Strengere Tempolimits in ganz Backnang

Um die Anwohner besser vor Verkehrslärm zu schützen, beschließt der Backnanger Gemeinderat, die Höchstgeschwindigkeiten zu reduzieren. Auf den meisten innerstädtischen Verkehrsachsen gilt bald Tempo 40, in den Stadtteilen ist künftig Tempo 30 die Regel.

Im Ortskern von Heiningen gilt schon heute Tempo 30. Künftig wird das Tempolimit auf die komplette Strecke zwischen der Opti-Kreuzung und dem Hundekreisel ausgeweitet. Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Im Ortskern von Heiningen gilt schon heute Tempo 30. Künftig wird das Tempolimit auf die komplette Strecke zwischen der Opti-Kreuzung und dem Hundekreisel ausgeweitet. Foto: Alexander Becher

Von Kornelius Fritz

Backnang. Autofahrer müssen sich in Backnang bald an viele neue Tempolimits gewöhnen. Am Donnerstagabend hat der Gemeinderat einstimmig einem neuen Lärmaktionsplan zugestimmt. Dieser sieht vor, die zulässigen Höchstgeschwindigkeiten auf vielen Hauptverkehrsstraßen zu reduzieren (siehe Infotext). Auf fast allen wichtigen innerstädtischen Verkehrsachsen soll künftig Tempo 40 gelten, in den Ortsdurchfahrten von Waldrems, Heiningen, Steinbach und Strümpfelbach sind bald nur noch 30 Kilometer pro Stunde erlaubt.

Die neuen Tempolimits sollen ab Juli schrittweise eingeführt werden. Lediglich auf der B14 ändert sich vorerst nichts: Ein nächtliches Tempolimit von 30 Kilometern pro Stunde im Bereich Maubach lehnte der Gemeinderat einstimmig ab. Auch auf Höhe von Strümpfelbach wird die Höchstgeschwindigkeit von derzeit 70 Kilometern pro Stunde nicht weiter reduziert.

EU verlangt wirkungsvollen Lärmschutz

Die Europäische Union verlangt von den Mitgliedsstaaten, dass sie ihre Bürgerinnen und Bürger wirkungsvoll vor Lärm schützen. Denn es ist wissenschaftlich erwiesen, dass Dauerbeschallung krank macht. Für alle Bundes- und Landesstraßen mit einem Verkehrsaufkommen ab drei Millionen Fahrzeuge pro Jahr (8200 pro Tag) schreibt der Gesetzgeber deshalb eine Lärmaktionsplanung vor. Die Stadt Backnang hat diese freiwillig auch auf wichtige innerstädtische Verbindungen sowie die Ortsdurchfahrten der Stadtteile erweitert.

Die von der Stadt beauftragte Gesellschaft für angewandte Ökologie (GefaÖ) aus Stuttgart hat für alle diese Straßen Lärmwerte berechnet und festgestellt, dass die Grenzwerte an vielen Stellen in Backnang überschritten werden. Der Lärmpegel darf innerhalb von 24 Stunden einen Mittelwert von 65 Dezibel nicht überschreiten, nachts zwischen 22 und 6 Uhr sind bis zu 55 Dezibel erlaubt. Laut dem Gutachten wird der Tagesgrenzwert in Backnang an 426 Gebäuden mit insgesamt 970 Bewohnern überschritten. Nachts sind sogar mehr als 1100 Personen in 477 Häusern betroffen.

Widerstand gegen Tempo 30 auf der Bundesstraße

Die Stadt muss also aktiv werden und will das auch gerne tun: „Als Stadtverwaltung sehen wir uns in der Pflicht, dieser Richtlinie nachzukommen und aktiv zur Lärmreduktion beizutragen“, erklärte Oberbürgermeister Maximilian Friedrich. Dafür gibt es verschiedene Möglichkeiten. Allerdings sind bauliche Veränderungen wie Lärmschutzmauern oder Flüsterasphalt teuer und oft auch gar nicht umsetzbar. Deshalb sind vor allem Tempolimits das Mittel der Wahl. Bereits vor einem Jahr hatten die Experten von der GefaÖ dazu Vorschläge gemacht (wir berichteten).

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Inzwischen hatten die sogenannten Träger öffentlicher Belange und auch die Bürgerschaft die Möglichkeit, Stellung zu nehmen. Bedenken hatte etwa die Industrie- und Handelskammer (IHK) wegen der vorgeschlagenen Geschwindigkeitsbegrenzung auf der B14 geäußert. Der Verkehrs- und Tarifverbund Stuttgart (VVS) warnte vor Verspätungen im Busverkehr, wenn in der Innenstadt großflächig Tempo 30 eingeführt würde. Der Vorschlag, den die Verwaltung nun vorlegte, war deshalb bereits entschärft worden. So soll in der Innenstadt künftig Tempo 40 die Regel sein, wie es auf dem inneren Ring schon seit 2020 der Fall ist. Das Tempolimit auf der B14 in Maubach sollte nur von 22 bis 6 Uhr gelten.

Verkehr aus dem Weissacher Tal soll über die Heinrich-Hertz-Straße fließen

Doch das war den Stadträten immer noch zu viel. „Ich befürchte, dass durch das Abbremsen und Wiederbeschleunigen sogar noch mehr Lärm entsteht“, kritisierte Rolf Hettich (CDU). Armin Dobler (SPD) vermutet auch, dass ein nächtliches Tempolimit auf der B14 kaum beachtet würde. Hinzu kommt, dass in Maubach nur wenige Gebäude so dicht an der Bundesstraße stehen, dass die Grenzwerte überschritten werden. Der Maubacher Ortsvorsteher Karl Scheib (Bürgerforum/FDP) erklärte, er habe mit den Bewohnern dieser Häuser gesprochen und von denen wünsche sich keiner eine Temporeduzierung. Auf Antrag der SPD entschied das Gremium schließlich einstimmig, die Tempolimits auf der B14 nicht zu verändern und stattdessen den betroffenen Bewohnern Zuschüsse für den Einbau von Schallschutzfenstern anzubieten.

Davon abgesehen stieß der Lärmaktionsplan im Gemeinderat aber auf breite Zustimmung. Erfreut zeigten sich die Mitglieder insbesondere darüber, dass es nun möglich ist, auf den Ortsdurchfahrten von Waldrems und Heiningen durchgehend Tempo 30 einzuführen. Das macht diese Straße für den Durchgangsverkehr unattraktiver, was den Kommunalpolitikern sehr recht ist. Ihr erklärtes Ziel ist es nämlich, den Verkehr aus dem Weissacher Tal über die Heinrich-Hertz-Straße im Gewerbegebiet Süd Richtung B14 zu leiten.

Gelöst ist das Lärmproblem in Backnang damit aber noch nicht. Denn obwohl die Tempolimits für die Anwohner eine spürbare Entlastung bringen sollen, bleiben noch mehr als 350 Gebäude übrig, an denen die Lärmgrenzwerte weiterhin überschritten werden. Auch in diesen Fällen bleibt wohl nur der Einbau von Schallschutzfenstern als letztes Mittel gegen den Verkehrslärm.

Kommentar
Lärmschutz mit Augenmaß

Von Kornelius Fritz

Lärm macht krank – an dieser Tatsache kommt auch die Kommunalpolitik nicht vorbei. Deshalb ist es wichtig, dass sich die Stadt Backnang darum bemüht, die Menschen, die an stark befahrenen Straßen wohnen, besser zu schützen. Dass sie sich dabei nicht auf das gesetzlich vorgeschriebene Pflichtprogramm beschränkt, zeigt, dass sie es damit ernst meint.

Allerdings gibt es in einer Stadt noch andere wichtige Interessen. Zum Beispiel, dass es nicht zu viele Staus gibt und dass die Busse ihren Fahrplan einhalten. Diese teils widersprüchlichen Interessen gegeneinander abzuwägen und einen Kompromiss zu finden, ist nicht einfach. Der Gemeinderat hat sich für einen Lärmschutz mit Augenmaß entschieden: In der Innenstadt setzt er auf Tempo 40, was sich auf der Ringstraße schon bewährt hat und von den meisten Autofahrern akzeptiert wird. In Maubach verzichtet er auf ein Tempolimit, das acht Häuser entlastet, aber täglich Tausende von Autofahrern genervt hätte.

Das klingt vernünftig, doch die Frage ist, ob es reicht, zumal eine weitere Stufe der Lärmaktionsplanung noch bevorsteht. Gut möglich also, dass die Stadt Backnang in Sachen Lärmschutz in den nächsten Jahren noch einmal nachlegen muss.

k.fritz@bkz.de

Maßnahmen für den Lärmschutz

Tempo 30 Ortsdurchfahrt Steinbach (K1826), Ortsdurchfahrten Waldrems (Neckarstraße) und Heiningen (Tübinger Straße), Ortsdurchfahrt Strümpfelbach (K1904), Aspacher Straße zwischen den Kreisverkehren Schöntaler Straße und Röntgenstraße.

Tempo 40 Weissacher Straße, Stuttgarter Straße, Gartenstraße, Eugen-Adolff-Straße, Sulzbacher Straße, Dresdener Ring, Potsdamer Ring und Berliner Ring.

Schallschutzfenster Zusätzlich will die Stadt ein Programm starten, wonach vom Lärm betroffene Hauseigentümer einen Zuschuss zur Anschaffung von Schallschutzfenstern erhalten. Wie hoch diese Förderung ausfallen wird, steht noch nicht fest. Laut Erstem Bürgermeister Stefan Setzer will die Stadt im Haushalt 2025 zunächst einmal 100000 Euro dafür bereitstellen.

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Erstellt:
29. Juni 2024, 06:00 Uhr

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