Studio Digital geht online

Schülerinnen und Schüler des Max-Born-Gymnasiums haben eine Plattform entwickelt, die Kunst über alle räumlichen Grenzen hinweg erlebbar macht. Vom Entwicklungsprozess der ersten vagen Ideen bis hin zur fertigen Ausarbeitung wurde alles selbst gemacht.

Im dritten Stock des Max-Born-Gymnasiums wird getüftelt und getestet, um das Online-Tool „Studio digital“ als Museums-App-in Kooperation mit dem Kunstmuseum Wolfsburg zu realisieren. Fotos: A. Becher

© Alexander Becher

Im dritten Stock des Max-Born-Gymnasiums wird getüftelt und getestet, um das Online-Tool „Studio digital“ als Museums-App-in Kooperation mit dem Kunstmuseum Wolfsburg zu realisieren. Fotos: A. Becher

Von Simone Schneider-Seebeck

Backnang. Vor zwei Wochen war es so weit: Die digitale und interaktive Plattform Studio Digital wurde freigeschalten und ermöglicht einen virtuellen Besuch im Kunstmuseum Wolfsburg. Doch was hat das mit Backnang zu tun? Ganz einfach: Schülerinnen und Schüler des Max-Born-Gymnasiums waren an der Entwicklung maßgeblich beteiligt. Und das, obwohl weder Kunstlehrerin Sara Dahme noch ihre Schützlinge je dort waren. „Die Idee war, dass mit einer Schule zusammengearbeitet wird, die noch nie im Museum war und somit keine Vorstellung von der Räumlichkeit oder von der Größe und der Materialität der Arbeiten hat“, erklärt Dahme.

Über die Plattform ist es nun möglich, das Kunstmuseum virtuell zu besuchen. Zudem können die Besucher selbst Kunstwerke kreieren und an einer „Hall of Fame“ veröffentlichen. „Der Quellcode ist frei verfügbar, die Museen der Stadt München haben bereits angefragt“, so Dahme.

Beteiligt an dem Projekt sind ihre sechste, siebte und elfte Klasse sowie der Neigungskurs Kunst der zwölften Klasse. Deshalb haben Dahme und Sarah Groiß, als direkte Ansprechpartnerin des Wolfsburger Museums, zu Beginn Werke ausgewählt, die zu den aktuellen Abiturthemen passen, Künstlerinnen und Künstler, die nah an Unterrichtsschwerpunkten liegen. Gleichzeitig bekamen die Schülerinnen und Schüler iPads und durften selbst in der Sammlung stöbern, die komplett digitalisiert ist.

Was spricht Kinder und Jugendliche besonders an? Sie sollten „die Surface auswählen, die nachher auch die Benutzersurface ist“, erklärt Dahme den Projektbeginn. Erstaunliches tat sich da auf: „Da haben wir gemerkt, dass manche Werke, die wir toll fanden, über das Display nicht funktioniert haben, keinen Reiz ausgeübt haben.“

Mittels digitaler Technik werden räumliche Grenzen überwunden.

© Alexander Becher

Mittels digitaler Technik werden räumliche Grenzen überwunden.

Im Februar 2021 ging es los. Was Dahme besonders gefällt: „Obwohl das Abitur so schwer wiegt, konnten wir ein Projekt machen, das auch über die Schule hinausgeht und eine konkrete Anwendung mit sich bringt.“ Der Austausch zwischen den Schülern, und auch direkt mit der Kunstvermittlung, war der Kunstlehrerin dabei sehr wichtig. Die Plattform soll junge Menschen und auch Erwachsene ansprechen. Dahme stellt sich etwa vor, dass Familien sie zusammen nutzen, die Kunstwerke auf spielerische Weise gemeinsam entdecken und erleben können. Auch für Lehrerinnen und Lehrer ist sie gut geeignet, etwa bei einer Vertretungsstunde. Da könne man einfach einen virtuellen Ausflug ins Kunstmuseum machen. „Ganz wichtig war uns die Idee, dass die räumliche Distanz überwunden werden kann und auch in Schulen, in denen es nicht unbedingt selbstverständlich ist, das Klassenzimmer zu verlassen, ein audiovisueller Reiz und eine Begegnung auf eine ganz direkte Art möglich ist.“

Bei den Testläufen hatte sich gezeigt, dass die Plattform die in sie gesetzten Ansprüche sehr gut erfüllt, die Jugendlichen hätten gar nicht mehr aufhören wollen, sie zu erkunden. Zahlreiche Möglichkeiten, um sich den Kunstwerken zu nähern, wurden von den Schülerinnen und Schülern entwickelt. Dabei standen für die Jüngeren etwa die Fun Facts im Vordergrund, für die Älteren erweist sich eher ein Fact Sheet, aus dem Informationen, etwa für eine Präsentation, herausgezogen werden können, als gut geeignet. Die Oberstufe hat die Podcasts entwickelt. „Wir dachten, es wäre cooler, nicht einfach nur einen Text zu hören, sondern eine künstlerische Erweiterung zu machen.“ Zusammen mit Michael Fiedler, einem Profimusiker und Produzenten, konnten so die Podcasts erstellt werden. Programmiert wurden die umgesetzten Ideen von Michael Hertlein. Dabei hatten die Schülerinnen und Schüler ein Mitspracherecht, damit ihre Ideen auch genau so umgesetzt wurden, wie sie es sich vorgestellt hatten. Schülerin Johanna schwärmt: „Das Im-Gespräch-Sein mit den Developern und den Leuten, die dahinter stecken, dass wir unsere Ideen pitchen durften, fand ich am interessantesten. Es ist gar nicht so easy, eine Website zu entwickeln.“ Ihre Kurskollegin Lina ist besonders stolz auf die Podcasts, die sie selbst eingesprochen haben.

Den Entwicklungsprozess von den ersten vagen Ideen bis hin zur fertigen Ausarbeitung haben die Schülerinnen und Schüler allein gemacht, Sara Dahme war nur begleitend dabei, auch wenn sie gern mehr mitgemacht hätte, wie sie lachend gesteht. Viel wurde dabei während des Prozesses diskutiert, ausgetestet, und auch von anderen Klassen, evaluiert, bis man zufrieden war.

Besonders begeistert ist der Kurs von der „Hall of Fame“ – eigene Kunstwerke können erstellt oder vorhandene verändert werden. Was ja in der Realität nicht möglich ist. Und vor allem: „Ohne dass es richtig oder falsch ist“, sagt Sina dazu. Lina ergänzt: „Das ist eine neue Ebene, die auch für Leute geeignet ist, die sonst mit Kunst nicht viel am Hut haben.“ Wie das funktioniert, zeigen die Mädchen mit viel gemeinsamer Kreativität und guter Laune am iPad. Und vermitteln so eine wichtige Botschaft: Kunst darf Spaß machen.

Virtueller Kunstgenuss

Zugang Der virtuelle und interaktive Besuch des Kunstmuseums Wolfsburg geht über https://studiodigital.kunstmuseum.de.

Inhalt Das echte Museum sowie die ausgewählten Kunstwerke sind vereinfacht digital dargestellt. Klickt man auf ein Werk, begibt man sich auf Entdeckungsreise. Es stehen verschiedene Informationen, Podcasts, Fun Facts, Literatur und mehr zur Verfügung.

Aktivitäten Man kann auch selbst kreativ Hand anlegen oder sich zu einem Online-Workshop anmelden. Über den Menüpunkt rechts oben erreicht man die Seiten „Was ist Studio Digital“, „Überblick Kunstwerke“, „Kreativ werden“ und „Hall of Fame“. Alle Ideen stammen von Sara Dahmes Schülern.

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Erstellt:
16. April 2022, 16:00 Uhr

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