Störche meiden den Rems-Murr-Kreis
Bedingungen für Ansiedlung sind nicht ideal: Zu viele Wälder, zu wenig Wiesen – Weißstorch ist wählerisch

© Jörg Fiedler
Von Silke Latzel
WAIBLINGEN. Die Weißstorchpopulation im Südwesten steigt, immer mehr Störche lassen sich nieder und sorgen für Nachwuchs. Im Rems-Murr-Kreis allerdings sieht man Adebar nach wie vor nicht oft. Und das hat auch bestimmte Gründe, wissen Claus-Peter Hutter, Leiter der Umweltakademie Baden-Württemberg, und Joachim Spindler vom Nabu Auenwald. Hutter kennt sich gut mit dem Thema Störche aus: „Früher gab es im Rems-Murr-Kreis auf fast jedem Kirchturm ein Nest mit Störchen. Das grundlegende Problem ist einfach, dass der Weißstorch vor 20 Jahren fast ausgerottet war, nicht nur hier in der Umgebung, sondern überall in Deutschland. Der Bestand hat sich jetzt langsam erholt und stabilisiert, wir haben in Baden-Württemberg so viele Storchenpaare wie schon sehr lange nicht mehr.“
Nur Schwarzstörche fühlen sich
im Rems-Murr-Kreis wohl
Für eine Ansiedelung, ob natürlich oder mithilfe der Menschen, seien die Bedingungen rund um Backnang und Umgebung allerdings nicht ideal, so Hutter. „Der Weißstorch mag Wiesen und offene Feuchtgebiete. All das hat der Rems-Murr-Kreis nur wenig zu bieten. Wald und bewirtschaftete Äcker dominieren hier die Landschaft – und die gefällt dem Weißstorch ganz einfach nicht.“ Auch die hohe Besiedlungsdichte und der Ausbau der Gewerbegebiete im Unteren Remstal tragen nicht zur Erhaltung des Lebensraumes bei. „Die Schutzbasis für die Störche fehlt hier einfach.“ Zwar biete beispielsweise der Naturpark Schwäbisch-Fränkischer Wald vielen Tieren ein schönes Zuhause, für den Weißstorch allerdings nicht. „Das Gebiet ist zu hügelig, die Täler zu lang. In einer solchen Umgebung fühlen sich nur Schwarzstörche wohl“, sagt Hutter.
Das bestätigt auch Joachim Spindler vom Nabu Auenwald: „Im Bereich von Spiegelberg bis Sulzbach-Bartenbach werden regelmäßig Schwarzstörche gesichtet. Ziemlich sicher ist, dass die Tiere auch dort in der Nähe brüten. Weil sie aber sehr scheu sind und sich überwiegend in Waldgebieten aufhalten, sind sie nur schwer auszumachen und auch die Horste sind nur sehr schwer zu entdecken. Trotzdem kann man sagen, dass die Schwarzstörche sich bei uns sehr wohlzufühlen scheinen.“
Claus-Peter Hutter möchte nicht ausschließen, dass sich irgendwann einmal wieder Weißstörche im Rems-Murr-Kreis ansiedeln werden. „Nimmt die Population weiterhin so zu wie in den vergangenen Jahren, werden die Jungstörche sich irgendwann weiter ausbreiten müssen und dabei eventuell auch in Gebiete vorstoßen, die sie seither gemieden haben. Denn ein Storchenpaar braucht etwa 100 Hektar Land, um dort gut zu leben und genug zu fressen zu finden.“ Nicht nur Frösche und Schlangen gehören zu Adebars Leibspeisen, sondern auch Mäuse und Maulwürfe. Doch diese leben hauptsächlich auf geschlossenen, großflächigen Wiesenbereichen – und die werden immer weniger. Hutter erinnert sich, dass es früher immer Störche in Backnang, Auenwald und in Weissach im Tal gegeben hat. Und genau dorthin könnten Störche seiner Meinung nach auch eines Tages wieder zurückfinden. „Nimmt der Lebensraum ab und die ,Wohnungsnot‘ wird größer, wird auch der Storch weniger wählerisch und kommt vielleicht zurück“, so der Leiter der Umweltakademie. „Spannend ist langfristig auch die Umgebung rund um Ebni, dort gibt es im Wald eher mal Lichtungen, das könnte ganz nach dem Geschmack der Weißstörche sein.“
Beim Durchzug durch den Rems-Murr-Kreis lassen sich die Störche schon seit Jahren beobachten, berichtet Joachim Spindler vom Nabu. Auch unser Foto von Jörg Fiedler zeigt einen Storch, der im Jahr 2014 über zwei Stunden Rast auf der evangelischen Jakobuskirche Oppenweiler machte, bevor er weiter nach Südwesten flog. Auch in Auenwald, Weissach und Heiningen gibt es immer wieder Storchsichtungen, erzählt Spindler: „Unsere Mitglieder haben gesehen, wie sie einzeln oder in Gruppen auf Wiesen landeten.“
Spindler berichtet von konkreten Bemühungen, den Storch hier wieder anzusiedeln: „Im Jahr 2012 haben wir Storchennester gebaut und aufgestellt. Dabei kam uns der Umstand zugute, dass die Süwag die Hochspannungstrasse in Unterbrüden außer Betrieb nahm und die dazugehörigen Masten abbauen wollte. Auf Initiative unseres Vogelwarts, Jochen Schieber, der auch die Nester baute, überließ uns die Süwag drei Masten, damit wir dort Nester montieren konnten.“ Doch obwohl sich die Nester laut Spindler in bester Lage befinden – auf einer Wiese mit feuchten Abschnitten und angeschlossenem Bachlauf –, haben sich dort noch keine ernsthaften Bewohner niedergelassen. Spindler und der Nabu Auenwald geben die Hoffnung aber nicht auf, dass die Störche irgendwann wieder zurück nach Backnang und Umgebung finden.