Streit unter Mietern endet vor Gericht
Beleidigung, Körperverletzung und sexuelle Belästigung stehen im Raum, dennoch wird das Verfahren gegen einen 63-Jährigen eingestellt.

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Archivfoto: Edgar Layher
Von Jutta Rieger-Ehrmann
Backnang. „Um des lieben Friedens willen“ ist jetzt ein Verfahren wegen Körperverletzung, Beleidigung und sexueller Belästigung vor dem Backnanger Amtsgericht eingestellt worden. Verbunden mit einem eindringlichen Appell des Richters an alle Beteiligten.
Auch der Angeklagte hätte die Anzeigenerstatterin und Geschädigte anzeigen können, betont der Richter in seiner Begründung. Denn die Beleidigungen im Streit unter verschiedenen Mietern gingen von beiden Seiten aus. Zu hören waren beispielsweise Beleidigungen und Beschimpfungen im Treppenhaus vor der Wohnung des Angeklagten, die dieser mit seinem Diktiergerät aufgenommen hatte. „Mit welchem Ziel haben Sie Anzeige erstattet?“, fragte der Richter die Geschädigte. Sie wolle einfach, dass wieder Ruhe im Haus einkehre und alle friedlich zusammenleben können. Von Vermieterseite habe es leider keine Unterstützung gegeben. Dieser Wunsch war auch bei dem 63-jährigen Angeklagten zu spüren. „Was meinen Sie, wer trägt die ,Hauptschuld‘ an dem Konflikt?“, so eine weitere Frage. Die Geschädigte wies auf eine Hausbewohnerin hin, die selbst nicht als Zeugin anwesend war, ohne ihren Namen zu nennen, da diese ihr mit einer Anzeige gedroht habe. Der Name ergab sich jedoch aus den Aussagen des Angeklagten. Daher der Appell an alle Beteiligten, den Konflikt nicht weiter zu „befeuern“ und sich auch nicht von Dritten instrumentalisieren zu lassen. Sollte es zu weiteren Anschuldigungen kommen, würde dies rechtliche Konsequenzen haben, möglicherweise nicht nur für den Angeklagten. Natürlich sei es manchmal schwierig, in einem Mehrparteienhaus einigermaßen harmonisch mit den Nachbarn zusammenzuleben, denn man könne sich diese ja nicht aussuchen. Zum Fall: Der Konflikt entwickelte sich wie so oft schrittweise. Lange Zeit lief alles gut. Der ledige Angeklagte wohnt schon seit gut 20 Jahren in dem Haus. Man habe sich auch gegenseitig Gebäck zu Weihnachten gebracht und einiges mehr. Doch vor einigen Jahren schlug die Atmosphäre allmählich um. Auslöser seien zum einen eine Meinungsverschiedenheit mit besagter Hausbewohnerin in Bezug auf die Kehrwoche sowie ein Streit um das Lüften gewesen. Der 63-Jährige wohnt im oberen Stock des Hauses, wo sich auch die Dachkammern der anderen Mieter befinden. Das Problem war das offene Fenster im Winter, da dadurch auch die Wohnung des Angeklagten auskühlte. Im Guten war keine Regelung zu finden. So eskalierte die Auseinandersetzung vor zirka einem Jahr. Mehr und mehr Hausbewohner wurden in den Streit hineingezogen, so auch die Familie der Geschädigten. Ein Wort ergab das andere und es kam zu dem Schlag auf den Po durch den Angeklagten, verbunden mit einer sexistischen Äußerung.
Nach einer kurzen Verhandlungsunterbrechung, in der sich Richter, Staatsanwältin und Anwalt zu einem Rechtsgespräch zurückzogen, erging folgender Beschluss: Einstellung des Verfahrens. Die Kosten des Verfahrens trägt die Staatskasse, seine eigenen Auslagen trägt der Angeklagte selbst. Die beiden anderen Zeugen, die Tochter der Geschädigten und ein weiterer Hausbewohner, wurden ohne ihre Aussage entlassen. Das Problem sei angekommen, erklärte der Richter, der Wunsch nach Ruhe im Haus ebenfalls.
Alle Beteiligten waren mit dem Beschluss einverstanden. Der 63-Jährige ließ durch seinen Anwalt nochmals sein Interesse an einem friedlichen Zusammenleben und seine Hochachtung vor dem Gericht zum Ausdruck bringen.