Tante-M-Laden direkt an der B14
Christoph Jäger strahlt an diesem trüben Nachmittag übers ganze Gesicht. Der Grund: Eine Herzensangelegenheit des Großerlacher Bürgermeisters ist Wirklichkeit geworden. Die kleine Gemeinde im Mainhardter Wald hat jetzt wieder einen eigenen Laden.
Von Ute Gruber
GROSSERLACH. Jahrelang hatte man versucht, das zentrale Geschäft in dem neueren Wohn- und Geschäftsgebäude direkt an der B14, schräg gegenüber von Kirche und Rathaus, wiederzubeleben – Nahkauf, Metzger, Bäcker? Umsonst: Zu wenig Umsatz, um die Personalkosten zu decken. Der Eigentümer hatte schon geplant, eine Wohnung stattdessen einzubauen, ließ sich jedoch überreden, die Immobilie an die Gemeinde zu verkaufen. „Da wussten wir noch nicht, wer oder was da reinkommt“, erzählt der Rathauschef. 100000 Euro kostete die Investition in eine ungewisse Zukunft. Abzüglich Zuschüsse vom ELR. „Ich bin froh, dass der Gemeinderat da mitgezogen hat“, sagt Jäger.
Ein Konzept mit vermieteten Stellflächen für Automaten schwebte Jäger vor, bestückt von Hofläden und anderen regionalen Anbietern. „Aber da fehlen dann wieder manche Artikel.“ Klopapier und Schuhcreme zum Beispiel. Oder Katzenfutter. Dann liest er einen Zeitungsartikel über Christian Maresch und seine Tante-M-Läden und ist begeistert: „Der macht genau das, was ich mir überlegt habe.“ Mit Einverständnis des Gemeinderats nimmt er vergangenen Herbst Kontakt auf, bekommt eine Zusage.
„Ich höre den Leuten zu,
was und wie sie es wollen.“
Maresch sieht sich als Unternehmer und hat das Ohr am Puls der Zeit: „Mein Interesse ist es, die Bedürfnisse von Kunden zu erfassen. Ich höre den Leuten zu, was und wie sie es wollen. Dafür suche ich dann eine Lösung.“ Einen Grund für das Scheitern vieler dörflicher Ladenprojekte sieht er zum Beispiel in den stark eingeschränkten Öffnungszeiten: „Ab 9 Uhr offen, dann von 12 bis 14 Uhr zu und abends ab 18 Uhr auch: Das geht vielleicht für Senioren, aber nicht für Berufstätige.“ Die brauche man aber ebenfalls als Kunden, um einen rentablen Umsatz zu generieren. Das Personal wiederum bräuchte auch seine Pausen.
Mareschs genialer Schachzug: Die Anwesenheitszeit von Kunden und Mitarbeitern wird entkoppelt. Die Mitarbeiter erledigen ihre Aufgaben wie Ware Nachfüllen und Putzen nach Bedarf und – abgesehen von den festen Servicezeiten dreimal die Woche – recht flexibel, ein Rumstehen und Warten auf Kundschaft entfällt. Die Kunden dagegen haben eine äußerst komfortable Öffnungszeit – zwischen 5 und 23 Uhr. Möglich wird dies durch ein digitalisiertes Bezahlsystem, bei dem die Kunden ihre Einkäufe selbst registrieren: per Einscannen des Strichcodes auf der Verpackung – bipp – oder durch Tippen des Warenbuttons auf dem großen Touchscreen-Bildschirm. Jutta Gütig macht es vor: „Das geht nach Stückzahl – ein Netz Zwiebeln: einmal den Zwiebelknopf drücken. Fünf Äpfel: fünfmal auf den Apfelbutton. Das ist Fingergymnastik“, meint die Regionalleiterin aus dem Bottwartal mit einem Augenzwinkern.
Damit Kunden beim Rausgehen nicht das Bezahlen vergessen, gibt es Überwachungskameras und der Betreiber hat überraschend festgestellt: „Es wird nicht mehr geklaut als anderswo auch.“ Gütig wird den Laden in Großerlach betreuen, bis eigenes Personal gefunden und eingelernt ist. Und am liebsten würde sie hierbleiben, denn „das ist so eine coole Socke von Bürgermeister“, schwärmt sie. Eine gute Voraussetzung für das Gelingen, wie Pächter Maresch festgestellt hat: „Wenn Bürgermeister und Gemeinderat dahinterstehen, kann’s klappen“, ist seine Erfahrung, seit der vor zwei Jahren den ersten Laden eröffnet hat.
In Großerlach steht der elfte Laden dieser Art, und der Erfinder von Tante-M kann sich inzwischen vor Anfragen kaum retten: „Jeden Tag eine neue Anfrage, vor allem von Kommunen. Sogar aus Niedersachsen.“ Offenbar hat er mit seinem Konzept ins Schwarze getroffen, auch SWR und ZDF haben schon berichtet. Maresch erwägt nun schon, Teile im Franchising abzugeben.
Der zweite essenzielle Erfolgsfaktor: die Kundschaft. Wird der Laden fleißig frequentiert, kann er bleiben. Was das Warenangebot anbelangt, sind die Voraussetzungen gegeben. Rund 1200 Artikel bilden das Startsortiment, dabei findet sich trotz eingeschränkter Markenauswahl sowohl Gut und Günstiges als auch Bio-Ware. „Wir wollen alle Arten von Kunden ansprechen.“ Nicht für den großen Wocheneinkauf, aber für die fehlenden Kleinigkeiten zwischendurch. Artikel, die Kunden vermissen, können sie auf einem Wunschzettel vermerken – das Sortiment wird dann an die örtlichen Bedürfnisse angepasst.
Rund 30 Bürger stehen zur Eröffnungsfeier schon gespannt vor der Ladentür dieses ersten Tante-M-Ladens im Rems-Murr-Kreis. Der erste, der ihn betreten darf, ist Herr Ruf, dem das Geschäft noch bis vor Kurzem gehörte. Auch er strahlt: „Das freut mich als alter Großerlacher ganz besonders mit den neuen Laden. Ich hab‘ das im Fernsehen gesehen – das wird eine tolle Sache!“
Der Tante-M-Laden neben der Volksbank in Großerlach an der B14 hat an allen Tagen geöffnet, jeweils von 5 bis 23 Uhr.
Servicezeiten mit Beratung und Unterstützung durch Mitarbeiter sind Montag und Freitag von 9 bis 11 Uhr und Donnerstag von 16 bis 18 Uhr.
Bezahlt werden kann mit EC-Karte, aufgeladener Kundenkarte oder in bar.