Tätowierer warten auf neue bunte Farben
Bereits seit über zwei Monaten greift nun schon das europaweite Verbot von Tattoofarben, ausgenommen die Farben Schwarz, Grau und Weiß. Für Tätowierer, die viel mit Farben arbeiten, ist das zusätzlich zu Corona eine Belastung. Doch es gibt bereits erste neue Farben auf dem Markt.

© Tobias Sellmaier
Johanna Eisenmann von Vito’s Studio tätowiert ein Motiv auf die Wade einer Kundin. Vorerst geht das nur in Schwarz-Weiß. Foto: T. Sellmaier
Von Anja La Roche
Backnang. Lässt man sich tätowieren, kommen farbige Pigmente unter die Haut. Sie bleiben dort ein Leben lang. Dass da ein unschädliches Produkt in die Haut injiziert wird, ist zum gesundheitlichen Schutz der Kunden notwendig. In den üblichen Tattoofarben befinden sich neben den Pigmenten auch Lösungs- und Bindemittel sowie Konservierungsstoffe. Aufgrund Letzterem sind seit dem 4. Januar die meisten handelsüblichen Tattoofarben in der EU verboten, ausgenommen die Farben Schwarz, Grau und Weiß (wir berichteten). Denn nach der sogenannten Reach-Verordnung stufte die EU die Farben als potenziell krebserregend ein (siehe Infobox). Die sowieso schon von der Pandemie gebeutelten Tätowierer sind dadurch mit weiteren Einschränkungen konfrontiert. Es gibt zwar bereits einige neue Farben auf dem Markt, aber nicht alle Tätowierer wollen diese bereits kaufen. Viele können daher ihre Arbeit nur eingeschränkt durchführen.
Johanna Eisenmann, die bei Vito’s Tattoostudio in Backnang arbeitet, tätowierte vor dem Verbot zu etwa 60 bis 70 Prozent in Bunt. Seit dem 4. Januar fällt das komplett weg. Zwar habe einer ihrer Produktanbieter ein paar wenige neue Farben auf den Markt gebracht, doch diese seien extrem teuer und ständig ausverkauft. Normalerweise habe ein Farbfläschchen etwa 16 Euro gekostet, jetzt seien es 25 Euro und mehr. Und die Tattookünstlerin lehnt es aus einem weiteren Grund ab, die neuen Farben zu kaufen: „Man weiß gar nicht, wie sich die Farben verhalten.“ Die bisherigen Farben seien über Jahre hinweg hinsichtlich ihres Verhaltens unter der Haut erprobt gewesen, beispielsweise wie gut sie verheilen. Bei den neuen Farben ist Eisenmann nun skeptisch, denn sie will ihren Kunden kein Produkt anbieten, bei dem sie selbst unsicher ist.
Einige Kunden lassen sich nun im Voraus die Umrisse ihres Motivs tätowieren
Für Johanna Eisenmann ist die Situation tragbar, denn sie hat eine große Stammkundschaft, wie sie erzählt. „Wegen des Verbots brechen mir keine Kunden weg. Die bleiben eher wegen Corona weg“, sagt sie. Ihre Stammkunden würden die Schattierungen und Outlines (Umrisse) ihrer gewünschten Tattoos bereits jetzt von ihr stechen lassen – in der Hoffnung, dass Eisenmann sich bald in der Lage sieht, das Motiv mit Farben zu vollenden.
Marcel Haseloff, der Inhaber des Aspacher Studios Real Pain, sieht die betroffenen Tätowierer nun doppelt belastet: „Wir haben schon große Einbußen wegen Corona, und jetzt kommt das Farbverbot dazu“, sagt er. Sich selbst sieht er allerdings weniger gefährdet, denn er tätowiert großteils schwarz-grau. Und auch die nun eingetretenen Coronalockerungen würden die Lage entspannen: Seit dem 23. Februar gilt mit Eintritt der Warnstufe wieder die 3-G-Regelung für Tattoostudios. Aufgrund der hohen Preise der neuen Farben sind bunte Tattoos für die Kunden von Marcel Haseloff allerdings teurer geworden.
Diana Dalügge erleidet bislang ebenfalls keine wirtschaftlichen Probleme aufgrund des Farbenverbots. Sie betreibt gemeinsam mit ihrem Mann Dirk das Studio „Dalügges Tattoo und Custompainting“ in Fornsbach. „Wir haben noch genug schwarz-graue Projekte“, sagt sie. Wie auch Eisenmann hat sie seit dem 4. Januar keine bunten Motive mehr umgesetzt. Auch sie wartet, bis genug Farben auf dem Markt sind, die sie als qualitativ hochwertig und vertrauenswürdig einschätzen kann.
Kritisch betrachtet wird das Farbverbot in der Tattoobranche nach wie vor. Die deutsche Petition „Save the pigments“ (Rettet die Pigmente) scheiterte bereits bei ihrem Vorhaben, das Verbot zu kippen. Die gleichnamige europäische Petition steht noch auf dem Prüfstand. Der Bundesverband Tattoo ruft zur Unterstützung der Petition auf. Er argumentiert unter anderem damit, dass die wirtschaftliche Situation der Studios zurzeit aufgrund der Pandemie sowieso schon schwierig ist, sowie damit, dass durch das Verbot die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Studios eingeschränkt werden würde. Zudem kritisieren viele Gegner des Verbots, dass nicht ausreichend Beweise vorliegen würden. Dieser Meinung ist auch Johanna Eisenmann. „Das Verbot sehen die meisten kritisch. Der Verdacht, dass die Farben krebserregend sind, ist nicht bewiesen“, sagt sie. Aber dass da noch etwas am Verbot geändert wird, das glaubt keiner mehr, so die Tätowiererin.
Backnanger Tätowierer sind trotzdem optimistisch
Auch die Kunden von Eisenmann können das Verbot nicht verstehen. „Die sagen, es ist doch ihr Körper und ihre Entscheidung, was sie damit machen. Rauchen ist auch krebserregend und erlaubt.“ Wenn die Gesundheitsgefahr wenigstens bewiesen wäre, so Eisenmann, könne sie das Verbot besser verstehen. Dahingehend seien die Kunden von Diana Dalügge alle verständnisvoll. „Das können alle nachvollziehen. Das war ja lange genug in den Medien“, sagt sie.
Insgesamt zeigen sich die befragten Tätowierer optimistisch, dass schon bald genug neue Farben auf dem Markt sind, die nicht von dem Verbot betroffen sind. Auch Diana Dalügge hat Vertrauen in die Hersteller ihrer Produkte. „Ich bin optimistisch, dass zeitnah wieder alle Farben verfügbar sind und die Qualität auch gut sein wird.“
Doch auch wenn die Hersteller nun neue Farben auf den Markt bringen, die der Reach-Verordnung entsprechen – die Farben sind nicht lange sicher. Mit dem Verbot der Pigmente „Blue 15“ und „Green 7“ zu Beginn des Jahres 2023 wird sich der Markt vermutlich ein weiteres Mal neu justieren müssen. „Es bleibt spannend“, so Eisenmann. „Für die Pigmente einen Ersatz zu finden, könnte schwieriger sein.“
Joanna Eisenmann möchte schlicht wieder bunte Kunst unter die Haut ihrer Kunden zaubern. „Ich erfreue mich an farbigen Sachen, ich schaue es mir einfach gerne an“, sagt sie. Ein wenig muss die Tätowiererin sich noch gedulden, aber auch sie ist optimistisch, dass bald mehr zugelassene Farben auf den Markt kommen.
Die Verordnung Die Reach-Verordnung der Europäischen Union wurde 2007 erlassen. Reach steht für „Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals“ (Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe). Sie wird von der Europäschen Chemikalienagentur (Echa) umgesetzt.
Die Ziele Die Reach-Verordnung soll den Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt vor den Risiken, die durch Chemikalien entstehen können, verbessern und zugleich die Wettbewerbsfähigkeit der chemischen Industrie der EU erhöhen.