Straßenfest fällt wieder Corona zum Opfer
Aufgrund der Pandemie sprechen sich Fraktionsvorsitzende des Backnanger Gemeinderats für die erneute Absage des Fests zum 50-Jahr-Jubiläum aus. Bürger, Vereine und Wirte sollen sich frühzeitig auf den Ausfall einstellen können.

© Edgar Layher
Ein Bild aus vergangenen Zeiten: Solche Verhältnisse wie etwa 2011 wünschen sich die Backnanger beim Straßenfest. Doch davon sind wir angesichts der Coronapandemie noch meilenweit entfernt. Deshalb lautet das einhellige Votum der Backnanger Fraktionsvorsitzenden: Verschieben! Foto: E. Layher
Von Matthias Nothstein
BACKNANG. Das Jubiläums-Straßenfest, mit dem die 50. Auflage gefeiert werden sollte, scheint unter keinem guten Stern zu stehen. Eigentlich hätte es im Jahr 2020 mit großem Pomp über die Bühne gehen sollen. Die Verantwortlichen hatten schon mit riesigem Vorlauf die Planungen in Angriff genommen, um einen möglichst reibungslosen Ablauf und eine tolle Veranstaltung gewährleisten zu können. Dann kam Corona. Die Pandemie legte die gesamte Veranstaltungsbranche auf Eis. Im Frühjahr 2020 stand fest, das Fest muss ausfallen.
Die Planung damals sah vor, es im Juni dieses Jahres so richtig krachen zu lassen. Doch die Monate gingen ins Land, und Corona blieb. Nun scheint festzustehen, dass das Fest auch in diesem Jahr nicht stattfinden kann. Dieser Tage erst gaben die Fraktionsvorsitzenden im Ältestenrat die Richtung vor: Aufgrund der derzeitigen Coronalage scheint es utopisch, im Juni ein großes Fest zu feiern. Die offizielle Absage wird vermutlich am nächsten Donnerstag im Gemeinderat beschlossen werden.
Bei der Absage im Vorjahr wurde bereits deutlich, wie heikel das Thema ist. Denn obwohl es vor Jahresfrist recht schnell und am Ende auch eindeutig klar war, dass das Jubiläumsfest nicht wie geplant stattfinden könne, hatten sich die Veranstalter bis zuletzt gegen die Absage gesträubt. Erst wurde die Entscheidung mehrfach hinausgeschoben. Dann wurde über eine Verschiebung des Fests in den September nachgedacht. Und erst als die Zeit weiter davonlief, kam die endgültige Absage für das erste Pandemiejahr 2020.
Die Hartnäckigkeit, mit der die Absage hinausgezögert wurde, mag neben vielen anderen Aspekten auch damit zu tun gehabt haben, dass schon im Sommer 2020 die Möglichkeit im Raum stand, dass die Straßenfest-Ikone Frank Nopper möglicherweise im Jahr 2021 nicht mehr als regierendes Stadtoberhaupt zur Verfügung stehen könnte. Was sich inzwischen ja auch bewahrheitet hat.
Jürgen M. Häfner war viele Jahre lang der Motor des Fests.
Dann kam im Dezember die traurige Nachricht, dass Jürgen M. Häfner gestorben ist. Der Eventmanager, dessen Name sogar noch länger als der Noppers untrennbar mit dem Fest verbunden war. Der über Jahre hinweg der Motor der Veranstaltung war und der Stadt in vielerlei Hinsicht den Rücken freigehalten hat.
Als würde all dies nicht reichen, schwappt derzeit die zweite Coronawelle durch Deutschland, von der keiner weiß, ob der Scheitelpunkt schon erreicht ist. Gleichzeitig drängt die Zeit. Würde das 50. Straßenfest in diesem Jahr steigen, so wäre der Anspruch ans Jubiläumsfest unverändert hoch. Und damit bestünde wieder ein großer Bedarf an Planung. Die Zeit dafür ist eigentlich heute schon zu knapp. Der Vorlauf ist unter anderem deshalb wichtig, weil zum Jubiläumsfest besondere Highlights erwartet werden. Künstler etwa, die prominenter sind als die üblichen Bands, die engagiert wurden. Oder Programmpunkte, die es noch nie gab. Für all diese Überlegungen müssen Verträge abgeschlossen werden.
Doch wer soll dies tun? Jürgen M. Häfner war ab 1996 für das Backnanger Straßenfest zuständig. Zuletzt wurde sein Vertrag im Jahr 2018 bis ins Jahr 2022 verlängert. Derzeit ist die Stadt Backnang mit Häfners Witwe in engem Austausch, um die rechtlichen Rahmenbedingungen zu klären, die der Tod des Unternehmers in Bezug auf den Vertrag mit sich gebracht hat. Die langfristige Planung sah vor, dass der Straßenfest-Ausschuss der Stadt Anfang Februar wieder tagen sollte. Wenn die Stadträte am Donnerstag jedoch das Fest canceln, entfällt diese Sitzung.
Für die CDU-Fraktionsvorsitzende Ute Ulfert ist ein Festhalten an dem Termin undenkbar: „Wir haben eine Pandemielage. Derzeit darf nur ein Mensch in einen anderen Haushalt zu Besuch kommen und alle müssen um 20 Uhr zu Hause sein. Ich kann mir derzeit nicht vorstellen, dass bis im Sommer wieder Tausende zusammenkommen, sich ins Gedränge stürzen und an Biertischen feiern.“ Die Ärztin bezweifelt ferner, dass die Gesellschaft bis dahin durchgeimpft ist. Andererseits glaubt sie, dass die Menschen die Verschiebung verstehen werden, und fragt im Gegenzug: „Würden Sie im Juni sorglos auf das Fest gehen?“ Im Hinblick auf die dramatischen, existenziellen Folgen des Virus sagt die Christdemokratin zur Verschiebung des Fests um ein Jahr: „Wenn das das Schlimmste ist!“
Dies sieht auch Willy Härtner von den Grünen so. Darüber hinaus sagt er zu den organisatorischen Aspekten: „Die überwiegende Mehrheit der Stadträte vertritt die Meinung, dass die Zeit bis Juni zu knapp ist. Es gibt derzeit noch so viele Wenns und Abers. Dabei soll das 50. Straßenfest etwas ganz besonders Tolles werden. Es muss gut werden. Und um das hinzukriegen reicht die Zeit nicht mehr.“ Deshalb die klare Ansage des Grünen: „Ausfallen lassen, es hat keinen Sinn. Wir dürfen uns keinen Illusionen hingeben.“ Laut Härtner wäre es falsch, den Wirten und Vereinen jetzt Hoffnung zu machen, „und dann wird es doch nix“.
Charlotte Klinghoffer vom Bürgerforum Backnang teilt die Auffassung ebenso und sagt: „Es ist zeitlich nicht mehr machbar. Bevor wir jetzt etwas übers Knie brechen und das halblebig gemacht wird, verschieben wir es lieber um ein Jahr.“ Sie erinnert an die Wiederanfänge nach dem ersten Lockdown. Damals, also im Sommer 2020, waren anfangs auch nur Veranstaltungen bis 500 Besucher erlaubt. Wenn es nach dem eventuellen Ende der zweiten Welle wieder zu solchen Einschränkungen kommt, mache ein Fest dieser Kategorie keinen Sinn.
„Das Risiko ist viel zu groß, es macht in diesem Jahr keinen Sinn.“
Für Heinz Franke (SPD) ist es nur zweitrangig, dass die Zeit aufgrund der organisatorischen Aspekte knapp wird: „Das sind zwar alles Gründe, die die Organisation erschweren würden. Der alles entscheidende Faktor ist aber Corona. Wir wissen nicht, wie die Situation im Juni aussieht.“ Er bezeichnet das Risiko ebenfalls als viel zu groß und kommt zum Schluss: „Es macht in diesem Jahr keinen Sinn.“ Klinghoffer hebt bei alledem auf einen Aspekt ab, der auch positiv ist. Zwar liege die Eventbranche aktuell am Boden. Aber sie glaubt, dass die Stadt gerade deshalb sehr gute und motivierte Ideen und Konzepte erhalten wird, wenn der Auftrag für die Durchführung des Fests wieder neu ausgeschrieben werden kann. Und Willy Härtner hegt überdies große Erwartungen an Johannes Ellrott, der als neuer Leiter des städtischen Kultur- und Sportamts die Zuständigkeit für das Straßenfest von Martin Schick übernommen hat. Härtner wünscht sich, dass Ellrott in Ruhe und ohne Zeitdruck seine ganze Kreativität zur Entfaltung kommen lassen kann. Beim künftigen Konzept gehe es darum, zu prüfen: „Was hat sich bewährt und lohnt sich, erhalten zu werden, und was kann besser gemacht werden?“ Auch Ute Ulfert bedauert sehr, mit dem Tod von Jürgen M. Häfner den Cheforganisator verloren zu haben. „Wir müssen uns nun ein neues Konzept überlegen.“
Von Matthias Nothstein
Die Absage des Straßenfests zum jetzigen Zeitpunkt ist die einzig richtige Entscheidung. Denn das 50. Straßenfest muss etwas Besonderes, es muss geradezu legendär werden. Zwar kann niemand abschätzen, wie die Pandemielage im Juni ist. Aber der gesunde Menschenverstand sagt jedem, dass dann von Normalität noch längst nicht die Rede sein kann. Und eben die braucht’s für ein gelingendes Straßenfest, das davon lebt, dass sich Tausende Menschen auf engstem Raum begegnen. Ohne Mundschutz. Ohne Angst. Ohne Scheu vor Kontakt. Also gilt jetzt: Absagen und um ein Jahr verschieben. So schwer es eingefleischten Straßenfestgängern auch fällt.
All diejenigen, die die Coronasituation nicht so schwarz sehen, seien daran erinnert, dass auch die organisatorischen Aspekte allein schon ein Fest in diesem Jahr unmöglich machen. Es fehlt die nötige Zeit für die Planung. Folgende Aspekte spielen dabei eine Rolle: Der Hauptorganisator ist gestorben, der Oberbürgermeister noch lange nicht gewählt, der Kulturamtsleiter erst seit Januar im Amt, die Vertragslage noch unklar, die Ausschreibung noch nicht auf den Weg gebracht.
Jeder Punkt alleine würde das Projekt schon massiv erschweren. In der Summe aber machen sie das Vorhaben unmöglich. Deshalb gilt: Wir freuen uns auf nächstes Jahr. Dann lassen wir’s krachen.
m.nothstein@bkz.de