Kämmerei nachzufragen.“

Einen Freudensprung bei den Schuldirektoren verursacht das neue Umsatzsteuergesetz dennoch nicht. Nach den Coronaregelungen müssen sie sich nun einem Exkurs ins Steuerrecht hingeben – damit auch zukünftig kein Kuchen illegal verkauft wird. „Natürlich beschäftigt uns die Umsatzsteuer zusätzlich, wir müssen uns ja mit den Auswirkungen befassen. Es ist ein weiterer bürokratischer Mehraufwand“, sagt etwa Sonja Conrad, Leiterin des Max-Born-Gymnasiums in Backnang. Torsten Früh vom Gesamtelternbeirat blickt zuversichtlich auf eine baldige Lösung seitens der Landesregierung. Eine Regierungssprecherin teilte bereits mit, dass die Frage der Schulfeste „regierungsintern noch in Abstimmung“ sei. Man wolle zu einer „praktikablen, bürokratiearmen und rechtssicheren Lösung“ kommen und Ausnahmeregelungen prüfen.

Denn die Hauptsache für alle ist, dass die Kinder weiterhin leckeren Kuchen verkaufen können. „Das ist finanziell extrem wichtig“, sagt Torsten Früh. „Außerdem stärkt es den Klassenzusammenhalt und die Kinder können sich im Wirtschaften üben.“

In Bayern stehen die Regeln fest

Elternbeirat Sollte der Elternbeirat Erlöse erzielen, sind diese zu versteuern. Denn es handelt sich um ein unselbstständiges Organ des Trägers. Betroffen sind allerdings nur Erlöse einer nachhaltigen Tätigkeit. Ausschlaggebend dafür sind unter anderem die Beteiligung am Markt und das Auftreten der Elternbeiräte als Händler.

Schulfirma/-projekt Die Einnahmen sind ebenfalls dem Träger zuzurechnen und zu versteuern. Allerdings nur, wenn es mehr als 22 000 Euro im Jahr sind, denn dann greift die Kleinstunternehmerregelung.

Schülerfirma Bei einem solchen Zusammenschluss der Schüler handelt es sich um eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts und somit um ein eigenständiges Unternehmen. Die Umsatzsteuer wird nicht erhoben.

Förderverein Als eigenständiges Unternehmen kann der Förderverein einer Schule ebenfalls Einnahmen generieren, ohne diese zu versteuern. Im Zweifelsfall kann demnach dann der Förderverein den Kuchen verkaufen.

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Erstellt:
30. Mai 2022, 11:30 Uhr

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