Suizidfahrerin zu vier Jahren Haft verurteilt

Die 38-Jährige wollte sich und ihre vier Kinder töten. Das Landgericht erkennt Vorsatz und findet es ist an der Zeit für eine Aufarbeitung.

Verhandelt wird am Landgericht Stuttgart. Archivfoto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Verhandelt wird am Landgericht Stuttgart. Archivfoto: Alexander Becher

Von Heike Rommel

Weinstadt/Stuttgart. Zu vier Jahren Gefängnisstrafe hat das Stuttgarter Landgericht die mittlerweile 38-Jährige verurteilt, die mit ihren vier kleinen Kindern im Auto frontal auf die Alte Kelter Endersbach gefahren ist (wir berichteten). Die Schwurgerichtskammer erkannte Vorsatz und kam zu der Überzeugung, dass die Frau sich und ihre vier Kinder töten wollte. Versuchter Mord wie ursprünglich angeklagt war es keiner, aber versuchter Totschlag an allen vier Kindern. Und das hart an der Grenze zur Vollendung.

Mit dem Urteil blieb die Kammer sechs Monate unter dem Strafantrag der Stuttgarter Staatsanwaltschaft. Eine bewährungsfähige Strafe, wie sie sich die Verteidigung gewünscht hatte, kam für die Richter nicht infrage. Kurz vor der Urteilsverkündung bat die Frau aus einer Gemeinde im Schurwald um Gnade. „Bitte bestrafen Sie mich nicht für etwas, was ich nicht getan habe“, betonte sie noch einmal. Die Fahrt am frühen Morgen des 7. Dezember vergangenen Jahres direkt auf die Keltermauer sei keine Absicht, sondern nur ein Unfall gewesen.

„Es war kein Unfall“, bezog sich der Vorsitzende Richter Norbert Winkelmann auf die Rekonstruktion der Fahrt. „Sie wollten sich und ihre vier Kinder töten.“ Aus der Sicht der Kammer wolle das die Frau jedoch bis heute nicht wahrhaben und es sei an der Zeit für eine Aufarbeitung, anstatt die Sache weiter zu verdrängen.

Die vier Kinder sind acht Monate bis fünf Jahre alt

Da bei der Mutter der acht Monate bis fünf Jahre alten Kinder keine psychische Krankheit festgestellt werden konnte, stufte sie das Gericht wegen des „psychischen Ausnahmezustandes“ vor der Tat lediglich als vermindert schuldfähig ein. „Sie haben vier Leben bewusst gefährdet, begründete Richter Winkelmann das Urteil auf versuchten Totschlag in vier Fällen, bei welchem auch ein sechsmonatiges Fahrverbot wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr verhängt wurde. „Es geht hier nicht um Gnade, sondern um Recht“, wandte sich Winkelmann an die 38-Jährige. „Sie verdrängen und zwar massivst.“

Überforderung mit der Kindererziehung, die Oma kann nicht viel helfen, weil sie Vollzeit arbeiten muss, und der Kindsvater lässt sich nur am Wochenende blicken: „Ein Satz hat sich uns eingeprägt“, berichtete Winkelmann aus der Urteilsfindung und nannte diesen: „In den Tagen vor der Tat war ich nicht mehr auf dem Zahnfleisch, sondern auf den Kieferknochen unterwegs.“ Das Auto mit den vier nur teilweise bekleideten Kindern ohne Schuhe kam schon auf den Felgen daher, als die Fahrerin quasi „im Blindflug“ kreuz und quer die Weinberge herunterbretterte und auf den letzten Metern vor der Kelter auch noch aktiv beschleunigte. „Sie sind nicht der Herrscher über das Leben ihrer Kinder“, wies Norbert Winkelmann die Verurteilte darauf hin, dass wegen ihres Entschlusses, die Kinder, die sie in die Welt gesetzt habe, wieder mitnehmen zu wollen, heute alle vier Kinder tot sein könnten. Die Oma hätte sie beinahe auch noch mit in den Tod gerissen, wenn diese der Aufforderung, mitzufahren, gefolgt und nicht im Streit aus der Wohnung geflüchtet wäre, um die Polizei zu verständigen. „Ihre Mutter hat Sie nicht verraten“, erklärte der Vorsitzende Richter. „Sie hatte Angst um Sie und ihre Enkelkinder.“

Ein Kind erlitt einen Beinbruch,ein anderes ein Schädel-Hirn-Trauma

Zur Aufarbeitung der Tat, durch die zwei der Kinder ein Schädel-Hirn-Trauma und einen Unterschenkelbruch erlitten, gab er der Verurteilten folgenden Ansatzpunkt mit: „Nehmen Sie es als Glück, dass irgendjemand eine Vorsehung getroffen und gesagt hat, diese Kinder sollen weiterleben.“ Das Gericht wisse, dass die Frau ihre Kinder liebe, aber die höchste Strafe hätte sie sich selbst gegeben, wenn sie ihre Kinder durch den frontalen Crash auf die Kelter verloren hätte. Bereits im „Blindflug“ dorthin hätte sich das Auto überschlagen und ein Kind herausgeschleudert werden können.

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Erstellt:
20. Juni 2023, 06:00 Uhr

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