Syna investiert im Rems-Murr-Kreis in Energienetze der Zukunft
Der Netzbetreiber will auch im Rems-Murr-Kreis die Energiewende vorantreiben und in den kommenden fünf Jahren eine Milliarde Euro dafür ausgeben. Ziel ist, die Bestandsnetze intelligent zu machen, den Netzausbau effizient zu gestalten und so die Versorgungsqualität zu steigern.

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Auch wegen der Fotovoltaikanlagen, die immer mehr installiert werden, müssen die Stromnetze mitwachsen. Foto: Imago/imagebroker
Von Florian Muhl
Rems-Murr. „Um es flapsig auszudrücken: Wir müssen jetzt kräftig auf die Tube drücken“, sagt Andreas Berg, einer von zwei Geschäftsführern der Syna GmbH. Bei dem Pressegespräch gestern geht es um die Herausforderungen und Chancen für die Energienetze der Zukunft (siehe auch Infotext). „Die Energieversorgung in Deutschland verändert sich gerade, der Atomausstieg ist vollzogen, der Ausstieg aus der Kohle läuft, wir sehen einen zunehmenden Wechsel zu erneuerbaren Energien“, so der promovierte Elektroingenieur zu den Hintergründen des Gesprächs.
Es wird immer mehr Strom ge- und verbraucht, weil sich das Verbrauchsverhalten der Kunden geändert hat. Andreas Berg nennt die Stichworte Elektroladesäulen und Wärmepumpen. „Dafür brauchen wir zunehmend Infrastruktur. Die bestehenden Netze reichen nicht mehr. Die sind auch nicht auf dezentralen Betrieb ausgelegt“, erläutert der 44-Jährige, der seit drei Jahren dem Syna-Vorstand angehört.
Auch Einspeiser, die es früher nicht gab, muss die Syna bedienen. „Früher wurde der Strom in Großkraftwerken erzeugt und dann auf langen Wegen zu den Verbrauchszentren transportiert, heute wird quasi überall im Netz Strom erzeugt“, erklärt der technische Geschäftsführer. Die Folge: „Wir müssen mehr Infrastruktur schaffen, die diesen Strom aufnehmen kann, ihn weg- oder hintransportieren kann, je nach Sichtweise. Und dafür investieren wir.“
Angemessene Regulierungsrahmen und Investitionsanreize sind erforderlich
„Die Energiewende findet im Wesentlichen in den Verteilnetzen statt“, ergänzt Marcel Rohrbach. Der kaufmännische Geschäftsführer bezeichnet die Netze der Syna auch als Lebensadern in den Regionen und als Rückgrat der Energiewende. „Um die Investitionen umsetzen zu können und das Geld dafür zu mobilisieren, brauchen wir einen angemessenen Regulierungsrahmen und Investitionsanreize“, so der 39-Jährige weiter. Das heißt, der Eigenkapitalgeber müsse auch eine angemessene Verzinsung erhalten. Die Syna tätigt Rekordinvestitionen von über einer Milliarde Euro in den nächsten fünf Jahren, um die Bestandsnetze intelligent zu machen, den erforderlichen Netzausbau effizient zu gestalten und somit die Versorgungssicherheit sicherzustellen.
Bis 2026 will die Syna laut Andreas Berg rund 30 Prozent ihrer Ortsnetzstationen intelligent ausbauen. Ortsnetzstationen sind die Übergabepunkte, aus denen die Niederspannung – unterhalb von einem Kilovolt (kV) – versorgt wird. Aber was heißt in dem Zusammenhang intelligent? Im Fachjargon wird auch von Smartifizierung gesprochen. Bei einer Störung müssen bislang Monteure zur Station fahren, um dort den Fehler zu suchen, dann einen Schalter zu ziehen, um das kaputte Betriebsmittel freizuschalten, damit dann die Kunden wieder ihren Strom haben, wie der Elektroingenieur erläutert. Intelligenter Ausbau bedeutet, dass die Stationen mit Messtechnik ausgestattet, funktechnisch angebunden und so schaltbar gemacht werden, sodass die Mitarbeiter aus der Ferne in der Netzleitstelle in Echtzeit sehen können, was in den Netzen passiert. Die Folge: Die Versorgungsqualität steigt und die Mitarbeiter können schneller erkennen, an welcher Stelle sich der Fehler befindet. „Und wir sehen, wie viel Last tatsächlich auf unseren Leitungen ist“, erklärt Andreas Berg. Das sehen die Syna-Mitarbeiter bisher nicht. „Wir werden natürlich 2026 nicht mit dem Ausbau aufhören. Unser Ziel ist, das komplette Netz smart zu machen“, kündigt der technische Geschäftsführer an.
Allein im Jahr 2023 rund 25.000 Anfragen für neue erneuerbare Energieanlagen
Mit einer beeindruckenden Zahl wartet Marcel Rohrbach auf. Allein im Jahr 2023 wird es rund 25.000 Anfragen von neuen erneuerbaren Energieanlagen geben, die bei der Syna ans Netz angeschlossen werden müssen, so die Prognose. Das sind so viele, wie die Syna seither insgesamt angeschlossen hat, also in über vier Jahren. „Wenn wir das hochrechnen, was wir in den letzten Wochen sehen, kommen wir sogar auf eine Zahl von über 40.000 Anlagen pro Jahr“, meint der kaufmännische Leiter. „Das ist ein signifikanter Anstieg, insbesondere im Bereich der Fotovoltaikanlagen.“ Das müsse auch erst einmal alles abgearbeitet werden. Der 39-Jährige erläutert einen solchen Prozess. „Schritt eins findet schon statt, bevor wir als Verteilnetzbetreiber involviert sind. Wenn Sie zu Hause eine Fotovoltaikanlage aufs Dach bauen wollen, lassen Sie sich beraten, und dann startet ein grob dreistufiger Prozess.“ Zunächst muss der Betreiber der Anlage oder der Installateur einen Antrag stellen, den die Syna technisch prüft. Nach der Zusage kommt Schritt zwei: Die Anlage wird vom Installateur gebaut und die Syna setzt einen Zweirichtungszähler. „Schritt drei ist, dass die Anlage schlussendlich in Betrieb genommen und auch kaufmännisch abgewickelt wird“, so Marcel Rohrbach.
Kompetenz Die Syna GmbH ist eine 100-Prozent-Tochtergesellschaft der Süwag Energie AG und bündelt die gesamte Netzkompetenz.
Versorgung Das knapp 6.200 Quadratkilometer umfassende Netzgebiet der Syna verteilt sich auf vier Bundesländer: Hessen, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Bayern. In Nord-Süd-Richtung liegen die Gebiete 550 Kilometer auseinander. Die Syna versorgt ihre Kunden mit einem Stromnetz von rund 29.800 Kilometern Länge. Das Erdgasnetz hat eine Länge von zirka 3.800 Kilometern. Insgesamt werden über zwei Millionen Menschen mit Strom und Gas versorgt.
Beschäftigte In der Unternehmenszentrale in Frankfurt-Höchst und an weiteren regionalen Standorten arbeiten rund 1400 Mitarbeiter für die Syna.
Anschluss Die Anzahl der Anfragen für neue Einspeiseanlagen ist seit 2019 um rund das 14-Fache angestiegen. Im laufenden Jahr rechnet die Syna mit mindestens 25.000 Neuanlagen im Netzgebiet. Seit der Einrichtung des Kundenportals Go-Live im Oktober 2022 wurden darüber 16.043 Anträge eingereicht.
Zukunft Die Syna erwartet bis 2030 eine Verneunfachung der Ladepunkte und Vervierfachung der Anzahl der Wärmepumpen an ihrem Netz.