Streuobstwiesen zukunftssicher machen
Auf ihrer Pilotbaumwiese präsentiert die Flächenagentur Baden-Württemberg ihr Projekt. Ziel der Untersuchung ist unter anderem, neue Erkenntnisse über die Klimaresilienz traditioneller Baumarten oder das Wachstum von Bäumen aus wärmeren Regionen zu erlangen.
Von Carolin Aichholz
Spiegelberg. Die Obstbauexperten, sogenannte Pomologen, wissen schon lange: Das Klima in Deutschland verändert sich und mit ihm auch die Anforderungen, die Pflanzen erfüllen müssen, um ertragreich zu sein. Wie diese Veränderungen aussehen und wie mit ihnen umgegangen werden kann, versucht die Flächenagentur Baden-Württemberg mit einem Versuchsprojekt herauszufinden. Es soll neue Erkenntnisse zu klimaresilienten Pflanzen liefern.
Die Fläche oberhalb des Friedhofs stellt eine Stuttgarterin dem Projekt zur Verfügung. Sie selbst hat das Stück Land von ihrer Großmutter geerbt. Im Dezember pflanzten die Projektverantwortlichen mit Ehrenamtlichen, darunter auch viele Spiegelberger, 150 Bäume (wir berichteten).
Nun wachsen kleine Apfel- und Birnenbäume, aber auch ungewöhnliche Klimagehölze wie Feigen, Pekannüsse, Maulbeeren oder Esskastanien auf dem Hang mit der Größe eines Fußballfelds. Christoph Schulz präsentiert das Projekt vor Streuobstbauern und anderen Interessierten.
Schwierige Bodenbedingungen
Dass die Voraussetzungen der Fläche nicht optimal sind, gibt der ebenfalls projektverantwortliche Lukas Mischnick von der Flächenagentur Baden-Württemberg unumwunden zu. Das gesamte Gebiet ist ein Nordhang mit sehr sandigem Boden. Dieser musste zunächst aufbereitet werden. „Die gesamte Erde hat hier einen starken Nährstoffmangel. Wir haben den Boden gedüngt, größtenteils gekalkt und Schwarzerdehumus eingebracht, um das Bodenleben wieder anzuregen“, erklärt Mischnick. Dennoch oder gerade darum sind Mischnick und Schulz froh, eine Fläche zur Verfügung zu haben, auf der sie sich austoben können. „Wir sehen das als große Spielwiese für eigene Versuche und sind gespannt, was dabei herauskommt“, so Lukas Mischnick.
Ziel des Projekts ist unter anderem herauszufinden, wie sich die Wurzeln der Pflanzen am Standort optimal entwickeln können. Zudem werden verschiedene „entwicklungsfördernde Maßnahmen“ getestet, wie der Effekt von Pflanzenkohle in der Erde oder Ammenbäume in der näheren Umgebung der Obstbäume. Das sind etwa Erlen, die zwischen den jungen Bäumen stehen, ihnen Schatten spenden und nützliche Nährstoffe, wie etwa Stickstoff, abgeben.
Außerdem wollen die Verantwortlichen herausfinden, ob sich Klimagehölze, wie Pekannuss, Maulbeerbaum und Feigenbäume hier für den Streuobstanbau eignen. Diese Bäume sind normalerweise in Baden-Württemberg selten vertreten. „Unsere Bäume hier müssen im Winter eben unbedingt frostsicher sein und das sind die meisten Feigensorten schon mal nicht“, sagt Lukas Mischnick. Darum spiele die Auswahl der Sorten eine große Rolle, ebenso das Heranziehen in der Fläche, auf der sie wachsen sollen. Für diesen Untergrund wurden Tresterbeete (aus Überbleibseln von gepresstem Saft) angelegt.
Die Experten haben auch experimentelle Sorten gepflanzt
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Experimentelle Sorten, wie eine Kreuzung aus einer Quitte und einer Birne haben die Experten auch gepflanzt oder einen Walnussbaum, der sich selbst befruchten kann, einen sogenannten Klon. „Wir sind nicht auf den wirtschaftlichen Nutzen der Bäume angewiesen, darum können wir weg von der Monokultur und auch ungewöhnliche Sorten ausprobieren“, sagt Lukas Mischnick. „Wir möchten auch neue Impulse geben und für mehr Biodiversität werben. Wirtschaftlich arbeitende Unternehmen haben diese Möglichkeiten nicht, aber Selbstversorger können auch darauf achten, vielfältige und alte Sorten zu pflanzen.“
Ein weiteres Anliegen der Forscher ist es, vorhandenes Wissen zu sammeln und zu teilen. Über das rege Interesse der Obstbauern aus näherer und weiter entfernter Umgebung freuen sie sich darum besonders, beantworten fleißig Fragen und raten allen Zuhörern sich untereinander zu vernetzen.
Auch der Landtagsabgeordnete Ralf Nentwich, der politischer Mitinitiator des Projekts war, sieht im Pilotprojekt großes Potenzial: „Das könnte ein Eldorado für die Streuobstexperten in Baden-Württemberg werden.“ Bis Ende des Jahres ist die Finanzierung des Projekts gesichert. „Danach müssen wir schauen bis es weitergeht“, sagt Christoph Schulz. „Forschungsprojekte sind meist nur auf zwei oder drei Jahre begrenzt. Aber um auf unsere Fragen Antworten zu finden, bräuchten wir über zehn, wahrscheinlich eher 20 Jahre.“
Diese Zukunft steht also noch offen, bislang hoffen die Verantwortlichen, die Kommunen der Umgebung oder engagierte Bürger mit ins Boot zu holen, damit die Wiese weitergepflegt wird und Erkenntnisse liefern kann. Zudem könnten Fördergelder aus anderen Töpfen beantragt werden, beispielsweise für die Untersuchung, wie Vögel, Bienen und andere Insekten auf die klimaresiliente Baumwiese reagieren.
Die Agentur Das interdisziplinäre Team der Flächenagentur Baden-Württemberg mit Hauptsitz in Ostfildern hat seine Schwerpunkte in den Bereichen Planung von Ökokontomaßnahmen und Erstellung von ökologischen Fachgutachten, Vermittlung von Ökopunkten und Waldausgleichsflächen, Biodiversitätsberatung, naturbasierter Klimaschutz und nachhaltige Entwicklung, Bildung und Training. Groß geworden ist die Agentur durch die Ökokontobewegung. Die entsprechende Verordnung trat für das Land Baden-Württemberg im April 2011 in Kraft.
Das Projekt Es wurde vom Ministerium für Ländlichen Raum ausgeschrieben und an die Flächenagentur vergeben. Ein Schwerpunkt des angewandten Forschungsprojekts liegt auf einer Literaturstudie, deren Ergebnisse schließlich in Merkblättern für die Praxis münden sollen. Die zweite Säule bestand im Anlegen der Pilotflächen in Spiegelberg und Nordheim. Im dritten Teil geht es um die Kommunikation, also darum, dass auf den Pilotflächen Workshops oder Vernetzungstreffen für Praktiker, wie Landwirte im Obstanbau, stattfinden.