Streit über Anwalt aberster Stunde

Pflichtverteidiger sollen künftig schon bei Verhören anwesend sein dürfen

stuttgart /X - Die Zeit drängt. Bis zum 25. Mai muss Berlineine EU-Richtlinie in deutsches Rechtumsetzen, die Prozesskostenhilfe für Verdächtige und Beschuldigte in Strafverfahren vorsieht. Das ist komplizierter als gedacht. Ein Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums findet bei der Anwaltschaft zwar weitgehend Zustimmung, wird von den Bundesländern allerdings entschieden abgelehnt. Verfahren würden massiv länger dauern und teurer werden, so deren Befürchtung.

Der Entwurf sieht vor, dass Beschuldigte künftig vom ersten Verhör an einen Anwalt zur Seite gestellt bekommen. Bislang gibt es Pflichtverteidiger in der Regel erst im Prozess oder im Falle von Untersuchungshaft. Die Bundesländer argumentieren in seltener Eintracht gegen diesen Vorschlag. Berlin schieße „an entscheidenden Stellen“ über die europäischen Vorgaben hinaus, und zwar „deutlich“, heißt es zum Beispiel in der Stellungnahme aus dem Justizministerium in Baden-Württemberg.

Ob ein Pflichtverteidiger bestellt wird oder nicht, ist keine Frage der finanziellen Bedürftigkeit. Ein Beschuldigter bekommt dann einen Pflichtverteidiger, wenn ein Fall der sogenannten notwendigen Verteidigung vorliegt. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn die Verhandlung vor einem Landgericht stattfindet, wenn ein Verbrechen vorgeworfen wird oder wenn ein Berufsverbot droht. Dieser Grundsatz soll auf Verhöre ausgedehnt werden. Doch die Kritiker bemängeln, dass Polizeibeamte die Frage gar nicht beantworten können.

Wer sich letztlich durchsetzt, ist zur Stunde noch unklar. Bei einer Bund-Länder-Sitzung hatten die Landesjustizminister vor wenigen Tagen ihre Bedenken hinterlegt. „Ich bin guter Dinge, dass das Bundesjustizministerium aufgrund der kritischen Stellungnahmen nun eine Regelung erarbeitet, die das deutsche Strafverfahren nicht un­nötig verkompliziert und verlängert“, sagt Landesjustizminister Guido Wolf nach dem Gespräch unserer Zeitung.

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Erstellt:
23. Januar 2019, 03:12 Uhr

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